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Bert Nicke, 47, ist Geschäftsführer des Entwicklungsträgers Bornstedter Feld, des Sanierungsträgers Potsdam und seit 2013 neben Horst Müller-Zinsius und Jörn-Michael Westphal auch Geschäftsführer der Pro Potsdam.

© Sebastian Gabsch

PNN-Interview: „Wir müssen 5500 Wohnungen bauen“

Bert Nicke, Chef der kommunalen Pro Potsdam, spricht im PNN-Interview über Millioneninvestitionen im Zuge des Bevölkerungswachstums, die Suche nach Bauflächen, die Verkleinerung des Volksparks und die Zukunft der Biosphäre.

Von Peer Straube

Herr Nicke, Sie sind jetzt seit fünf Jahren einer der drei Chefs der kommunalen Pro Potsdam. Im Prinzip sind Sie dafür verantwortlich, ob das rasant wachsende Potsdam den Kampf gegen den Wohnungsmangel letztlich gewinnt. Wie steht die Schlacht?

Den Kampf kann man nicht gewinnen. Es ist eher wie beim sprichwörtlichen Rudern gegen den Strom: Hört man damit auf, fällt man zurück. So lange Potsdam wächst, müssen wir uns jeden Tag anstrengen. Aber im Vergleich zu Berlin zum Beispiel kann sich das, was Potsdam leistet, durchaus sehen lassen. 

Macht der Job noch Spaß?

Der macht riesigen Spaß. Es ist eine sehr dankbare Tätigkeit, eine Stadt wie Potsdam mitgestalten zu können. Das ist etwas ganz Wunderbares. 

Ich dachte dabei eher an die Kontroversen mit der Stadtpolitik, schließlich können Sie als Chef eines kommunalen Unternehmens nicht alle Ihre Vorstellungen durchsetzen.

Die Lage ist klar: Die Stadtverordneten bestimmen, wo es langgeht. Bei einer kommunalen Gesellschaft ist das so in Ordnung. 

Potsdams Wohnungsmangel soll vor allem im Norden behoben werden, die Schlüsselrolle dabei spielt das alte Kasernengelände in Krampnitz. Perspektivisch sollten dort erst 3500, dann 7000 und jetzt sogar 10 000 Menschen leben. Das sind mehr als beispielsweise am Schlaatz. Wie soll das funktionieren?

Die größte Herausforderung wird die Organisation des Verkehrs. Es wird sich zeigen, ob unsere Konzepte so funktionieren, wie wir uns das vorstellen. Wir haben im Wettbewerb deshalb vorsorglich zwei Ausbaustufen vorgegeben. In der ersten geht es um 7000 Bewohner. Wenn das klappt kann man noch eine Schippe drauflegen und auf 10 000 aufstocken, denn der Bedarf ist auf jeden Fall da. 

Sie sprechen es selbst an: Der Knackpunkt ist der Verkehr. Sie planen mit einem halben Stellplatz pro Wohnung, wo es doch in einer vergleichsweise abgelegenen Gegend wie Krampnitz viel realistischer ist, dass eine Familie sogar zwei Autos hat. 

Der Bau der Straßenbahn ist das A und O. Dadurch rückt Krampnitz auch näher an die Stadt heran. Zudem wollen wir ja keine Schlafstadt bauen, sondern ein autarkes Quartier, in dem es alles, was man zum Leben braucht, vor Ort gibt. Das reduziert auch den Verkehr. 

Wie viel Geld wird in Krampnitz eigentlich insgesamt investiert?

Allein die Stadt dürfte, den Straßenbahnausbau nicht eingerechnet, sicher mindestens 100 Millionen Euro ausgeben – für Altlastenbeseitigung, archäologische Grabungen, die Erschließung und den Bau sozialer Infrastruktur wie Schulen und Kitas. Nach dem Verkauf der Grundstücke rechne ich darüber hinaus mit Investitionen von privaten Investitionen von mindestens 1,5 Milliarden Euro. Das ist finanziell eine ähnliche Dimension wie im Bornstedter Feld.

Während es in Krampnitz erst losgeht, steht das Entwicklungsgebiet dort kurz vor dem Abschluss. Wann sind Sie im Bornstedter Feld fertig?

Ein paar Jahre wird es noch dauern. Im Juni stellen wir die letzten Straßen in der Gartenstadt fertig. Außerdem planen wir noch vier Kitas.

Wo sollen die gebaut werden?

Die konkreten Standorte stehen noch nicht fest, wir prüfen das noch. Zwei Kitas werden auf der Westseite des Volksparks entstehen und zwei auf der Ostseite. Insgesamt 460 Kinder können dort dann betreut werden. 

Im Bornstedter Feld werden einmal 15 000 Menschen leben. Weil Grünflächen immer knapper werden, wird jetzt der Ruf nach einem Erhalt des Volksparks in seiner derzeitigen Größe immer lauter. Warum wehren Sie sich so sehr dagegen? 

Generell gibt es in Potsdam eine immer größer werdende Konkurrenz um die noch zur Verfügung stehenden Bauflächen. Der Bedarf an Grundstücken für Wohnungen wächst ebenso wie der für Schulen und Kitas oder für Gewerbeflächen. Mit steigenden Einwohnerzahlen werden aber gleichzeitig auch Flächen für die Erholung immer wichtiger. Als Wohnungsunternehmen spüren wir täglich den Druck auf dem Markt. Wir haben 2000 Mietgesuche, von denen wir pro Tag zwei befriedigen können. Dieser Druck lässt sich nur abbauen, wenn neue Wohnungen errichtet werden.

Aber der Bedarf lässt sich nicht im Volkspark decken.

Nein. Aber die dort in Rede stehenden Flächen bieten Raum für bis zu 500 Wohnungen. Gemessen an dem, was sonst in Potsdam gebaut wird, ist das ein mehr als nennenswerter Beitrag, denn dort könnten bis zu 1200 Menschen leben. Der Volkspark ist 67 Hektar groß, die Wohnungsbauflächen machen lediglich vier Hektar aus, von denen die Hälfte jetzt schon der eigentlichen Parknutzung entzogen ist, wie etwa der Betriebshof oder Lagerflächen. Trotzdem denken wir intensiv darüber nach, wie wir das Angebot im Volkspark aufrecht erhalten können. Für den Kinderzirkus Montelino haben wir schon Ersatz gefunden, für die Volleyballfelder und die Partygärten werden wir auch welchen finden.

Eine städtebauliche Wirkung wird es trotzdem geben, weil der Park durch die Wohnhäuser quasi abgeriegelt wird. 

Genau das wollen wir nicht. Die Bebauung soll so gestaltet werden, dass es einen sanften Übergang zum Park gibt und keine harte Kante. Es gibt aber eine andere Sorge – nämlich, dass bestimmte Nutzungen im Park stärker eingeschränkt werden, weil jetzt Wohnhäuser stehen, wo früher keine waren. Für ein Spielfeld im Wiesenpark mussten wir jetzt erstmals Ruhezeiten festlegen, weil sich Anwohner über den Lärm beschwert hatten. Der Teil des Parks, der mit Wohnungen bebaut werden soll, ist davon allerdings nicht betroffen, da wir die Areale, auf denen es gelegentlich etwas lauter zugehen kann, also die Beachvolleyballfelder und die Partygärten, auf Flächen unterbringen wollen, die einen ausreichenden Abstand zur angrenzenden Wohnbebauung haben. 

Die starke Nachfrage nach Wohnraum im Bornstedter Feld hat für die Pro Potsdam auch erfreuliche Konsequenzen. Die Grundstückspreise sind gestiegen. Der frühere Chef des Entwicklungsträgers, Volker Härtig, hatte jüngst im PNN-Interview erklärt, die Maßnahme werde sicher mit einem satten Überschuss abschließen. Wie hoch wird er ausfallen?

Bei allem Respekt, Herr Härtig hat das Unternehmen vor mehr als 15 Jahren verlassen und ist in die Informationslinie nicht mehr eingebunden. 

Als Projektentwickler kennt er aber die von Ihnen aufgerufenen Grundstückspreise. 

Es ist richtig, dass diese Preise gestiegen sind und zwar auf ein Niveau, das betriebswirtschaftlich kaum noch nachzuvollziehen ist – auch das ist ein Phänomen der wachsenden Stadt. Im Bornstedter Feld haben sich die Grundstückspreise für Geschosswohnungsbau in den letzten fünf Jahren vervierfacht. Demgegenüber stehen allerdings auch stark gestiegene Baupreise – und ein viel größerer Bedarf an sozialer Infrastruktur. Eine Einrichtung wie die Da-Vinci-Schule kostet uns mehr als 26 Millionen Euro, war aber zu Herrn Härtigs Amtszeit gar nicht geplant. Ohne die steigenden Grundstückspreise hätten wir diese Schule gar nicht bezahlen können.

Trotzdem noch einmal die Frage: Wird es einen Überschuss geben?

Nein. Was ich aber versprechen kann ist, dass wir die Volkspark-Grundstücke nicht ausschreiben werden, bevor wir die Einnahmen- und die Ausgabenplanung im Entwicklungsgebiet nochmals aktualisiert haben. Es werden also keine vollendeten Tatsachen geschaffen. 

Ein Sorgenkind im Bornstedter Feld ist nach wie vor die Biosphäre, deren Schicksal noch immer offen ist. Wie ist der Stand der Dinge?

Es soll einen auf drei Sitzungen angelegten Konzeptworkshop geben, der Nachnutzungsvarianten für die Biosphäre vorschlagen soll. Fachlich begleitet wird er von einem Berliner Büro für Erlebnis- und Eventarchitektur, die das nötige Know-how mitbringen. Ziel ist ein wirtschaftlich solides Konzept. Wenn uns das gelingt, wird die Biosphäre auch eine Zukunft haben.

So, wie sie ist, als Tropenhalle?

Der Workshop ist ergebnisoffen. In der ersten Runde werden alle Ideen gesammelt, in der zweiten Sitzung werden die Vorschläge auf drei eingegrenzt und in der dritten einer davon ausgewählt. Dann müssen die Stadtverordneten entscheiden. Denkbar ist jedenfalls alles: Tropenhalle, Gastronomie, Kultur, Events, Hotellerie, Edutainment, also jegliche Form von Wissensvermittlung. 

Eine genau solche Ideenfindung unter professioneller Leitung hätte doch längst stattfinden können. Stattdessen ist die Fördermittelzweckbindung ausgelaufen und man ist immer noch nicht weiter.

Wir prüfen doch schon seit Jahren alle möglichen Varianten – von einer Nutzung als Schule über die Integration einer Kita und eines Jugendclubs bis hin zum Schwimmbad und dem Potsdam Museum. Die Krux war bei jeder, dass alle aufgrund der Größe und der Konstruktion der Halle defizitär gewesen wären.

Die CDU lässt inzwischen die alten Schwimmbadpläne wiederaufleben und fordert ein Kiezbad im Bornstedter Feld. Ist das noch eine Option?

Ich würde Stadtverordneten nie widersprechen (lacht). Die alte Badfläche südlich der Biosphäre ist nach wie vor nicht bebaut. Die Möglichkeit gäbe es theoretisch immer noch, sicher. Da eine Finanzierung aus dem Treuhandvermögen ausscheidet, wäre aber die Frage: Wer trägt die Investitions- und später die Betriebskosten?

Potsdam, so lautet die Devise von Oberbürgermeister Jann Jakobs, könne perspektivisch nur noch im Norden wachsen. Wo sehen Sie abseits vom Bornstedter Feld und von Krampnitz noch mögliche Standorte für den Wohnungsneubau?

Da muss ich jetzt vorsichtig sein. Jede Äußerung dazu sorgt ja auf dem Immobilienmarkt gleich für Bewegung. Am liebsten würde ich dazu gar nichts sagen (lacht). Aber im Ernst: Mit Krampnitz haben wir eine große Aufgabe und 5000 neue Wohnungen für 10 000 Einwohner wollen auch erstmal vermietet werden.

Aktuell wird ja bereits ein drittes Entwicklungsgebiet vorbereitet, das ausnahmsweise mal nicht im Norden liegt, nämlich am Bahnhof Pirschheide.

Der Standort ist tatsächlich ideal. Es gibt eine vorhandene Straßenbahn- und eine Regionalbahnanbindung. Zudem ist Platz für Schulen, Kitas, Gewerbe und Wohnungen...

...aber Sie müssen dafür auch Wald opfern.

Das stimmt. Bauen in Potsdam ist immer heikel, aber es ist auch richtig, dass mit den Flächen sorgsam umgegangen wird. Am Bahnhof Pirschheide gibt es einige Probleme: Der denkmalgeschützte Wildpark grenzt an, der Wald ist Bestandteil eines Landschaftsschutzgebiets und einer Trinkwasserschutzzone. Am Ende muss das alles gegen den Bedarf an sozialer Infrastruktur, Gewerbeflächen und an neuen Wohnungen abgewogen werden. 

Wo gibt es in Potsdam noch Potenzial für den Wohnungsneubau?

Wir suchen nicht nur im Norden der Stadt, sondern überall. So prüfen wir etwa, wo wir in den Plattenbaugebieten nachverdichten können, etwa am Schlaatz und in Drewitz. Denn langfristig fehlen uns tatsächlich noch Flächen. Unser Ziel ist es, dass der 20-Prozent-Anteil kommunaler Wohnungen am Gesamtbestand trotz des Wachstums der Stadt auch künftig stabil bleibt. Das bedeutet aber, dass wir über die 2500 Wohnungen, die wir uns verpflichtet haben, bis 2027 zu bauen, noch erheblich hinausgehen müssen. 

Um wie viele Wohnungen zusätzlich geht es denn dabei?

Aufgrund der jüngsten Prognose, wonach Potsdam bis 2035 bis auf 220 000 Einwohner wächst, müssten wir zur Aufrechterhaltung des kommunalen Wohnungsanteils 5500 Wohnungen bauen – mehr als doppelt so viele wie bislang vorgesehen. 1161 davon sind fertig oder im Bau. Rechnet man für die restlichen 4300 mit durchschnittlich 150 000 Euro pro Wohnung, kommt man auf mehr als 666 Millionen Euro. Das sind natürlich nur grobe Schätzungen. Im Moment investieren wir rund 80 Millionen Euro pro Jahr. 

Wie soll das alles finanziert werden?

Allein aus Eigenmitteln geht das natürlich nicht. Mit den Grundstücksverkäufen sind wir im Wesentlichen durch, sodass von dieser Seite auch kein Geld mehr fließt. Wir sind dem Land deshalb sehr dankbar, dass es wieder in die Wohnungsbauförderung eingestiegen ist, denn bezahlbare Mieten sind ohne Fördermittel einfach nicht möglich. Da auch der Bund das erkannt hat, gehe ich davon aus, dass wir davon auch in den nächsten Jahren profitieren können. 

Sollte nicht auch die Stadt ein eigenes Förderprogramm auflegen?

Ich glaube nicht, dass damit zu rechnen ist. Die Stadt hilft uns aber an der einen oder anderen Stelle mit Bürgschaften für Kredite, auch das ist eine wertvolle Unterstützung. Es wäre aber sicher kein Nachteil, wenn die Stadt Potsdam angesichts der gewaltigen Investitionen in den Wohnungsbau darauf verzichten könnte, dass wir uns wie vereinbart in Form von Ausschüttungen an der zugegebenermaßen auch sehr wichtigen Schulfinanzierung beteiligen.

Neben den Entwicklungsgebieten hat Potsdam auch eine Reihe von Sanierungsgebieten, für die die Pro Potsdam zuständig ist. Fünf sind es allein in der Innenstadt. Bringen Sie uns bitte – in aller Kürze – auf den neuesten Stand.

Mit dem Holländischen Viertel sind wir praktisch durch, die zweite barocke Stadterweiterung ist auch fast abgeschlossen. In der Schiffbauergasse machen wir uns Gedanken über die letzten Bauflächen und suchen nach Nutzungen wie zum Beispiel neue Bandprobenräume.

Auch die Potsdamer Mitte ist ein Sanierungsgebiet. Die Grundstücke des ersten Karrees auf dem Fachhochschulgelände sind vergeben. Wie ist der Fahrplan für das zweite?

Unser Ziel ist es, dass mit dessen Bau begonnen werden kann, wenn das andere Karree, der sogenannte Block III, fertig ist. Das ist schon aus Gründen der Baulogistik wichtig. Wir planen, dass das Vergabeverfahren für den Block IV etwa Ende 2019, Anfang 2020 startet.

Und was ist mit dem Staudenhof-Block?

Der hat ja noch Bestandsschutz bis Ende 2022. Wir werden rechtzeitig vorher untersuchen, ob Abriss und Neubau wirtschaftlich sinnvoller wären als eine Sanierung, so wie es beschlossen ist. 

Etwa ein Viertel der Wohnungen im ersten Karree auf dem FH-Gelände sollen Sozialwohnungen werden. Ist das der Maßstab auch für die weitere Bebauung in der Mitte?

Im Block IV wird es auch einen hohen Anteil von Sozialwohnungen geben, allerdings nicht auf den Grundstücken, auf denen Häuser mit Leitfassaden geplant sind. Das wäre unwirtschaftlich. 

Göttingen, wo ebenfalls Wohnungsknappheit herrscht, hat vor Kurzem eine 30-Prozent-Quote für sozialen Wohnraum beschlossen, die bei allen Bauvorhaben von mehr als zwölf Wohnungen gelten soll. Wäre das nicht auch für Potsdam sinnvoll?

Ich kenne das Modell und die rechtlichen Grundlagen dafür nicht. Klar ist, dass jede Sozialwohnung mehr in Potsdam zur Entspannung des Wohnungsmarktes beiträgt. Dazu leistet auch unser Unternehmen einen großen Beitrag. Auf dem alten Tramdepot in der Heinrich-Mann-Allee werden wir mindestens 50 Prozent Sozialwohnungen bauen, auch am Tiroler Damm, am Moosfenn und an der Viereckremise ist sozialer Wohnungsbau in erheblichem Umfang geplant. Voraussetzung ist natürlich, dass das auch weiterhin gefördert wird.

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