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Innovativ. Die Studierenden Carolin Langenbach, Friedemann Gutsche und ihr Professor, Holger Jahn, haben ein Fahrrad mit Bohrmaschinen-Antrieb erfunden. Sie präsentierten es am Wochenende auf der Werkschau der Fachhochschule Potsdam. Dort kamen auch die FH-Sterne wieder zum Vorschein.

© Sebastian Gabsch

Potsdam: Das Leben in der Stadt mitbestimmen

Bei der Werkschau der Fachhochschule präsentierten Studenten ihre Ideen – vom klimaschonenden Gefährt bis zur Toilette.

Potsdam - Mit 28 Kilometern pro Stunde saust das Gefährt über den Campus der Fachhochschule Potsdam (FHP). Liegend transportiert das Fahrzeug den Steuermann – betrieben wird es mit einem simplen Akkuschrauber. Den Studenten des Studiengangs Produktdesign der FHP ging es bei der Herstellung ihres Gefährts primär um das Zusammenspiel von Funktionalität und Design: Nachhaltigkeit made in Potsdam soll schließlich auch gut aussehen. Bei der großen Werkschau der FHP – der Jahresausstellung der Hochschule – konnten Interessierte am Wochenende einen Blick hinter die Mauern der Hochschule werfen. Präsentiert wurden neben dem Liegerad der Studenten des Fachs Produktdesign Workshops, Gespräche, Poetry Slam, Kulinarik und das Sommerfest des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) mit zwei Bühnen.

Etwa 3500 Studierende zählt die FHP aktuell, die unter anderem für die Bereiche Design, Sozial- und Bildungswissenschaften oder Stadt/Bau/Kultur eingeschrieben sind. In diesem Jahr beteiligten sich neben den gestalterischen Studiengängen erstmals auch alle anderen Fachbereiche an der Ausstellung zum Semesterende. Sie zeigten in offenen Werkstätten, Laboren und Seminarräumen, woran sie in den letzten zwei Semestern geschraubt und geforscht haben – und hatten dabei für Außenstehende die eine oder andere erhellende Einsicht parat.

Wie beispielsweise eine Stadt wie Potsdam ohne Autos funktionieren kann, haben die Studenten Christian Werner Sommer, Alexander Wiens und Zodaba Yousof im Rahmen des Projekts „Mobility-as-a-Service für Potsdam“ untersucht. Eigentlich sei die Verkehrssituation in Potsdam nicht schlecht, sagte Sommer, „aber es gibt auch sehr viele Autos in der Stadt“. Die Folge: Verkehrschaos und schlechte Luft. Ändern könnte sich das mit sogenannten Mobilstationen mit Fahrrad- und Carsharing-Angeboten, automatisierten Elektrobussen und Fahrradschnellwegen. Eine Testphase mit Elektrobussen, die durch Bornstedt fahren sollen, ist zum Beispiel bereits für 2019 geplant (PNN berichteten). FHP-Ideen wie das Liegerad können einen Beitrag zu dem Thema leisten. Bei der Vorführung wurde klar: Die FHP ist ein lebendiger und interdisziplinär ausgerichteter Ort, der mit seinen Ideen und Projekten das Leben in Potsdam mitbestimmt. Auch, wenn es von außen nicht immer zu sehen ist.

Um Erhalt im Sinne von Nachhaltigkeit geht es auch in anderen Studiengängen, wie im Bauingenieurwesen und Produktdesign. Die Studenten präsentierten verschiedene Toilettenvarianten. Was in der gezeigten Ausstellung dazu skurril anmutete – etwa, wenn vom „pussoir“, einer speziellen Toilette für Frauen, die Rede war –, hat relevante Hintergründe. Hygiene und Umweltschutz etwa, in der westlichen Welt und in Entwicklungsländern gleichermaßen bedeutsam.

Auch die Werkstatträume des Studienbereichs Konservierung und Restaurierung mit Schwerpunkt Metall öffneten am Wochenende ihre Türen für Besucher. Dort sah man sich imposanten, alten Bekannten gegenüber. Nicht nur die riesige und 250 Kilogramm schwere Plastik des Adlers vom Felsentor im Park Sanssouci war dort zu sehen, auch der „Gambrinus“ blickte Besuchern entgegen. „Die Zinkplastik stammt von der Fassade des Kultur- und Wohnprojekts Archiv e. V.“, erklärte Alexander Ackermann, der mit ihrer Restaurierung beschäftigt ist. Eine Dose Bier hatte der Student neben die Figur gestellt, weil sie vermutlich den König darstellt, der als Erfinder des Bierbrauens gilt – Gambrinus eben.

Um etwa 1870 entstanden, schmückte die Plastik die im 18. Jahrhundert gegründete „Königliche Hofbrauerei“, also das Haus, in dem sich heute das Kulturzentrum Archiv in der Leipziger Straße befindet. Zu Ackermanns Arbeit gehört es nicht nur, die Figur zu restaurieren, sondern auch ihre Geschichte zu erforschen. „Leider ist weder bekannt, wo ,Gambrinus’ hergestellt wurde, noch, wer die Figur geschaffen hat“, sagte der gebürtige Hamburger. Geplant sei deshalb noch in diesem Jahr ein öffentlicher Aufruf, der zur Aufklärung der Herkunft von Gambrinus beitragen soll.

Ein weiterer Schatz, den die Werkstattleiterin des Fachbereichs Restaurierung und Konservierung, Eva Laabs, hütet, sind rund 80 Fassadenteile des alten Gebäudes der Fachhochschule am Alten Markt, das dieser Tage durch den Abriss für immer aus dem Stadtbild verschwinden wird. Laabs findet das falsch. Aus ihrer Sicht war das Gebäude Zeugnis erhaltenswerter Ostmoderne. „Aber wir sind froh, dass uns die kommunale Bauholding Pro Potsdam einen Teil der Sterne vermacht hat“, sagte sie. Zwei der DDR-Formsteine der einstigen FH-Fassade schmücken nun eine Flurwand in der FHP. Sie sind im Vorher-Nachher-Prinzip zu sehen: Ein Teil ist im unbehandelten Zustand, einer wurde gereinigt. „Wir werden die Teile zeitnah identitätsstiftend an den Außenwänden der FHP hier in Bornstedt anbringen“, sagte Laabs. Immer wieder gebe es Anfragen von Potsdamern, die gerne einen „Stern“ bekommen würden, aber es sei entschieden worden, sie auf diese Weise der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen.

Andrea Lütkewitz

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