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Landeshauptstadt: Polonaise der Preußen

Die Hohenzollern-Hochzeit ist zu kitschig? 1905 war das alles noch viel pompöser. Ein Rückblick

Berlin/Potsdam - Einige Hochzeitsbräuche früherer Jahrhunderte sind selbst unter erlauchten Paaren in Vergessenheit geraten. So ist es undenkbar, dass an diesem Samstag, dem Freudentag des Hauses Hohenzollern, da Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg sich in der Friedenskirche zu Potsdam das Jawort geben, eine berittene Abteilung zylindertragender Schlachtermeister dem Zeremoniell angehört. Auch darf es als unwahrscheinlich gelten, dass nach Rückzug des Paares in die Gemächer unter den weiblichen Gästen das zerschnittene symbolische Strumpfband der Braut verteilt wird.

Vor gut 100 Jahren noch war das unter den Hohenzollern so Sitte, und es scheint – schon um vergleichen zu können – geboten, vor der neuesten großen Hochzeitsfeier des einstigen Herrscherhauses sich der letzten unter seiner Regentschaft zu erinnern.

Am 6. Juni 1905 führte Kronprinz Wilhelm von Preußen, Urgroßvater des heutigen Bräutigams, Cecilie zu Mecklenburg in der Kapelle des Berliner Stadtschlosses vor den Traualtar – Höhepunkt viertägiger Feiern, das alles überstrahlende gesellschaftliche Ereignis des Jahres. Und für Cecilie „das glanzvollste Ereignis meines Lebens“, wenn auch „sehr anstrengend“.

Am 3. Juni war sie im Zug von Schwerin nach Berlin gereist. Schon der eigens renovierte Lehrter Bahnhof bot eine Ahnung von der Pracht, die sie erwartete: das „Fürstenportal“ mit einem cremefarbenen Baldachin überwölbt, alles mit kostbaren Stoffen ausgeschlagen, der Boden mit Teppichen bedeckt, Blumen überreich auf dem Weg der künftigen Kronprinzessin verteilt. Das Motto: „Berlin streut Rosen.“

Erste Station war Schloss Bellevue, wo die Braut von der kaiserlichen Familie empfangen wurde. Man speiste, dann musste ihr Prinz weg, um seine Kompanie vom Potsdamer Platz zum Ehrendienst ins Schloss zu führen – „Höhepunkt des Tages“, wie es Cecilie schien: „Die Berliner rasten vor Freude, als sie den strahlenden schlanken jungen Menschen auf der schönen Fuchsstute zu Gesicht bekamen.“ Aber da war sie zu bescheiden: Der Empfang, den die Berliner ihr selbst bereiteten, stand dem kaum nach.

Für ihre Fahrt zum Schloss waren die Linden zur „Via triumphalis“ geschmückt worden, wie die „Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen“ schrieb. Der Boulevard ein einziges Fahnenmeer, flankiert von Tribünen, mit bordeauxfarbenem Stoff umkleidet. In der achtspännigen Brautkarosse des Hofes fuhr Cecilie durchs Brandenburger Tor in die Festmeile ein, vorneweg 40 Postillone, dann „einem alten Brauch gemäß das berittene Korps des Berliner Schlächtergewerbes“, wie sie schrieb, schließlich eine Eskadron Dragoner, weitere Wagen, noch mehr Soldaten, schließlich sie selbst, und das war keineswegs das Ende des Zuges.

Es ging eben damals hoch formell zu, die Hochzeit als Staatsschauspiel, mit präzise festgelegter Etikette und viel Unbequemlichkeit für die Beteiligten, besonders die Damen. „Gehen konnten wir überhaupt nicht, wenn die Schleppe nicht von zwei Pagen getragen wurde“, erinnerte sich die gestresste Braut.

Auch die nächsten Tage waren erfüllt von Fackelzügen, Empfängen, Diners sowie am Polterabend einem Besuch der aufs Festlichste geschmückten Königlichen Oper Unter den Linden. Am Morgen der Hochzeit dann vor Ceciles Augen „eine merkwürdige Situation“, als ihre Mutter, eine russische Großfürstin, und ein japanischer Prinz zusammentrafen – und einander betont ignorierten: Beide Länder befanden sich im Krieg, wenige Tage zuvor hatten die Japaner vor Tsushima ein russisches Geschwader zusammengeschossen.

„Ich glaube doch, man muss fürstliches Geblüt in den Adern fließen haben (...), um besonderen Geschmack an diesem langwährenden Schauspiel zu finden“ – selbst dem ansonsten sehr detailfreudigen Reporter der „Berlinischen Zeitung“ wurde es dann zuletzt ein wenig zu viel, was sich in stundenlangem Zeremoniell vor ihm abspielte: Einzug der Hochzeitsgesellschaft in die Schlosskapelle, Trauung durch den Oberhofprediger mit anschließenden 36 Salutschüssen vom Lustgarten her. Anschließend Defiliercour im Weißen Saal, Hochzeits- und Kaiserpaar vereint unterm Thronbaldachin, während in schier unendlicher Reihe die Gäste vorbeizogen und sich verneigten. Nach der Hochzeitstafel im Rittersaal die Rückkehr in den Weißen Saal zum Fackeltanz. Das heißt, eigentlich war es eine steife Polonaise, wobei Kronprinz und Kronprinzessin mit immer neuen Damen und Herren durch den Saal zu schreiten hatten, zuletzt sogar mit mehreren zugleich, damit es schneller ging. Dem Hofberichterstatter tat die arme Cecilie zuletzt leid: „Sie hielt sich tapfer und lächelnd aufrecht. Aber man meinte ihr den heimlichen Wunsch anzusehen: ,Ich wollte, es wäre – alles vorüber!‘“ Andreas Conrad

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