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Potsdam: Besuch im Unverpacktladen

Es läuft gut für den Unverpackt-Laden am Luisenplatz. Zwei Monate nach der Eröffnung bekommt Chefin Schönborn den Titel „Grüne Gründerin“.

Potsdam - Es herrscht Gewusel in dem kleinen Geschäft am Luisenplatz, das Carolin Schönborn vor gerade mal zwei Monaten eröffnet hat. Eine Kindergruppe drängelt sich durch Fernsehkameras, Fotografen und Reporter. Dazwischen stehen Politiker und Mitarbeiter der Grünen. Sie sind hier, weil Schönborns Laden „maßVoll“ kein gewöhnlicher ist – er hat eine Agenda. Das Konzept: Alle Produkte sind unverpackt. Es geht darum, Plastikmüll zu reduzieren. Ein Konzept, das den Grünen gut in den Kram passt. Deshalb zeichnen sie Schönborn an diesem Montagvormittag mit dem Titel „Grüne Gründerin“ aus. Eine Wertschätzung, sicher aber auch Marketing – für beide Seiten.

Aus dem Häuschen ist die 29-jährige Schönborn deshalb aber nicht. „Dass die Leute hier einkaufen, ist eine viel größere Auszeichnung.“ Und Kunden kämen tatsächlich schon viele, erzählt Schönborn. Und: Es sind beileibe nicht nur Hardcore-Ökos. „Viele Leute fangen gerade erst an, sich über Nachhaltigkeit Gedanken zu machen“, sagt sie. Auch die Kindergruppe, die noch immer durch den Laden wuselt, sei kein ungewöhnliches Bild. Lehrer und Erzieher integrierten Exkursionen in das Geschäft in den Unterrichtsalltag – und sorgen so für Umweltbewusstsein. Ein netter Nebeneffekt: „Hinterher bringen sie dann ihre Eltern mit“, berichtet Schönborn.

Überhaupt machten Laufkunden nur den geringsten Teil der Verbraucher aus. „Das sind höchstens 20 Prozent, die meisten kommen ganz gezielt“, sagt Schönborn. Aus anfangs Neugierigen wurden über die Wochen Stammkunden, teilweise kommen sie jeden zweiten Tag. Viele Ältere verspürten im Laden eine Nostalgie, sagt Schönborn. Nach den zwei Monaten zieht sie eine positive Bilanz. „Trotz Hitze und Urlaubszeit läuft es bisher gut“, sagt die 29-Jährige. Das Geschäft scheint sich zu rechnen: Inzwischen beschäftigt sie ihren ersten Mitarbeiter, in Teilzeit.

Die Dauerbrenner sind Seife und Nudeln

Fast 500 Artikel gibt es in dem Laden, der direkt an der Ecke Luisenplatz/Zeppelinstraße liegt. Zahnbürsten mit Holzgriff, verschiedene Müslizutaten, Tees, Reinigungsmittel oder Gewürze stehen in den Regalen. Auch tierische Produkte gibt es: von Joghurt über Eier bis hin zu Honig. Die Dauerbrenner, das sind Seife und Nudeln. „Da kommt es schon mal zu Engpässen, die muss ich jede Woche nachbestellen“, erzählt Schönborn. Beim Einkauf füllen die Kunden die Artikel in eigene Behältnisse, so können sie diese auch ohne Plastikverpackung transportieren. Für alle, die zufällig vorbeikommen, gibt es auch im Laden Glasbehälter zu kaufen.

Einen Supermarkt völlig ersetzen kann der Unverpackt-Laden aber noch nicht. Selbst Schönborn gibt zu: „Auch ich gehe manchmal woanders einkaufen – Sojamilch zum Beispiel gibt es einfach noch nicht unverpackt.“ Es sind praktische Grenzen, an die das Konzept stößt. Auch die großen Spender für Reinigungsmittel oder Müsli im Laden sind aus Plastik. Die für das Müsli sind wiederbefüllbar. Für die Waschmittelkanister sucht Schönborn derweil andere Abnehmer als die gelbe Tonne. „Der Hersteller nimmt sie leider nicht zurück.“ Also startete sie einen Facebook-Aufruf. Jetzt können die Kanister im Geschäft abgeholt werden. Sie ließen sich etwa als Blumentöpfe wiederverwenden.

„Ich hätte mich vor mir selbst geschämt, wenn ich das Geschäft nicht eröffnet hätte“

Und dennoch, auch wenn es nicht ganz ohne Plastik geht – es ist ein Anfang. Denn die Wahrheit ist: Unsere Meere sind voller Plastikmüll. Zwischen Hawaii und Kalifornien treibt ein Müllstrudel, der viermal so groß ist wie Deutschland. Sogar in der Arktis wurde schon im Eis eingeschlossenes Plastik gefunden. „Jeder von uns verursacht rund 37 Kilogramm Plastikmüll im Jahr, damit ist Deutschland trauriger Spitzenreiter in Europa“, sagt Grünen-Landeschefin Petra Budke, als sie Schönborn die Auszeichnung übergibt. „Die Folge sind schwimmende Plastikteppiche in den Ozeanen, illegale Mülldeponien und qualvoll verendende Tiere mit Kunststoff im Magen“, sagt die Politikerin.

Die Idee für einen Unverpackt-Laden hatte die 29-jährige Gründerin schon vor zwei Jahren. Damals hatte sie eine Reportage über das erste Geschäft in Kiel gesehen, das unverpackte Lebensmittel verkaufte. „In dem Moment wusste ich: Das ist es! Ich habe noch am selben Abend beschlossen, auch so etwas zu machen“, sagte Schönborn bei der Eröffnung ihres Geschäfts. In den Jahren davor war sie viel im Ausland unterwegs gewesen, unter anderem in Indien und Lateinamerika. Dabei war ihr immer wieder aufgefallen, wie viel Plastikmüll im öffentlichen Raum herumlag. „Das hat mir vor Augen geführt, was wir auch in Deutschland täglich an Müll produzieren – er wird zwar abgeholt und verschwindet dadurch aus dem öffentlichen Raum, aber produziert wird er trotzdem“, sagt Schönborn.

Am gestrigen Montag ergänzt sie: „Ich hätte mich vor mir selbst geschämt, wenn ich das Geschäft nicht eröffnet hätte.“ Budke, die neben ihr steht, freut sich über diesen Enthusiasmus: „Man merkt: Das ist eine Herzensangelegenheit.“

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