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Potsdam: Auf der Lebenslinie

Der restaurierte Brunnen am Schloss Charlottenhof wurde nun wieder in Betrieb genommen. Er ist Teil einer etwas rätselhaften architektonischen Achse.

Potsdam/Sanssouci - Es sind zarte Wasserstrahlen, die aus den Löwenmäulern fließen. Vom Rand der oberen Schale des Brunnens speien die Raubtiere das Nass in das untere Rund. Dort sorgen wiederum Löwenköpfe dafür, dass sich das Wasser schließlich in das Sandsteinbecken des Brunnens ergießt.

Der vor wenigen Monaten restaurierte Brunnen im Dichterhain vor dem Schloss Charlottenhof wurde am Mittwoch wieder in Betrieb genommen. Zuvor hatte man das 1838 hier aufgestellte Wasserspiel einer umfangreichen Frischekur unterzogen. So bedurfte das Wasserbecken einer neuen Abdichtung, die originalen Sandsteinblöcke der Beckeneinfassung wurden restauriert, Rohrleitungen erneuert. Die gusseisernen Schalen und der Schaft des Brunnens erstrahlen nun in einem frischen, aber zugleich dezenten Grün. Nach Angaben der Schlösserstiftung kosteten die Bauarbeiten rund 70 000 Euro. Mit einer Spende von 10 000 Euro unterstützte die Studiengemeinschaft Sanssouci das Restaurierungsprojekt. Einen nicht näher genannten größeren Anteil an dieser Spende der Studiengemeinschaft haben Ingrid und Adolf Kaschube. „Mich hat vor allen Dingen das wasserwirtschaftliche Kunstwerk interessiert“, sagte Adolf Kaschube. Er habe, so der Ruheständler, in seinem Berufsleben als Wasserwirtschaftler gearbeitet – daher die persönliche Nähe zu Brunnenanlagen.

Das Wasserspiel ist Teil einer etwas rätselhaften architektonischen Achse: Der spätere preußische König Friedrich Wilhelm IV. hatte für sich und seine Gattin Elisabeth in den 1820er Jahren das Schloss Charlottenhof errichten lassen. Aus einem bereits vorhandenen Wohnhaus entstand unter dem leitenden Architekten Karl Friedrich Schinkel ein Schlösschen für das junge Kronprinzenpaar. Mitten durch das Vestibül und den Speisesaal des Schlosses verläuft jene rätselhafte ideelle Linie, die Raum für Deutungen lässt, wie auf einer Führung mit dem Kunsthistoriker Klaus Dorst gestern deutlich wurde. Ungefähr könnte das Konzept des Kronprinzen so gelautet haben: Im Osten des Schlösschens, hinter der langen Terrasse von Charlottenhof, geht die Sonne auf – ein Symbol für die Geburt.

Hier ist gleichsam der Anfangspunkt der Lebenslinie, die nach Westen verläuft. Auf dieser Achse, von Osten aus betrachtet, folgt der wasserspeiende Satyr mitten im Rosengarten auf der Terrasse von Charlottenhof. Er könnte laut Dorst die Jugend verkörpern. Die dann folgende Fontäne zwischen dem Rosengarten und dem Portikus des Schlosses symbolisiert möglicherweise den Zenit des Lebens. Weiter im Westen verläuft die Linie durch das Schloss bis sie auf den gerade restaurierten Brunnen trifft – dessen Bedeutung wohl besonders schwer zu enträtseln ist. Schließlich wirft die den Brunnen krönende Figur selbst schon Fragen auf. Lange dachte man, es sei Poseidon, der auf dem Brunnen steht, doch dagegen spricht das Flammenbündel in seiner rechten Hand. Vielleicht handelt es sich bei der Figur um ein Sinnbild zweier Denkrichtungen, vermutet Dorst: Mit der äußerlichen Nähe zu Neptun könnte der Neptunismus symbolisiert worden sein – die Anhänger dieser Lehre glaubten, dass alles Gestein aus Ablagerungen der Ozeane entstanden ist. Das Flammenbündel hingegen könnte für die Plutonisten stehen – sie glaubten, alles Gestein sei vulkanischen Ursprungs.

Das Ende jener ideellen Linie bildet die sogenannte Ildefonso-Gruppe im Westen der Gartenanlage. Sie symbolisiert Schlaf und Tod. 

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