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POSITION: Die Triebfeder des Kampfes gegen den Garnisonkirchturm

Die Religionsfeindlichkeit einer geschichtsvergessenen SED-Enkelgeneration Von Philipp Lengsfeld

Bei der Diskussion um den Wiederaufbau des Turms der Garnisonkirche im Herzen Potsdams manifestiert sich ein tiefliegendes Problem Brandenburgs und vielleicht Ostdeutschlands insgesamt. Das Ziel des Wiederaufbaus des Turms der Garnisonkirche ist die Wiederherstellung eines barocken, stadtprägenden kirchlichen Prunkstücks, dessen kulturelle Bedeutung weit über Potsdam hinausreicht. Deshalb ist die Bundesrepublik Deutschland auch bereit, 12 Millionen Euro für den Wiederaufbau beizusteuern – eine Summe, die andere Gemeinden im Bundesgebiet mit Kusshand nehmen würden, um Ihre eigenen Kulturgüter zu renovieren oder restaurieren.

Darüber hinaus geht es auch um die Wiederbelebung einer ehemals aktiven christlichen Gemeinde. Die Gegner des Projekts, die Aktivisten von „Potsdam ohne Garnisonkirche“, führen dagegen bewusst oder unbewusst das Werk der SED fort. Es geht ihnen nicht um die Garnisonkirche, sondern um die Bekämpfung des religiösen Lebens in Brandenburg und Ostdeutschland. Genau dies war damals auch das Ziel der Kampagne von Walter Ulbricht und der SED, dem neben der Garnisonkirche Potsdam viele weitere Kirchen in Ostdeutschland zum Opfer fielen: In Summe waren es bis 1968 satte 50 Gebäude, darunter die Universitätskirche Leipzig, die Ulrichskirche in Magdeburg oder die Gnadenkirche Berlin. Dieses Vorgehen reihte sich ein in die Unterdrückung der Jungen Gemeinden in den ersten Jahrzehnten der DDR und der schulischen, beruflichen und akademischen Benachteiligung von getauften Kindern, insbesondere von Kindern aus Pfarrfamilien. Die studentischen Aktivisten von Potsdam schließen jetzt offenbar nahtlos an diese Tradition an.

Besonders dreist ist dabei auch der Einsatz von propagandistischen Verdrehungen. So heißt es im „Widerruf von Potsdam“, dem Kernpamphlet der Wiederaufbaublockierer: „1968 beseitigte der ebenso politisch wie sozial motivierte Umbau der Stadt Potsdam die Kirchruine. Der Standort verlor seine Funktion, die Stadt wuchs über ihn hinweg und veränderte nachhaltig ihre Identität und ihr Erscheinungsbild.“ So beschreiben nicht einmal die Verantwortlichen um die damalige SED-Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke ihre eigenen Untaten, die nicht nur von Altministerpräsident Manfred Stolpe als „Kulturbarbarei“ bezeichnet werden.

Die Sprengung des nur mittelmäßig beschädigten markanten Kirchturms und die Beseitigung einer aktiven Gemeinde (es gab eine Kapelle) war durch nichts zu rechtfertigen. Die Wiederaufbaublockierer ficht dies offenbar nicht an – da wundert es einen auch nicht mehr, dass sich in ihren Reihen mit Maximilian Dalichow sogar ein Enkel der damaligen Hauptverantwortlichen Brunhilde Hanke befindet. Diese Art von Geschichtsvergessenheit macht mich als Ostdeutschen absolut sprachlos – die Enkel helfen mit, das Werk der SED zu vollenden! Wie viele Bildungslücken im Bereich jüngster Vergangenheit muss es in Brandenburg geben, wenn junge Potsdamer Studenten so agieren?

Eines ist jedenfalls klar. Der „Tag von Potsdam“ kann nicht als Begründung für die Verhinderung der Garnisonkirche herhalten. Nicht nur weil die durch den Reichstagsbrand geschuldete alternative Reichstagseröffnung in der Garnisonkirche Potsdam 1933 – die von den Nationalsozialisten missbraucht wurde, um sich sowohl eine Legitimation durch die preußische Tradition zu erschleichen als auch ein Stück weit eine positive Assoziation zwischen Religion und der neuen Staatsmacht zu erreichen – im Nachgang nicht auf die kirchliche Dimension reduziert werden darf. Vielmehr gilt es, die Erinnerung an den „Tag von Potsdam“ und die Gesamtverantwortung der preußischen Residenzstadt für die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten wach zu halten – hier würde der fest geplante Informationsteil des wiederaufgebauten Garnisonkirchenturms einen wichtigen Beitrag gegen das Verdrängen und Vergessen leiten.

Aber auch hier ähnelt das Vorgehen der Aufbaufeinde sehr stark dem der SED – Argumente werden eben nicht um der Sache willen vorgebracht, sondern primär taktisch-propagandistisch eingesetzt, um die eigenen Ziele gegen alle Widerstände und Vernunft durchzuprügeln.

Der Autor ist Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete und ist im Kulturausschuss zuständig für den Bereich Erinnerungspolitik.

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