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Bewahrer der Traditionen. Als Generaldirektor der Schlösserstiftung kämpfte Hans-Joachim Giersberg stets gegen eine Kommerzialisierung des Welterbes – nicht immer mit Erfolg. Seit seinem Rücktritt 2001 wurde er mit Ehrungen überhäuft.

© Manfred Thomas

Potsdam: Der Architekt der Schlösserstiftung

Hans-Joachim Giersberg ist für viele der Inbegriff von Sanssouci. Am Samstag wurde der Potsdamer Ehrenbürger 75 Jahre alt

Von Peer Straube

Potsdam - Bescheidenheit. Es ist vielleicht die erste Eigenschaft, die einem ganz spontan zu Hans-Joachim Giersberg einfällt. Als er vor mehr als elf Jahren als Generaldirektor der Schlösserstiftung verabschiedet wurde, haben ihn die Anwesenden im Schlosstheater des Neuen Palais gefeiert wie einen Oscar-Preisträger. Die minutenlangen stehenden Ovationen haben Giersberg damals sichtlich gerührt. Dennoch war zu merken, wie unangenehm ihm ein solcher Rummel um seine Person eigentlich ist. Es ist diese Bescheidenheit, die den Ehrenbürger der Landeshauptstadt bis heute zu einem der beliebtesten Potsdamer macht.

Am heutigen Samstag wird Giersberg 75 Jahre alt. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) wird persönlich gratulieren, auf Bitten des Jubilars unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ganz entfliehen kann Giersberg dem Rampenlicht allerdings nicht. Am kommenden Freitag werden die Schlösserstiftung und die Stadtverwaltung eine gemeinsame Feierstunde für ihn abhalten.

Als er zwölf Jahre alt ist, siedelt Giersbergs Familie von Schlesien nach Potsdam über. Nach einem Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Völkerkunde promoviert er 1975 mit einer Arbeit zur „Zur Rolle Friedrichs II. von Preußen als Bauherr und Baumeister“. Bereits 1978 wird der damals 40-Jährige zum Schlösserdirektor in der Verwaltung der zu DDR-Zeiten Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci berufen.

Noch vor dem Mauerfall wagt er einen Schritt, der ihm bis heute die Sympathien der Bürgerrechtsbewegung einbringt. Als 1988, unter anderem vom heutigen Regierungschef Brandenburgs, Matthias Platzeck (SPD), die Arbeitsgemeinschaft des Kulturbundes aus der Taufe gehoben wird, die erste Versuche zur Rettung des verfallenen Belvederes auf dem Pfingstberg unternimmt, unterstützt er diese Bestrebungen der Stasi zum Trotz öffentlich durch seine Teilnahme am ersten Pfingstbergfest im Juni 1989.

Nach der Wiedervereinigung fällt Giersberg die Rolle des Architekten der Neustrukturierung der Schlösserverwaltung zu. Dass die Parklandschaft von Sanssouci von der Unesco noch 1990 mit der Aufnahme in die Welterbeliste geadelt wird, ist auch sein Verdienst. Fünf Jahre dauert es, bis aus den Schlossverwaltungen der DDR und Westberlins die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hervorgeht. Giersberg wird ihr erster Chef. Mit den Stiftungsgebern, dem Bund, Berlin und Brandenburg, ringt er um eine auskömmliche Finanzierung für die Sanierung der maroden Schlösser. Die Belvederes auf dem Pfingst- und dem Klausberg werden unter seiner Ägide saniert – auch weil Giersberg es schaffte, Mäzene für die Projekte zu gewinnen. Auch die Schlösser Caputh, Paretz und Königs Wusterhausen werden saniert. Parallel schafft Giersberg es noch, ein viel gerühmtes Standardwerk über das Potsdamer Stadtschloss zu schreiben.

Doch es gibt auch bittere Momente für den Potsdamer Chefwelterbehüter. 1998 setzt der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) beim Staatsbesuch von US-Präsident Bill Clinton ein Dinner im Schloss Sanssouci durch. Giersberg ist entsetzt und spricht von einem Tabubruch. „Kein deutscher Kaiser hat je in Sanssouci gespeist, kein Reichspräsident und kein Staatsratsvorsitzender“, ereifert sich der Generaldirektor. Als Clinton ihm beim Schlossrundgang fragt, wo er sich vor dem Essen die Hände waschen könne, verhält er sich wie ein Gentleman und gibt freundlich Auskunft. Giersberg wird das Dinner später als seine größte Niederlage werten.

Die Zähne zusammenbeißen muss er auch ein Jahr später, als Modeschöpfer Wolfgang Joop 1999 sein neues Parfum „Rococo“ in den Neuen Kammern präsentieren darf – die Landesregierung unter Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) setzt sich über Giersbergs Veto hinweg.

Gegen die Kommerzialisierung des Welterbes hat sich Giersberg stets vehement gewehrt – auch wenn er selbst es war, der eine Ausnahme eingeführt hat: die Potsdamer Schlössernacht. Das Lustwandeln von Zehntausenden, jährlich einmal im August, nimmt er als notwendiges Übel hin, um das Welterbe auch jenen ins Bewusstsein zu rücken, für die Parks und Schlösser nur malerische Kulisse für ein Spektakel sind.

Für die verlorenen Schlachten entschädigen ihn die zahlreichen schönen Aufgaben, die der Job mit sich bringt. Fast alle gekrönten Häupter Europas darf Giersberg durch die Schlösser führen. Am angenehmsten findet er die niederländische Königin Beatrix, die beim Sanssouci-Besuch freiwillig in die Filzpantoffeln schlüpfte – obwohl für sie eine Ausnahme gegolten hätte. Dennoch hinterlässt der Posten Spuren. 2001 kündigt Giersberg überraschend seinen Abschied an – mit 63 Jahren geht er aus gesundheitlichen Gründen in den Vorruhestand – und wird anschließend mit Ehrungen überhäuft: Potsdamer Ehrenbürgerschaft, Brandenburgischer Adler-Orden, Bundesverdienstkreuz, zuletzt der Wilhelm-Foerster-Preis der Urania.

Öffentlich macht er sich rar, auch wenn es kaum eine Veranstaltung von Gewicht gibt, zu der Giersberg nicht eingeladen wird. Wenn er sich zu Wort meldet, dann sind die Gründe in der Regel gewichtig – und das Thema eine Herzensangelegenheit für ihn. In der Debatte um den Parkeintritt für Sanssouci stellt er sich gegen seinen Amtsnachfolger Hartmut Dorgerloh: Frei zugängliche Welterbeparks „muss sich eine Gesellschaft leisten“, sagt er. „Besonders in Deutschland hat dies Tradition.“ Für Giersberg ist das nicht nur ein Wort. Er hat sie gelebt.

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