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Ein neuer Personalausweis kostet ermäßigt 28,80 Euro. Zu viel für einen Rentner aus Potsdam.

© dpa

Potsdam: Armer Rentner ohne Perso

Ein 74-Jähriger aus Potsdam hat nur eine geringe Rente und erhält noch 200 Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt dazu. Einen neuen Personalausweis kann er sich nicht leisten - und kommt deshalb nicht mehr an sein Geld ran.

Potsdam - Ein mittelloser Rentner muss künftig möglicherweise ohne die monatlichen Rentenzahlungen auskommen – weil ihm die Stadt Potsdam die Gebühren für seinen Personalausweis nicht erlässt. Dem 74-Jährigen, der aus Furcht vor möglichen Repressalien anonym bleiben will, verweigert die Verwaltung einen ermäßigten Satz auf die Personalausweisgebühren von 28,80 Euro. Zu viel für den Senior, der lediglich eine niedrige Rente sowie rund 200 Euro als Hilfe zum Lebensunterhalt pro Monat bekommt. Dabei sieht die entsprechende Personalausweisgebührenverordnung vor, dass die Kosten ermäßigt oder erlassen werden können, wenn die Person bedürftig ist.

Besonders pikant an der Angelegenheit: Die Rente wird per Scheck ausgezahlt. Um diesen bei einer Bank einlösen zu können, muss der Empfänger allerdings seine Identität nachweisen. Eben mit einem Personalausweis. Auch einen vorläufigen Ausweis kann der Mann, der kein Girokonto besitzt, nicht beantragen. Dazu müsste das Dokument verloren oder geklaut worden sein. Das ist aber nicht der Fall.

Anwalt: Hier wird bei den Bedürftigen gespart

Der Potsdamer Anwalt Jens Frick kritisierte die Behörde scharf. Hier werde versucht, bei den Bedürftigen zu sparen. Sein Mandant gerate nun in „wirtschaftlich schwere Not“. Die Behörde lasse ihn „sehenden Auges“ in eine Ordnungswidrigkeit laufen, da der Besitz eines Personalausweises verpflichtend sei. Frick beantragte nun eine einstweilige Anordnung beim Verwaltungsgericht. Das Gericht müsse die Verwaltung zwingen, seinem Mandanten einen vorläufigen Ausweis auszustellen und bis zur Klärung auf die Gebühr zu verzichten.

Der Fachbereich Ordnung und Sicherheit der Stadtverwaltung begründete in einem Schreiben, das den PNN vorliegt, ihre Entscheidung damit, dass mit der Anpassung des Regelbedarfs für Sozialhilfeempfänger auch die Gebühren für einen Personalausweis bereits abgegolten wurden. Unter dem Punkt „Sonstige Dienstleistungen“ seien diese Gebühren für den Ausweis bereits abgedeckt.

Bisher keine Einzelfallprüfung

Frick widersprach dieser Interpretation. So seien die Regelungen des Sozialgesetzbuches erst 2011 geändert worden. Demnach entfielen 25 Cent der Grundsicherung auf die Gebühren für den Personalausweis. Es dauere also seit 2011 rund zehn Jahre, um sich die Summe anzusparen – für seinen Mandanten schlichtweg unmöglich.

Stadtsprecherin Christine Homann betonte auf PNN-Anfrage, dass sich die zuständige Personalausweisbehörde an die bundesweite Regelung halte. Falls eine Bedürftigkeit etwa durch eine Krankheit vorliege, müsse dies im Einzelfall geprüft werden. Der Mann ist an Diabetes erkrankt, eine Einzelfallprüfung gab es nicht. 2014 wurde laut Homann ein Antrag auf Befreiung der Gebühren abgelehnt. In diesem Jahr waren es bereits drei Anträge. Zwei wurden abgelehnt, eine Prüfung dauert noch an. Auch die Stadtverordneten müssen sich wohl mit dem Fall beschäftigen. Die Fraktion Die Andere will eine Anfrage stellen, sagte Fraktionschef Lutz Boede den PNN. Er selbst habe die Behörde vor Kurzem getestet: „Die wussten von der Möglichkeit einer Befreiung nichts.“ Es habe auch keine Formulare gegeben. „Das finden wir schon etwas ulkig“, fügte Boede hinzu. Die Stadt scheine „sehr knauserig“ zu sein und wolle sparen.

Der Rentner nahm es am Montag sportlich. Sicherlich könne er sich die Summe zusammensparen. Aber es sei sein Recht, die Gebühren wenigstens reduziert zu bekommen. Auch Frick stimmte dem zu. Ein ermäßigter Satz für Bedürftige sei annehmbar. 

Stefan Engelbrecht

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