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PNN-Serie "Das neue Potsdam": Mühlenstraße 1 (24): Gemütlich hinter der Schallmauer

Wer in Gemeinschaft baut, baut kostengünstiger, sagen die Bewohner der Mühlenstraße. Der Straßenlärm konnte sie nicht schrecken.

Potsdam wächst rasant, überall in der Stadt schießen neue Wohnviertel empor. Doch wie lebt es sich dort eigentlich? Die PNN besuchen die Quartiere und stellen sie in der Serie „Das neue Potsdam“ vor. 

Heute: Baugemeinschaft Mühlenstaße 1 (Folge 24).

Babelsberg - Im Theater endet der Traum von der Baugemeinschaft in einer Katastrophe. Die beteiligten Parteien und der ehrgeizige Architekt zerfleischen sich und ihre Träume von einem solidarischen Leben im Mehrgenerationenhaus schon am Buffet beim Richtfest. Die Komödie von Lutz Hübner, die kürzlich ganz erfolgreich am Hans Otto Theater lief, kennt auch Christian Knoch vom Stadtkontor Babelsberg. „Natürlich kann im Ausnahmefall so ein Projekt auch scheitern“, sagt der Architekt. Aber im Stadtkontor Babelsberg habe man gute Erfahrungen mit Baugemeinschaften gemacht. Seit 2003 wurden fünf derartige Wohnbauprojekte durchgeführt. Die erste Gemeinschaft baute an der Rudolf-Breitscheid-Straße in der Nähe vom Thalia-Kino 24 Reihenhäuser, es wurde dafür eigens eine neue Straße angelegt, der Theodor-Hoppe-Weg. Das Interesse war zunächst zögerlich, erinnert sich Koch. Zudem waren die Bauherren, in der Regel Akademiker, durchaus diskutierfreudig. Aber es funktionierte, der Minikiez mitten im Zentrum ist längst kein Fremdkörper mehr. Früher war hier Gewerbefläche einer Gärtnerei, heute ist hier Wohnen und Spielstraße.

Babelsberg verdichtet sich mehr und mehr. Historisch entwickelte sich der Stadtteil aus einer dörflichen Struktur, die einst auf Befehl Friedrichs II. von Preußen angelegt worden war. Es war allerdings eher eine Kolonie als ein Bauerndorf. Die geraden Straßen wurden sauber parzelliert, mit Musterhäuschen bestückt, in denen zugezogene Weber, Spinner, Tuchmacher und Handwerker wohnten – eine Schenkung des Königs an die neuen Fachkräfte aus dem Ausland. Hinter den Wohnhäusern befand sich in der Regel viel Gartenland zur Selbstversorgung. Von dem vielen Grün ist heute nur noch ein kleiner Teil übrig. Denn der Stadtteil wuchs, man brauchte Platz. Aus sogenannten Laufgassen, Erschließungswegen und Gartenwegen wurden folglich im 19. Jahrhundert Straßen, Grundstücke wurden geteilt und das Gartenland in zweiter und dritter Reihe bebaut.

Wer jetzt in Babelsberg bauen will, muss vorhandene Bausubstanz nutzen

Lange wird das nicht mehr funktionieren. Es gibt kaum noch Lücken, die als Bauland gelten, denn die Stadt möchte den restlichen begrünten Innenbereich, der sich wie ein Gürtel durch das Sanierungsgebiet zieht, erhalten. Wer jetzt noch bauen will in Babelsberg, muss vorhandene Bausubstanz nutzen, zum Beispiel hofseitige Remisen und alte Werkstätten ausbauen, muss an den Stadtrand ziehen oder Glück haben. So wie die sechs Parteien der Baugemeinschaft Mühlenstraße 1. Im Auftrag der Stadt entwickelte das Stadtkontor 2012/2013 ein Fleckchen Grünbrache im Areal zwischen alter Brauerei und Nuthestraße.

Christina Fritz und ihr Mann griffen damals sofort zu. Das Paar hat zwei Kinder und suchte schon lange nach einer Immobilie. „Wir sahen die Ausschreibung und bewarben uns, obwohl wir keine der anderen Familien kannten“, sagt Christina Fritz. Sie wohnten damals schon in Babelsberg und wollten hier bleiben. Das Gelände gefiel ihnen, der Lärm von der Nutheschnellstraße schreckte sie nicht ab: „Das war jedenfalls kein K.o.-Kriterium.“ Die Stadt baute außerdem eine Schallschutzwand, die einen Teil des Straßenlärms schluckt. Ein Tempolimit an der Auffahrt würde sicherlich noch mehr helfen, vermutet Christina Fritz. „Aber wer absolute Ruhe will, der muss eben aufs Land ziehen.“

In wenigen Minuten mitten im Babelsberger Zentrum

Mit dem Format Baugemeinschaft haben sie gute Erfahrungen gemacht. Es sei vor allem günstiger, als im Alleingang zu bauen oder schlüsselfertig zu kaufen. Zudem habe man bei der Innenausstattung Spielräume. „Jedes der sechs Häuser sieht innen ein wenig anders aus“, sagt Fritz. Grundrisse wurden an individuelle Vorlieben angepasst, ebenso die Fußböden und Wände, Bäder und Küchen. Von außen sehen die beiden Riegel, jeder mit drei Hauseinheiten, gleich aus. Sie stehen versetzt nebeneinander am Kopfende der Mühlenstraße. Jedes Haus hat ein Gärtchen, einen Parkplatz und eine weitere, gemeinsame Grünfläche. Die wird vor allem von den insgesamt zwölf Kindern der Bewohner genutzt, zum Spielen und Toben. Auch ein großes Trampolin steht hier. Optisch gibt der Grünstreifen bis zur Schnellstraße etwas Weite, und im Sommer verschwindet die Schallschutzmauer sogar ein wenig hinter den hochgewachsenen Laubbäumen. Ein Zaun trennt Wohngebiet und Fahrradweg, der hier parallel zur Schnellstraße entlangführt. Man kann es sich hier durchaus gemütlich machen. Der große Vorteil: Man ist in wenigen Minuten mitten drin im Babelsberger Zentrum und der Babelsberger Park beginnt tatsächlich vor der Haustür. Wer hier wohnt, ist Dauergast im Park. „Schon in der Bauphase haben wir uns hier getroffen und haben auf dem Baugelände gegrillt oder sind zum Baden an die Havel gefahren“, erinnert sich Christina Fritz.

Wer baut, muss sich natürlich um vieles kümmern, bei monatlichen Treffen mussten Entscheidungen gefällt und Gewerke beauftragt werden. Es habe alles sehr gut geklappt, sagt Fritz. Aus Baupartnern wurden so mit der Zeit lockere Freundschaften, „die Kinder verstanden sich sowieso von Anfang an“. Das ist ein weiterer Vorteil einer Baugemeinschaft: Man ist selten allein.

Manko: Zu wenig öffentliche Parkplätze

Heute kümmern sie sich gegenseitig um Haustiere und Garten, wenn jemand im Urlaub ist, Babysitter sind immer vor Ort und wenn ein Kind mal seinen Hausschlüssel verloren hat, kann es beim Nachbarn klingeln. Zum nächsten Supermarkt sind es nur wenige Minuten Fußweg, Ärzte, Apotheken, Restaurants findet man um die Ecke. Und bis zur Tramhaltestelle Alt Nowawes sind es höchstens 150 Meter. Nur bis zu den Grundschulen, der Bürgel-Schule und der Humboldt-Schule, ist es jeweils ein kleines Stückchen Weg – aber machbar, sagt die Mutter zweier Kinder.

Weniger schön ist, dass im Sommer manchmal Touristen auf ihrem Privatgelände parken. Oder die Ausfahrt mit ihren Autos versperren. „Es gibt hier einfach zu wenig öffentliche Parkplätze.“

Die nächste Folge lesen Sie am Freitag.

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