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Schlüsselfrage Kitaplatz. Bei der Suche nach neuen Fachkräften hat die Frage nach einer flexiblen Kinderbetreuung extrem an Bedeutung gewonnen, meint der Potsdamer IT-Unternehmer Jörn Hartwig. 

© Andreas Klaer

PNN-Serie zur Oberbürgermeisterwahl: „Wir brauchen ausreichend Kitaplätze“

Jörn Hartwig ist Chef der Potsdamer IT-Firma D-Labs. Von der Rathausspitze wünscht er sich mehr Wertschätzung.

Von Matthias Matern

Neun Stellen hat Jörn Hartwig gerade ausgeschrieben. Unter anderem sucht der Potsdamer IT-Unternehmer Software-Entwickler und Innovationsberater – teils bereits seit rund einem Dreivierteljahr. Doch Fachkräfte sind derzeit rar. Ein Problem, das viele Firmen umtreibt. Dass es in Potsdam kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt, macht die Suche laut Hartwig nicht gerade einfacher. „Die Mieten steigen selbst in einfachen Wohnlagen extrem – wenn man überhaupt noch eine Wohnung findet“, sagt der 37-jährige Geschäftsmann.

Hartwig beschäftigt 30 Mitarbeiter

Seine Firma D-Labs hat Hartwig vor rund zwölf Jahren gegründet. Das Unternehmen mit Sitz am S-Bahnhof Griebnitzsee berät andere Firmen bei der Entwicklung komplexer Softwaresysteme und erstellt Konzepte für ganzheitliche digitale Lösungen. Die Kunden kommen aus der Luftfahrtbranche genauso wie aus der Energiewirtschaft oder dem Verlagswesen. Inzwischen beschäftigt D-Labs 30 Mitarbeiter, hat eine Filiale in Berlin eröffnet und startet demnächst auch in Stuttgart.

Wie attraktiv ist Potsdam als Arbeitsort?

Neben seiner Funktion als Gründer und Geschäftsführer ist der Berliner auch stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) der Industrie- und Handelskammer und Mitinitiator des regionalen Branchennetzwerkes Silicon Sanssouci. Über die Frage, was Potsdams Unternehmer von der neuen Oberbürgermeisterin oder dem neuen Oberbürgermeister erwarten und was besser werden muss, hat er sich mit seinen Geschäftsfreunden ausgetauscht.

Fast alle Themen haben mit der mangelhaften Attraktivität Potsdams als Arbeitsort zu tun. Neben der Frage nach bezahlbarem Wohnraum für Fachkräfte, die nach Potsdam ziehen wollen, geht es um eine bessere Verkehrsanbindung der Gewerbeschwerpunkte nach Berlin und eine bessere und flexiblere Kinderbetreuung. „Wer voll arbeiten geht, kann sein Kind kaum um 17 Uhr aus der Kita abholen. Im Gegenteil. In Ausnahmesituationen muss auch mal nach 18 Uhr gearbeitet werden können“, sagt Hartwig. Andere fänden gar keinen Kitaplatz. „Es kann doch nicht sein, dass wir unter einem Fachkräftemangel leiden und die wenigen Fachkräfte, die wir in der Stadt haben, auch noch zu Hause bleiben müssen, weil sie keine Betreuung für ihre Kinder haben“, ärgert sich der Unternehmer.

Firmen werben mit Kitaplatz-Garantie

Längst ist die Frage nach dem Kitaplatz laut Hartwig zum entscheidenden Moment im Wettbewerb um Fachkräfte geworden. Besonders große Firmen böten neuen Mitarbeitern mittlerweile eine Kitaplatz-Garantie. Die Kapazitäten würden zuvor mit den freien Trägern ausgehandelt. Kleinere Firmen könnten da nicht mithalten. „Wie brauchen einfach ausreichend Kitaplätze“, so Hartwig.

Ein weiteres Thema hemmt die Wirtschaft gleich auf doppelte Weise: der Mangel an Büroflächen. Wie berichtet wurden 2017 bei der Stadtverwaltung 40 Hektar von Unternehmen angefragt, aber gerade einmal vier Hektar konnten vergeben werden. Wie Kollegen von Hartwig berichten, orientieren sich manche Hochschul-Ausgründungen deshalb gleich nach Berlin. Sinnvoll seien neue Gewerbeflächen aber nur entlang vernünftiger ÖPNV-Verbindungen, meint Hartwig. Bei der Jobwahl sei der Arbeitsweg für viele ein wichtiges Kriterium.

Regelmäßige Gespräche gefordert

Was Hartwig und viele seiner Geschäftsfreunde aber besonders ärgert, ist der geringe Stellenwert, den die Rathausspitze und die Verwaltung offenbar den Firmen beimisst. „Der Kontakt zur Wirtschaftsförderung ist zwar sehr gut, aber denen sind doch die Hände gebunden“, meint der D-Labs-Chef. In der Rathausspitze brüste man sich zwar gerne mit guten Zahlen, einen „Kontakt auf Augenhöhe“ aber gebe es nicht. Auch in der Außendarstellung spiele das Thema Wirtschaft kaum eine Rolle. Der Verwaltung dagegen fehle der „Dienstleistungsgedanke“. Dabei ließen sich viele der angesprochenen Probleme vielleicht lösen, wenn man öfter miteinander sprechen würde, glaubt Hartwig. „Und zwar nicht auf irgendeiner Podiumsdiskussion.“

Folge 3. Der nächste Teil der Serie „Potsdam-Realitätscheck“ zur OB-Wahl erscheint am Mittwoch, dem 29. August auf pnn.de.

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