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Fußballlehrer Andree Recker. 

© Andreas Klaer

PNN-Serie zur Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: „An vielen Plätzen gibt es nur Flickschusterei“

Fußballlehrer Andree Recker treibt die Sorge, dass es in Potsdam zu wenig Sportanlagen gibt. Für die boomende Stadt ein Defizit mit Folgen. Hier der PNN-Realitätscheck zur Oberbürgermeisterwahl.

Potsdam - Dieses Souterrain in der Bertha-von-Suttner-Straße ist eine wahre Schatzkammer. Unzählige goldene und silberne Pokale reihen sich zu einer stattlichen Trophäensammlung aneinander. Alles Nachweise einer erfolgreichen Arbeit des Fußballlehrers Andree Recker und Beleg, dass er sein Handwerk versteht: Der 42-Jährige bringt Kindern und Jugendlichen Fußballspielen bei. Mit seiner Runden Fußballschule tourt Recker durch die Stadt, leitet in Kitas und Schulen Arbeitsgemeinschaften, besucht Kindergeburtstage, organisiert Fußballcamps und unterstützt auch Vereine. Vor allem mit Lok Potsdam pflegt er ein besonderes Joint Venture, denn in dem Eisenbahnerverein organisiert er seit Jahren den Nachwuchs-Fußball. Rund 200 Kinder und Jugendliche kicken inzwischen an der Berliner Straße.

Recker zog es vor zwölf Jahren nach Potsdam, seine Frau kommt von hier, seine beiden Kinder sind hier geboren, hier gründete er die Runde Fußballschule. „Ich lebe wahnsinnig gern hier“, sagt Recker, „Potsdam ist mein Zuhause, ich bin glücklicher Potsdamer.“ Seine Wurzeln sind in Nordrhein Westfalen, „der Hochburg des deutschen Fußballs“, wie er meint. Erst kürzlich habe er für zwei Wochen die alte Heimat besucht. Was ihm aufgefallen ist: „Die haben viel bessere Sportplätze als Potsdam.“ Im Vergleich zur märkischen Landeshauptstadt gebe es dort auch in kleinen Orten für jeden Fußballplatz ordentliche Funktionsgebäude, saubere und funktionierende Sanitäranlagen. Das sei in Potsdam leider nicht so, vielmehr gebe es hier „an vielen Plätzen nur Flickschusterei“. Das verstehe er nicht, sagt Recker. „Bei den vielen Villen in der Stadt macht man doch auch nicht nur das Eingangsportal wieder schön neu und den Rest nicht.“

„Dann entstehen auch Ärger und Unzufriedenheit“

Recker treibt die Sorge, dass es künftig zu wenig Platz für Freizeit- und Breitensport in der Stadt gibt. Schon jetzt könnte ihm die Statistik vermeintlich recht geben: Während im landesweiten Durchschnitt 32,2 Prozent aller Bundesbürger Mitglieder in Sportvereinen organisiert sind, kommt Potsdam auf einen Organisationsgrad von 18,2 Prozent. Für Recker hat das auch viel mit zu wenig Sport-Platz in der boomenden Stadt zu tun, was folgenschwer ist. Zumindest kein Fußballverein in der Stadt habe seiner Meinung nach Nachwuchssorgen, aber Recker sieht die „ganz große Gefahr“, dass die enorme Nachfrage vom aktuellen Angebot und den gegenwärtigen Kapazitäten nicht gedeckt werden kann. 

Wenn die Aufnahmegrenzen der Vereine erreicht sind, Aufnahmeanträge auf Wartelisten geschoben werden, wird der organisierte Vereinssport gebremst. „Dann entstehen auch Ärger und Unzufriedenheit“, warnt Recker. Zudem könne der Sport nicht in vollem Maße seine gesellschaftliche Aufgabe wie Wertevermittlung und Integration wahrnehmen und erfüllen. Er als Unternehmer profitiere ja auf eine gewisse Art und Weise von dem Mangel, sodass kommerzielle Sport- und Trainingsangebote ihren Absatz finden. „So gesehen ist Potsdam auch in dieser Hinsicht ein wirtschaftlich gutes Pflaster“, sagt Recker. Aber das könne ja nur ein ergänzendes und alternatives Angebot sein – und ein navigierendes: Denn er versteht seine Runde Fußballschule als eine Art Wegbereiter, die Kinder und Jugendliche letztlich in Vereine führt, in den sie das vermittelte Fußball-ABC anwenden und weiterentwickeln können.

„Mit dem Verlust der Freizeitflächen verliert der Volkspark auch seinen Charme“

Viele attraktive Sportarten auf gutem Niveau, erfolgreicher Spitzensport, tolle Strecken zum Laufen und Radfahren, „das ,blu’ als Schwimmhalle, die für den Sport überragend ist“ – für Recker gibt es zahlreiche Attribute, die Potsdam als Sportstadt kennzeichnen. Und wer wie er mit geschärftem Blick durch die Stadt fährt und sich umsieht, wird viel an sportlicher Aktivität mitbekommen: Die Jogger in den Parks, die Segler auf dem Wasser, Radfahrer auf Rennrädern auf dem Weg aus oder zurück in die Stadt, Plakate an Litfaßsäulen, auf denen Handball- und Fußballspiele angekündigt werden. Gut gefüllte Bolzplätze indes fallen kaum ins Blickfeld – weil es sie schlichtweg kaum gibt. Urbane Sport- und Spielwiesen sind in Potsdam rar. Und wo es sie gibt, wie im Volkspark Bornstedter Feld, sollen sie kleiner werden. „Mit dem Verlust der Freizeitflächen verliert der Volkspark auch seinen Charme“, sagt Recker. 

„Ich finde es schön, in Potsdam ein Stadtschloss zu haben“, sagt Recker, um gleich zu relativieren: „Noch schöner würde ich es finden, wenn es genug Kitas, Schulen und Sportanlagen gibt.“ Die Defizite bekomme er an jedem Samstagmorgen mit, wenn er mit seinen Nachwuchsteams auf den Fußballplätzen der Stadt unterwegs sei und mit Eltern ins Gespräch komme. Wenn er am 23. September sein Kreuz hinter einem Oberbürgermeisterkandidaten mache, „sehe ich es als meine Aufgabe, jemanden zu wählen, der dafür sorgt, dass meine eigenen Kinder in dieser Stadt leben können“. Wenn er sich darüber keine Sorge machen muss, werde das Leben in der Stadt zu einer richtig runden Sache.

Folge 9. Der nächste Teil der Serie „Potsdam-Realitätscheck“ zur Oberbürgermeisterwahl erscheint am Samstag, dem 8. September, in den Potsdamer Neuesten Nachrichten

Andree Recker ist 42 Jahre alt und lebt seit zwölf Jahren in Potsdam. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ursprünglich kommt Recker aus Nordrhein Westfalen. Der ausgebildete Sozial- und Erlebnispädagoge arbeitete unter anderem zwei Jahre als Vereinspädagoge für den Nachwuchsbereich des 1. FFC Turbine Potsdam, ehe er sich ausschließlich seiner eigenen Fußballschule widmete. Diese ist für den gesamten Fußball-Nachwuchs des ESV Lok Potsdam verantwortlich. Er ist überzeugt, dass er mit seiner Wählerstimme Einfluss nehmen kann. Als Vater sieht er sein Wahlrecht auch als Auftrag, mit seiner Stimmabgabe den Interessen seiner Kinder gerecht zu werden.

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