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Schöne Aussicht. Die Filmhandwerker feierten in der 260 Grad Bar in Berlin.

© Manfred Thomas

Potsdam auf der Berlinale: Oscarverdächtige Handarbeit aus Babelsberg

Beim Berlinale-Empfang der Babelsberger Filmhandwerker kamen am Montag diejenigen zusammen, deren Namen man sonst nur aus dem Nachspann kennt.

Berlin/Potsdam - Durch die großen Fenster reichte der Blick über die East Side Gallery. Oberbaumbrücke, Spree und die Lichter der Stadt – Berlin zur Blauen Stunde: Ein Händchen für besonderes Ambiente gehört bei den Gastgebern dieses Berlinale-Empfangs eben zum Geschäft. Die Filmkulissenbauer des Art Department vom Studio Babelsberg, der Requisitenfundus und der Kostümfundus haben am Montagabend ihre Mitarbeiter und Partner – Szenenbildner, Filmausstatter, Kostümbildner - in der 260 Grad Panoramabar in der Berliner Mühlenstraße zum Feiern bei Sekt oder Saftschorle eingeladen. Rund 100 Gäste trafen zusammen. Es sind die stillen Stars im Hintergrund, deren Namen man sonst nur aus dem Nachspann kennt, die den im Rampenlicht stehenden Schauspielern aber erst zum richtigen Auftritt verhelfen.

In Babelsberg wurden die Kostüme für "Jojo Rabbit" geschneidert

Kleider machen Leute – das gilt im Film ohnehin immer: Kostümfundus-Chefin Gabriele Leuter und ihre rund zwölf Mitarbeiter sind momentan mit „Felix Krull“ beschäftigt. Der Thomas-Mann-Roman handelt von einem Hochstapler und Blender, dem es dank gewinnendem Wesen und attraktiven Aussehen gelingt, vom Hotelkellner in höchste gesellschaftliche Kreise aufzusteigen und schließlich als Marquis um die Welt zu reisen. Der Film soll unter Regie von Detlev Buck ins Kino kommen. In Babelsberg werden derzeit die Kostüme für die beiden Hauptdarsteller Jannis Niewöhner und David Kross geschneidert: Fracks, Westen, Smoking, Mäntel im Stil der Mode von 1900. Herrenmaßschneiderin Ute Kanter gerät regelrecht ins Schwärmen, wenn sie über die Arbeit spricht: „Für uns ist das grandios“, sagte sie den PNN: „Klassische historische Schnitte – das ist das, was wir gelernt haben!“ Alles ist Handarbeit, müsse bis aufs Detail stimmen, sagt sie – zum Beispiel die Knopflöcher vom Mantel: „Damit man mit der Kamera nah draufgehen kann.“ Die Arbeit an einem Mantel allein dauere eine Woche.

Rund 100 Gäste - darunter Kostümbildner, Szenenbildner, Filmausstatter - folgten der Einladung.
Rund 100 Gäste - darunter Kostümbildner, Szenenbildner, Filmausstatter - folgten der Einladung.

© Manfred Thomas

Wie gut das Babelsberger Schneider-Team ist, hat sich längst international herumgesprochen. So kamen Kostüme für die Oscar-prämierte Hitler-Komödie „Jojo Rabbit“ aus Babelsberg, wie Gabriele Leuter den PNN berichtete. Die Jacke des Jungen Jojo, gespielt von Roman Griffin Davis, und die Kostüme seiner Mutter, gespielt von Hollywood-Star Scarlett Johansson – für Leuter und ihre Kollegen war der Auftrag ein Höhepunkt im vergangenen Jahr. Die Dreharbeiten hätten zwar in Prag stattgefunden, sagte Gabriele Leuter – aber zu den Kollegen dort habe man gute Kontakte, so dass sie den Kontakt zu Kostümbildnerin Mayes C. Rubeo herstellten. Für die Kostüme gab es am Ende sogar eine Oscar-Nominierung. Derzeit sind die Kleidungsstücke in Los Angeles im Museum zu sehen, dem Fashion Institute of Design & Merchandising Museum. „Im März kommen sie zurück zu uns“, sagte Gabriele Leuter.

Herrenmaßschneiderin Ute Kanter mit Kostümbildnerin Anne-Gret Oehme ( v.l. ).
Herrenmaßschneiderin Ute Kanter mit Kostümbildnerin Anne-Gret Oehme ( v.l. ).

© Manfred Thomas

Mit einem Oscar-Preisträger arbeitet derzeit die Potsdamer Kostümbildnerin Anne-Gret Oehme. Sie verantwortet die Kostüme für die dritte Staffel der ZDF-Vorabendkrimiserie „Soko Potsdam“ – Regisseur ist Filmuni-Absolvent Felix Ahrens, der 2016 in Hollywood mit einem Studentenoscar ausgezeichnet wurde. Auch bei den beiden vorherigen Staffeln hatte sie ihre Hände mit im Spiel – nicht immer nur beim Kostüm, wie sie den PNN verriet. Den teilweise nicht mit Potsdam vertrauten Filmemachern habe sie als Ortskundige den einen oder anderen Tipp geben können – tatsächlich punktet die Krimiserie vor allem mit einem realistischen Potsdam-Bild. So sei bei einer Folge ursprünglich geplant gewesen, dass Parkautomaten im Stern-Center eine Rolle spielen: „Aber jeder Potsdamer weiß doch, dass man dort kostenlos parkt“, erzählt Oehme. Die Story sei dann entsprechend geändert worden. Die Dreharbeiten der dritten Staffel beginnen demnächst. Wie berichtet hat es bereits eine Anwohnerversammlung in der Babelsberger Wichgrafstraße gegeben, weil das fiktive Soko-Polizeirevier künftig dort seinen Sitz hat.

Eine Schachserie für Netflix

Szenenbildner Uli Hanisch ("Babylon Berlin").
Szenenbildner Uli Hanisch ("Babylon Berlin").

© Manfred Thomas

Auch der mehrfache Lola-Preisträger und Szenenbildner Uli Hanisch hat wieder in Babelsberg gearbeitet: Wie schon bei den ersten beiden Staffeln des internationalen Serienhits „Babylon Berlin“ verantwortete er auch in der Fortsetzung wieder das Szenenbild. Gedreht wurde nicht nur in der extra für die Serie nach Hanischs Plänen errichteten Außenkulisse „Neue Berliner Straße“ – das historische Studio war diesmal auch Schauplatz, denn es geht um einen Mord im Filmgeschäft. Die entsprechenden Drehorte in Babelsberg zu finden, sei gar nicht kompliziert gewesen, sagte er den PNN. Für Innenaufnahmen sei man am historischen Tonkreuz-Gebäude fündig geworden, für Innenaufnahmen habe man die Technik-Galerie in der Großen Nord genutzt: „Fast am Originalort.“

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Hanisch war zwischenzeitlich auch für die Netflix-Miniserie „The Queen’s Gambit“ im Einsatz. Es geht um eine junge Waise in den USA der 1960er Jahre, die internationale Erfolge als Schachspielerin feiert, aber auch mit Alkoholsucht kämpft. Obwohl die Serie fast ausschließlich in den USA sowie in verschiedenen Hotels unter anderem in Paris, Mexico und Moskau spielt, sei fast komplett in Berlin gedreht worden, erzählt Uli Hanisch.  Nur für fünf der insgesamt 80 Drehtage sei man in Toronto gewesen. „Wir haben hier in Berlin so viele tolle Säle und Innenmotive, dass wir das Team herlocken konnten“, sagt er. Die Kulissenbauer von Studio Babelsberg hätten die eine oder andere Hotelzimmereinrichtung beigesteuert. Die Serie soll in diesem Jahr bei Netflix laufen, ein genaues Datum steht noch nicht fest.

Modellbauer Simon Weisse ("Grand Budapest Hotel").
Modellbauer Simon Weisse ("Grand Budapest Hotel").

© Manfred Thomas

Der Modellbauer Simon Weisse („The Grand Budapest Hotel“, „Isle of Dogs – Ataris Reise“) ist bei der Berlinale ein gefragter Mann: Am Sonntag berichtete er vor internationalen Filmemachern im Rahmen der Reihe „Berlinale Talents“ über seine Arbeit. Weisse hat bereits zum dritten Mal mit dem US-amerikanischen Regisseur Wes Anderson zusammengearbeitet. Im unlängst veröffentlichten Trailer für „The French Dispatch“, der vom Studio Babelsberg mitproduziert wurde, ist ein Teil davon schon zu sehen, wie er den PNN sagte. Den Hauptsitz der titelgebenden US-amerikanischen Zeitschrift in einer fiktiven französischen Stadt hat er in Babelsberg im Modell gebaut – Schriftzug auf dem Dach inklusive.

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Der Film dürfte dem Trailer nach zu urteilen ein typischer Anderson werden: detailverliebte Sets, ein verwickelter Plot, der trockene Humor und eine bis in die Nebenrollen hochkarätig besetzte Schauspielerriege (Bill Murray, Tilda Swinton, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Timothée Chalamet, Benicio del Toro, Elisabeth Moss, Owen Wilson, Anjelica Huston, FrancesMcDormand…). „The French Dispatch“ soll im Sommer in die Kinos kommen, beim Studio hofft man auf eine Premiere beim Filmfestival in Cannes.

Unterwasseraufnahmen in Babelsberg für Berlinale-Favorit "Undine"

Bei der Berlinale ist Studio Babelsberg indes nur indirekt im Rennen: Für den Wettbewerbsfilm „Undine“ von Christian Petzold konnten die Babelsberger die Hauptdarstellerin Paula Beer („Bad Banks) buchstäblich abtauchen lassen. Vier Tage lang arbeitete das Filmteam im gigantischen Wassertank in den Studios, wie Betriebschef Eike Wolf sagte. „Undine“ verlegt den alten Mythos der männermordenden Wassernixe ins moderne Berlin. Das Drama mit Paula Beer und Franz Rogowski in den Hauptrollen gilt unter Filmkritikern bislang als Favorit im Wettbewerb.

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