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Auch innerhalb der evangelischen Kirche verschärft sich der Ton im Streit um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche.

© A. Klaer

Potsdam: "Gotteslästerliche Bude": Christen streiten über Garnisonkirche

Evangelische Christen streiten sich um den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Bei einer Tagung in Potsdam fallen dabei auch äußerst scharfe Worte.

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Potsdam - Im Streit um den Wiederaufbau der Garnisonkirche verschärft sich jetzt auch der Ton zwischen Befürwortern und Gegnern innerhalb der evangelischen Kirche. Konkreter Anlass ist eine Tagung am vergangenen Wochenende in Potsdam, die die kirchennahe Martin-Niemöller-Stiftung gemeinsam mit der Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ und der Französisch-Reformierten Gemeinde organisiert hatte und in der das Wiederaufbauprojekt in scharfer, teils auch polemischer Form kritisiert wurde. Die Initiatoren der Garnisonkirchen-Stiftung waren zu der Tagung hingegen nicht eingeladen, was wiederum dort für starke Verstimmung sorgte.

Eschenburg: Dass Protagonisten des Wiederaufbauprojektes nicht bei Tagung sind, sei demokratietechnisch zu hinterfragen

Es sei ihm unbegreiflich, wie man sich mit der Garnisonkirche beschäftigen und dazu eigens nach Potsdam reisen könne, ohne sich das Projekt von jenen erklären zu lassen, die es vorantreiben, kritisierte Alt-Bischof Wolfgang Huber, der Kuratoriumsvorsitzende der Garnisonkirchen- Stiftung, gegenüber den PNN. Dieses Vorgehen sei „völlig inakzeptabel“ und beunruhige ihn sehr. Wieland Eschenburg, Kommunikationsvorstand der Garnisonkirchen-Stiftung, und sonst eher ein Mann der leisen Töne, stellte den Organisatoren gar ein „Armutszeugnis“ aus. Das Vorgehen, die Protagonisten des Wiederaufbauprojekts bei der Tagung außen vor zu lassen, sei „demokratietechnisch stark zu hinterfragen“, erklärte Eschenburg.

Die innerkirchlichen Gegner des Wiederaufbaus hatten das Vorhaben auf der Tagung schwer unter Beschuss genommen. „Warum sollte diese gotteslästerliche Bude auferstehen?“, fragte der Journalist und „Zeit“-Autor Christoph Dieckmann am Sonntag provokant in seiner mit mehr als 100 Menschen gut besuchten Predigt in der Französischen Kirche. Im Gegensatz zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche empfinde er es als „unwürdig und geschichtsvergessen“, eine „Kopie der Garnisonkirche“ zu errichten, sagte Dieckmann. Die Kirche in Potsdam sei als „Walhalla des preußischen Absolutismus“ entstanden. Ihr Auftraggeber Friedrich Wilhelm I. habe „die Armeen gezüchtet“, mit denen sein „Spross“ Friedrich II. schließlich europaweit „Leichenberge produziert“ habe „und dafür ,der Große’ genannt wurde“.

Berliner Journalist Grünzig: Geschichte der Garnisonkirche ist politisch beladen

Für einen hoch problematischen Ort hält auch Matthias Grünzig die Garnisonkirche. Der Berliner Journalist hat gerade ein Buch vorgelegt, in dem er die Geschichte der Potsdamer Militärkirche im 20. Jahrhundert nachgezeichnet hat. In seinem Werk „Für Deutschtum und Vaterland“ beschreibt Grünzig, wie politisch beladen die Geschichte dieses Gotteshauses ist. Der Journalist sagte in seinem Vortrag auf der Tagung, die Militärkirche an der Breiten Straße habe schon in der Zeit vor 1933 eine unrühmliche Rolle gespielt: „Die Potsdamer Garnisonkirche war mit dem Aufstieg des Rechtsextremismus in Deutschland auf das Engste verbunden.“ Hier sei der Weg in die Katastrophe geebnet worden. „In der Garnisonkirche wurde der Nährboden bereitet, auf dem schließlich das Dritte Reich entstehen sollte“, so Grünzig. Zuvor hatte der Journalist in seinem Vortrag detailreich erläutert, wie seit der Weimarer Zeit nationalistisch und antidemokratisch eingestellte rechte Gruppierungen das barocke Gotteshaus für ihre Veranstaltungen nutzten. Organisationen wie der Reichskriegerbund „Kyffhäuser“ oder die rechtsextrem eingestellte Deutschnationale Volkspartei, aber auch die NSDAP hätten die Militärkirche für ihre Veranstaltungen genutzt.

Auch für den Berliner Historiker Manfred Gailus ist der braune Geist eng mit der Garnisonkirche verbunden. Der an der Technischen Universität Berlin am dortigen Zentrum für Antisemitismusforschung tätige Professor sagte auf der Tagung, er beschäftige sich seit zwei bis drei Jahrzehnten intensiv mit dem Thema Protestantismus und Nationalsozialismus. Doch „derart lupenreine NS-Rituale und braune Kulthandlungen wie in der Garnisonkirche“ habe er nirgendwo sonst in Kirchengemeinden feststellen können. Selbst dort, wo – im Gegensatz zur Garnisonkirche – die Deutschen Christen mit ihrer hitlertreuen Haltung Gemeinden dominierten, sei es nicht so derart wenig christlich und zugleich so sehr nationalsozialistisch zugegangen wie in der Garnisonkirche. In zahlreichen rein nationalsozialistisch ausgerichteten Veranstaltungen habe sich in dem Potsdamer Gotteshaus ein brauner Geist ausbreiten können. „Er artikulierte sich in politischen Bekenntnissen und quasi-religiösen Kulten, die wir heute in der Geschichtswissenschaft als ,politische Religion’ des Nationalsozialismus bezeichnen“, sagte Gailus.

Andernorts in Potsdam habe es "weit schlimmere Predigten" gegeben

Der Potsdamer Kirchenexperte Andreas Kitschke wies die Darstellung, die Garnisonkirche sei vom braunen Geist geprägt, hingegen vehement zurück. Andernorts in Potsdam habe es „weit schlimmere Predigten“ gegeben. Während der NS-Zeit seien etwa die Nikolaikirche, die Friedenskirche und die Gemeinde Neubabelsberg „von NSDAP-Genossen im Talar okkupiert worden und diese leitenden Herren der ,Deutschen Christen’ beschwerten sich im Konsistorium über die ,Bekenntnisfrontler’ an der Garnisonkirche“, erklärte Kitschke.

Am Ende der Tagung positionierten sich die rund 60 Teilnehmer klar gegen den Wiederaufbau des einstigen Wahrzeichens der Stadt. Auch das im knapp 90 Meter hohen Turm geplante Versöhnungszentrum rechtfertige das Projekt nicht, sagte der Vorsitzende der Niemöller-Stiftung, Martin Karg. „Für die Versöhnung braucht man diesen Bau nicht.“

Die Garnisonkirchen-Stiftung will im kommenden Oktober mit dem Bau beginnen. Unterstützt wird das Vorhaben unter anderem mit einer Zwölf-Millionen-Euro-Förderung vom Bund. Auch die evangelische Kirche hatte insgesamt fünf Millionen Euro an Krediten zur Verfügung gestellt. (mit dpa)

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Weil ihn der Umgang mit der Geschichte der Garnisonkirche und dem Wiederaufbau gestört hat, ist Philipp Oswalt, ehemaliger Direktor der Bauhaus-Stiftung, aus der Kirche ausgetreten. 

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