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Position: Wenn Zeitzeugen stören

An diesem Mittwoch wird in der Potsdamer Leistikowstraße die Gedenk- und Begegnungsstätte KGB-Gefängnis wiedereröffnet. Im Umgang mit den Opfern der kommunistischen Diktatur haben Gedenkstättenleitung und Politik aber noch viel zu lernen.

Eine imposante Liste von sieben mehr oder weniger bekannten Namen findet sich als Redner auf der Einladung zur Wiedereröffnung der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck zählt dazu, auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann aus dem Bundeskanzleramt sowie drei Landesbedienstete, die dafür bezahlt werden, die Erinnerung wachzuhalten an die leidvolle Hinterlassenschaft zweier Diktaturen in Deutschland. Sie alle haben sicher viel zu erzählen. Dann aber, ganz am Ende dieser Liste, wird es plötzlich namenlos. „Ein ehemaliger Häftling“ soll ebenfalls sprechen.

Die makabre Einladung, in der die Zeitzeugen ganz am Ende und namenlos zur Rede gestellt werden, spiegelt einen inzwischen jahrelangen Konflikt zwischen der Leitung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten sowie der Leitung der Einrichtung selbst und den einstigen Opfern des KGB-Gefängnisses wider. Es ist zutiefst beschämend, wie er von offizieller Seite seit Jahren geführt wird und wie wenig sich die politisch Verantwortlichen in der Landesregierung darum zu kümmern scheinen. Es ist beschämend, dass wir heute eine Eröffnungsfeier erleben werden, bei der die, derer gedacht werden soll, offensichtlich nur zu stören scheinen. Viele der noch lebenden früheren Gefangenen werden nur kommen, um ihren Protest auszudrücken. Sie hätten sicher auch viel zu erzählen, aber das wird seit Jahren nicht wirklich zur Kenntnis genommen.

Wer sich auf die Begegnung mit den Opfern der kommunistischen Diktatur einlässt, erlebt zuweilen verständnisvolle, ausgeglichene Menschen, die mit erstaunlicher Gelassenheit zurückblicken können auf die erlebten Schrecken. Natürlich erlebt man auch viel an verständlicher Verbitterung und tiefem Misstrauen. Nach Jahrzehnten erzwungenen Schweigens tragen diese Menschen nicht nur die Verletzungen aus der Zeit der Haft mit sich. Sie haben erfahren, dass ihnen fortdauernd Unrecht geschah in einem scheinbar allmächtigen Staat, der der menschenverachtenden Ideologie ihrer Peiniger huldigte. Nun muss sich keiner auf solche zuweilen auch schwierigen Begegnungen mit den Opfern einlassen. Wer allerdings sein Geld verdienen will in den Gedenkstätten des Landes, der sollte sich dazu verpflichtet fühlen oder eine andere Aufgabe suchen.

Wer in dieser Verantwortung steht, den Konflikt entschärfen und möglichen Vorwürfen von Selbstgerechtigkeit und menschlicher Kälte begegnen will, hätte viele Gelegenheiten gehabt, jenseits möglichen Streits um historische Einordnung und Ausstellungstexte Gesten des Entgegenkommens und der Anerkennung zu zeigen. Schließlich handelt es sich aus gutem Grund um eine Gedenk- und Begegnungsstätte. Doch als der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten vor nicht allzu langer Zeit einer Enquetekommission des Landtages Rede und Antwort stehen sollte, verließ er die Sitzung mitten in der Debatte wegen wichtigerer Termine.

Um Begegnungen und Dialog bemüht sich der Förderverein. Was hätte sich die Leitung der Gedenk- und Begegnungsstätte eigentlich dadurch vergeben, die Durchführung von Zeitzeugengesprächen sowie die Feier des Jubiläums der ersten Ausstellung in den Räumen der Begegnungsstätte zu ermöglichen? Stattdessen mussten engagierte Ehrenamtliche immer wieder andere Räume suchen. Und nicht genug damit, dass in der Gedenk- und Begegnungsstätte kein Informationsmaterial von Förderverein und Menschenrechtsgruppen ausliegen darf. Auf der Suche nach einem der alternativen Veranstaltungsorte in unmittelbarer Nähe der Gedenk- und Begegnungsstätte erhalten interessierte Passanten, die Mitarbeiter der Einrichtung nach dem Weg fragen, auch keine Auskunft. Und so erleben wir ein Drama, in dem ausgerechnet die Zeitzeugen zum Problem zu werden scheinen. Die, die berufen sind, der Nachwelt Einsichten zu ermöglichen, werden an den Rand gedrängt – ein absurder Vorgang.

Es kommt darauf an, dass dieses Bundesland endlich lernt, mit den Leidtragenden der roten Gewaltherrschaft angemessen umzugehen. Davon aber sind wir, wie das Beispiel Leistikowstraße zeigt, immer noch ein ganzes Stück entfernt. Was an diesem Tag Mut macht und Anlass zur Freude gibt, ist, dass es diese Gedenk- und Begegnungsstätte gar nicht gäbe ohne das nachhaltige, kontinuierliche Engagement vieler Ehrenamtlicher im Förderverein und verschiedenen Menschenrechtsgruppen. Die Freiheit zu schätzen und als Verantwortung zu begreifen, das ist die Botschaft dieses Engagements.

- Die Autorin ist Mitglied des Landtages Brandenburg und stellvertretende Landesvorsitzende der FDP-Brandenburg.

Linda Teuteberg

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