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Angekommen. Aleksandra Szefer ist Auszubildende im Kongresshotel Potsdam. Aus dem polnischen Stettin kam sie 2014 in die Willkommensklasse in der DaVinci-Schule.

© Andreas Klaer

PNN-Serie: Was aus den Willkommensschülern wurde: „Hier musste ich auf eigenen Füßen stehen“

Über die Willkommensklasse der DaVinci-Schule haben die PNN oft berichtet. Wir wollten wissen, wie es für die Schüler danach weiterging. Heute: Aleksandra Szefer aus Polen.

Von Valerie Barsig

Eigentlich trennen Aleksandra Szefer und ihre Heimat gerade mal zweieinhalb Stunden Autofahrt. Doch die Entfernung zwischen Potsdam und dem polnischen Stettin kamen der heute 20-Jährigen 2014 wohl wie eine Weltreise vor. Noch heute hat Szefer das Bild ihrer besten Freundin vor Augen, die ihr zum Abschied noch eine Blume in die Hand drückte. Dann schloss sich die Autotür und ein Lebensabschnitt ging zu Ende – „da war erstmal einfach Leere“.

Zunächst die "Anti-Alles-Zeit"

Weil sich Aleksandra Szefers Mutter in einen Deutschen verliebte und die beiden heirateten, ging es nach Potsdam, hinein in ein neues Leben. Mit dem Nachbarland hatte die heute 20-Jährige bis dahin kaum etwas zu tun – hier und da ein Schulausflug nach Deutschland, mehr nicht. „Ich wusste da meist nicht mal so recht, wo es hinging.“ Für Aleksandra Szefer, damals noch ein Teenie, war das Ankommen in der Willkommensklasse der Da-Vinci-Schule nicht einfach. „Ich hatte damals meine Anti-Alles-Zeit“, sagt Szefer rückblickend. Ihr Stiefvater, ein Potsdamer, hatte die Klasse an der Da-Vinci-Schule für sie gefunden. Doch Szefer wollte erst einmal einfach nur zurück nach Hause, nach Stettin.

Wohl auch deshalb machte ihr ihre Familie keinen Druck beim Lernen. Deutsch hatte Aleksandra Szefer in ihrer Schule in Polen zwar als Schulfach, „aber ich hatte immer nur Sechsen“, sagt sie. „Ich dachte, Deutsch, das brauche ich doch nicht.“ Es kam anders – und Szefer saß am Schreibtisch, jeden Abend. „Eigentlich war ich überrascht, wie schnell ich dann Deutsch gelernt habe“, sagt sie. Viel Hilfe bekam sie dabei von ihrer Willkommenslehrerin Kerstin Richter, an die sie gern zurückdenkt. „Sie war einfach für uns alle da, auch, wenn man mal schlechte Laune hatte.“

Nach einem Jahr konnte Aleksandra Szefer in die Regelklasse 10 wechseln. Kerstin Richter war in dieser Zeit auch ihre Englischlehrerin, erzählt Szefer. Also habe sie sich nach dem Klassenwechsel eigentlich gar nicht allein gefühlt – und auch in ihrer neuen Klasse sei sie sehr gut aufgenommen worden. In der Willkommensklasse habe sie allerdings schon gespürt, „dass wir die waren, die anders waren“. In der Regelklasse kämpfte Szefer vor allem mit Bio und Chemie. „Ich musste mir vieles erst mal übersetzen“, sagt sie. Vor allem die vielen Fachbegriffe waren für sie schwer zu lernen. Nach der 10. Klasse folgte der Abschluss und der Beginn der Ausbildung im Kongresshotel Potsdam. Dass sie kein Abitur gemacht habe, sei zwar schade, aber nicht schlimm, sagt die 20-Jährige. „Ich habe schließlich viel geschafft,“ sagt sie rückblickend. Sie sei stolz auf sich.

Ein Glückstreffer

„Mit der Ausbildung ist der Knoten so richtig geplatzt“, sagt die 20-Jährige, bei der man nur noch einen leichten Akzent im Deutschen hört. In der Schule sei sie immer ein wenig älter gewesen, als die anderen. Das änderte sich mit der Ausbildung. „Hier arbeiten viele Spanier und Ukrainer, wir sind hier wie eine große Familie“, sagt Szefer. Sie habe einfach das Gefühl, im Kongresshotel ihren Platz gefunden zu haben. Sie sei mit der Zeit als Azubi erwachsen geworden. Vor rund zwei Jahren lernte sie dann auch ihren Freund kennen. Er ist Spanier, die beiden unterhalten sich auf Deutsch. Gern würde sie nach der Ausbildung weiter in Potsdam im Kongresshotel arbeiten, könnte sich irgendwann aber auch vorstellen, in anderen Ländern zu arbeiten. Ein Wunsch, den das Hotelfach mit sich bringe, sagt Aleksandra Szefer.

An ihre Anfänge im Kongresshotel erinnert sich Hausdame Dorota Pietruszka noch gut, denn Szefer kam als frischer Azubi zum Einkleiden zu ihr. „Mit ihrer Mutti“, sagt Pietruszka und muss lachen. Das sei wirklich etwas Besonderes gewesen. Szefer sei damals noch zurückhaltend gewesen, aber zunehmend aufgetaut. „Sie war für uns ein Glückstreffer“, sagt Pietruszka. In ihrer dreijährigen Ausbildung, die im Juli mit einer theoretischen und einer praktischen Prüfung endet, war Szefer rund ein Jahr lang an der Rezeption – durchaus ungewöhnlich, wie der Empfangsleiter des Hotels, Christoph Martin Pusch, sagt. „Sie hat ein Händchen für den Kontakt mit Gästen“, sagt er. Das liegt sicher auch daran, dass die Auszubildende neben Polnisch und Deutsch auch noch Ukrainisch und Englisch spricht und außerdem gerade Französisch und Spanisch lernt. Aber, so sagt Hausdame Pietruszka, Aleksandra Szefer könne man eben überall jederzeit einsetzen und das ginge schließlich nicht bei jedem. „Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe“, sagt Pietruszka.

Potsdam war Schicksal

Das half Aleksandra Szefer wohl auch in der Willkommensklasse, an die sie gern zurückdenkt. Zum Beispiel an ihren ersten besten Freund in Deutschland, Norbert, der ebenfalls aus Polen kommt, oder Yasmin aus Syrien. „Sie war meine beste Freundin, obwohl wir anfangs kaum miteinander reden konnten.“ Bis heute stehen die jungen Frauen in Kontakt. Durch die Willkommensklasse habe sie viel gelernt, sagt Szefer, auch über den Islam. „Das unterschiedliche religiöse Verständnis war schon immer mal wieder Thema“, erzählt sie, ebenso das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Deshalb hätten sie darüber viel mit Willkommenslehrerin Kerstin Richter gesprochen – und alle voneinander gelernt.

Dass sie in Potsdam gelandet ist, sei Schicksal gewesen, sagt die 20-Jährige. Denn für sie passiert nichts ohne Grund. „Wenn ich zurückblicke, gab es gute und schlechte Momente.“ Der Umzug nach Deutschland habe sie bereichert. „Ich glaube, in Polen wäre ich immer die kleine Aleksandra gewesen“, sagt sie. „Und hier musste ich auf eigenen Füßen stehen.“

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