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Verbannt. Das Parlament stimmte mit der rot-roten Mehrheit nach einer erregten Debatte am Donnerstag dafür, statt des weißen Adlers des Architekten Peter Kulka künftig einen stilisierten roten Adler auf dem Rednerpult zu präsentieren.

© Landtag

Potsdam: Kein weißer Adler im Landtag: Die Macht der Symbole

Der weiße Adler im Landtag wird abgehängt, an das Rednerpult kommt ein kleiner roter – vorerst. Die Parlamentsdebatte war hitzig wie selten.

Peter Kulka weiß noch nicht, was er mit dem weißen Adler anstellen soll. Ob er ihn mitnehmen wird in sein Atelier, um ihn dort aufzuhängen. Oder ob er ihn irgendwo einlagert, damit er nicht ständig daran erinnert wird. Daran, was sich in Potsdam abspielte, in dem von ihm entworfenen Landtag in Form des früheren Stadtschlosses, außen Historie, innen schlichte, klare Moderne. Der Architekt weiß nur: „Er wird nicht an einer anderen Stelle hängen im Landtag, er ist genau für diese Stelle im Plenarsaal gemacht und für keine andere.“

Jedenfalls könne er mit dem von ihm vorgelegten Kompromiss leben. Der Landtag folgte ihm am Donnerstag und beschloss: Der weiße Adler wird abgenommen, auf das Rednerpult kommt der Schriftzug „Landtag Brandenburg“, darunter ein stilisierter roter Adler.

Das ist der vorläufige Schlusspunkt nach einer teils schrillen Debatte. Die Vorgeschichte ist kurz erzählt. Für Gestaltungsfragen im Neubau hatte der Landtag eine Kunstkommission eingesetzt, die plädierte für Kulkas Idee, im Plenarsaal einen weißen Adler aufzuhängen. Das Landtagspräsidium folgte dem, denn es widersprach nicht.

Doch schon vor der Eröffnung des Landtags im Januar nahm der Streit Fahrt auf. Kaum ein Thema hat in den vergangenen Monaten so viel Raum eingenommen in der politischen Debatte in Brandenburg, aber auch in der medialen Berichterstattung, wie der Streit um den weißen Adler; abgesehen vom Pannen-Flughafen in Schönefeld. Im Landtag gingen unzählige Briefe, Anrufe und E-Mails von Bürgern ein. Viele verlangten, statt Kulkas weißen Adlers müsse das heraldisch korrekte Wappentier Brandenburgs, der rote Adler mit gelbem Schnabel, gelben Krallen und gelbem Kleestengel an den Flügeln, im Plenarsaal hängen. Sogar ein Bundesverfassungsrichter schickte ein Paket an Landtagspräsident Gunter Fritsch, darin ein „Farbtopf zur Wiederherstellung der Verfassungsmäßigkeit des Brandenburger Plenarwappens“. Andere, die den weißen Adler sahen, fanden ihn passend für dieses Gebäude. Wiederum andere, aber deutlich weniger, fragten sich, ob es in Brandenburg keine wichtigeren Probleme gibt. Von Provinzposse war die Rede.

Hoch emotional verlief das Ganze. Selbst die Medien positionierten sich. Eine Tageszeitung ließ den weißen Adler in die gelbe Tonne fallen. Die PNN selbst verpassten sich eine klare Linie für Kulkas weißen Adler, die Grünen-Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem zitierte in der Debatte am Donnerstagnachmittag einen entsprechenden Kommentar: „So viel Freiheit sollte sein. Denn die Kunst der Freiheit zeigt sich in der Freiheit der Kunst.“

Genauso aufgeladen endete die Debatte am Donnerstag, sogar noch schriller als zuvor. Selten lieferten sich die Landtagsabgeordneten derart hitzige Redegefechte, selten sind sie so kämpferisch, selten so emotional wie am gestrigen Donnerstag. Die CDU hatte beantragt, dass der weiße Adler durch den heraldisch korrekten ersetzt werden soll. Die CDU-Fraktion und zwei FDP-Abgeordnete stimmten dafür. Auch Landtagspräsident Fritsch (SPD), der seit Monaten nicht immer neutral wie ein Parlamentspräsident für den großen, roten Alder kämpfte; er wollte wohl eine Spur hinterlassen, er tritt im September nicht mehr zur Wahl an. Eine Mehrheit fand der Vorschlag nicht. Wohl aber der von SPD und Linken, Teilen der Grünen und der FDP getragene Kompromissvorschlag Kulkas.

Bei der Debatte über die Abgeordnetenanträge offenbarte sich, wie aufgeladen Symbole sind, welchen Wert sie für Politik haben. Es ging keineswegs um Symbolpolitik, sondern um Politik mit Symbolen. Am Ende sagte SPD-Fraktionschef Klaus Ness: „Ich hatte meine Befürchtungen, die negativ übertroffen wurden.“

Da war zum Beispiel der FDP-Abgeordnete und Landeschef der Liberalen, Gregor Beyer, der sich über ein „kleines rotes Vögelchen statt unseres Wappens“ sichtlich erregte und dann lautstark polterte: „Seine Fahne trägt man und wenn es das Schicksal will, dann fällt man auch unter unsere Fahne. Aber niemals stellt man seine Fahne zur Disposition.“ Der CDU-Abgeordnete Henryk Wichmann sagte: „Die Linken tun sich schwer, mit nationalen Symbolen, schwer unsere Nationalhymne zu singen, und sie tun sich schwer mit unserem Landeswappen.“ CDU-Fraktionsvize sagte: „Sie machen deutlich, dass Tradition, Geschichte und Heimat etwas ist, womit sie nichts anzufangen wissen.“ Und: „Die Bürger wissen, wer das Stadtschloss gesprengt hat.“

SPD-Fraktionschef Ness warf der CDU „nationalistische Überhebungen“ vor. Er plädierte wie Vertreter von Linken und Grünen für den kleinen roten Adler am Rednerpult. Der rote Adler entspreche dem Wunsch eines großen Teils der Brandenburger, sagte Ness. „Die Hymne ,Steige auf Du Roter Adler’ hat vielen Brandenburgern in schwerer Zeit Mut gemacht.“ Mit dem von Kulka selbst vorgeschlagenen Kompromiss könnten Rechtsstreitigkeiten mit dem Architekten vermieden werden.

Thomas Domres (Linke) sagte, nur in 13 von 16 Landtagen hingen originale Wappentiere. Die Grüne von Halem sagte, der weiße Adler sei das Kunstwerk, in dem die Gesamtgestaltung des Landtags kulminiere. „Auch seinetwegen ist diesem Bau so viel Lob zuteilgeworden, auch seinetwegen haben Künstler und Architekten weit über die Landesgrenzen hinaus ihren Zuspruch geäußert.“

Und ganz am Schluss noch Kerstin Kaiser (Linke), die über die Herkunft des Wappens im 12. Jahrhundert bei den Askaniern als Herrschaftsinsignie unter Otto I. sprach. „Und alle stempelten ihre Herrschaft mit dem Roten Adler. Dieses Wappentier ist eine Reliquie des Mittelalters, des Absolutismus, des aufgeklärten Absolutismus bis hin zum Dritten Reich. Viel Blut ist in diesen Zeiten geflossen.“

Nur Kulka blieb nüchtern. Nach dem Beschluss sagte er: „Ich stehe zu dem Kompromiss, ich kann damit leben. Begeistert bin ich nicht. Wie schön der weiße Alder war, kann man sehen, wenn man den anderen hat.“

Vielleicht kommt aber alles noch einmal wieder. Denn für CDU-Fraktionsvize Dombrowski ist die Debatte mit dem Beschluss noch lange nicht beendet. Es gibt eine Zeit nach der Landtagswahl im September.

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