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Das Café Midi im Treffpunkt Freizeit nutzt Pfandbecher und Einweggeschirr aus Papier oder Bambus.

© Andreas Klaer

Plastik wird abserviert: Müll vermeiden statt Müll sammeln

Ab 3. Juli sind viele Plastik-Einwegprodukte verboten. Wie Potsdam sich darauf vorbereitet und warum die Bürgerstiftung für mehr Engagement gegen den Müll mobil macht.

Potsdam - Das Mittagessen zum Mitnehmen in der Styropor-Box, der Kaffee im Wegwerfbecher, Trinkhalme und Einwegbesteck aus Plastik: Ab dem 3. Juli, also Samstag, gilt EU-weit ein Verbot von vielen Einwegplastikprodukten. Ein entsprechendes Gesetz hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. 

In Potsdam wird sich möglicherweise nicht viel ändern: Auf eine PNN-Anfrage zur Kontrolle des Verbotes verwies die Stadtverwaltung an das Land. Der Vollzug der Verordnung sei Aufgabe der Länder. Ohnehin gilt: Die verbotenen Produkte dürfen zwar nicht mehr produziert und in den Handel gebracht werden, vorhandene Bestände können aber abverkauft werden.

Bürgerstiftung: Schritt geht nicht weit genug

Marie-Luise Glahr von der Potsdamer Bürgerstiftung reicht das noch nicht. Das EU-Einwegverbot sei „ein erster Schritt – aber er geht überhaupt nicht weit genug“, sagte sie auf PNN-Anfrage. „Wir haben seitens der Stadt einen Gestaltungsspielraum, der noch nicht ausgeschöpft ist“, sagt sie und verweist auf einen Leitfaden des Landesumweltministeriums zur Kommunalen Müllvermeidung, der bereits im Jahr 2000 erschienen ist. 

Demnach können Kommunen Einwegverbote für öffentliche Einrichtungen und Veranstaltungen im öffentlichen Raum durchsetzen. Ein solches kommunales Einwegverbot, das es bundesweit in mehreren Städten gebe, in Brandenburg aber noch nirgends, sei „eine wichtige flankierende Maßnahme mit hohem Symbolgehalt“, sagt Glahr.

Marie-Luise Glahr von der Bürgerstiftung.
Marie-Luise Glahr von der Bürgerstiftung.

© Ottmar Winter

Gerade einer Klimaschutzkommune wie Potsdam stünde das gut zu Gesicht: „Natürlich kann man warten, bis man irgendwann gezwungen wird, aber man kann auch handeln, wenn man weiß, was passieren muss.“ Dass beispielsweise der Weihnachtsmarkt immer noch ohne Mehrweglösung geplant werde, sei nicht vertretbar. 

Die Bürgerstiftung, die unterstützt von der Stadt im vergangenen Jahr das Pfandbecher-System „Potspresso“ auf den Weg gebracht hat, will am heutigen Donnerstag eine Petition an die Stadt und die Stadtverordneten für ein kommunales Einwegverbot starten, kündigte Glahr an.

Im Rathaus verweist man auf verschiedene bestehende Strategien zur Plastikvermeidung. So beschaffe die Stadtverwaltung seit Jahren keine der nun verbotenen Einweg-Artikel und achte seit 2012 „auf eine umweltfreundliche Beschaffung“, sagte Stadtsprecherin Juliane Güldner. Auch der Pächter der Rathauskantine halte sich an das Einwegverbot. 

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Zu einem möglichen generellen Plastikverbot bei Veranstaltungen habe man Gespräche geführt – und dies bei einigen städtischen Veranstaltungen wie „Unterwegs im Licht“ durchgesetzt: „Wir orientieren alle Veranstalter auf den Verzicht auf Plaste“, so die Stadtsprecherin.

Cafés setzen auf Pfandsysteme

Auch in der Potsdamer Gastronomie gibt es zum Teil schon nachhaltige Lösungen. So setzen etwa das Innenstadt-Café Miss Green Bean oder das Café Midi im Treffpunkt Freizeit auf Pfandsysteme. Auch das Babelsberger Kiezcafé Kellermann bietet seit einigen Wochen ein app-gestütztes Mehrwegsystem an, bei dem die Ausleihe von Essensboxen per Smartphone registriert wird und Kosten für die Kunden nur anfallen, wenn die Box nicht innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben wird. 

Die nötige einmalige Registrierung sei für manchen zwar eine Hürde, räumt Café-Betreiber Uwe Kellermann ein. „Aber wenn man dabei ist, ist man dabei – die Leute nutzen das auch.“ Von der Handhabung her seien die Leihboxen besser als die ebenfalls von ihm angebotenen Öko-Einwegverpackungen aus Zuckerrohr oder Pappe.

Müllmenge in Potsdam stark gestiegen

Tatsächlich ist die Müllmenge in Potsdam in den vergangenen Jahren stark gestiegen, wie Stadtwerke-Sprecher Stefan Klotz auf PNN-Anfrage mitteilte. Hintergrund sei aber auch die gewachsene Einwohnerzahl, betont er. Im Jahr 2000 landeten noch 3672 Tonnen Leichtverpackungen aus Kunststoff, Verbundstoffen oder Metall im Müll. Im Jahr 2010 waren es 4376 Tonnen, im Jahr 2020 dann 6214 Tonnen.

Die Menge an Verpackungsmüll in Potsdam ist gestiegen. 
Die Menge an Verpackungsmüll in Potsdam ist gestiegen. 

© Sebastian Gabsch

Die Bürgerstiftung, die im Frühjahr – auch angesichts der Vermüllung in Parks und öffentlichen Grünanlagen – bereits eine Gesprächsreihe für ein plastikfreies Potsdam mitinitiiert hat, will das Thema weiter diskutieren. Auch wenn sie Cleanup-Aktionen unterstütze, müsse man das Problem tiefer angehen, sagt Bürgerstiftungschefin Marie-Luise Glahr: „Wir müssen nicht nur die Müllaufsammelkommune werden, sondern die Müllvermeidungskommune.“ 

Für den 1. September plant die Bürgerstiftung eine öffentliche Gesprächsrunde, für die unter anderem ein Vertreter des Landesumweltministeriums, Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD), der städtische Müllentsorger Step und die Schlösserstiftung angefragt seien. Es gehe auch darum, die vielen vorhandenen Initiativen an einen Tisch zu bringen und gemeinsam neue Formate zu finden, wie man mehr Jugendliche und Erwachsene für das Thema erreicht. „Wir müssen eine Müllallianz für Potsdam schmieden“, sagt Glahr.

Als Restaurants geschlossen hatten, fiel mehr „To-Go-Müll“ an.
Als Restaurants geschlossen hatten, fiel mehr „To-Go-Müll“ an.

© Ottmar Winter

EU-weites Verbot von Einwegplastik

Die Bundesregierung hat vor einem Jahr ein Verbot vieler Einwegplastikprodukte auf den Weg gebracht, das ab dem 3. Juli 2021 in Kraft tritt. Damit setzt sie eine entsprechende EU-Richtlinie um.

Verboten sind ab Samstag unter anderem Trinkhalme, Luftballonstäbe und Einweg-Geschirr aus Plastik, wie die Bundesregierung mitteilte. Auch Wegwerfgeschirr aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen und Einweg-Behälter aus Styropor sind betroffen. Sie dürfen EU-weit nicht mehr produziert und in den Handel gebracht werden. Allerdings darf der Handel vorhandene Bestände noch abverkaufen – ähnlich wie seinerzeit mit den Glühlampen.

Laut Umweltministerium gehören die verbotenen Produkte zu den am häufigsten an europäischen Stränden gefundenen Plastikgegenständen. Der Verband kommunaler Unternehmen schätze, dass sie rund zehn bis zwanzig Prozent des Abfalls in Parks und auf öffentlichen Plätzen ausmachen.

Einige weitere Produkte, die nicht verboten werden, müssen künftig ein Label tragen, das vor Umweltschäden durch Plastik warnt. Dazu zählen beispielsweise Feuchttücher oder Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern. 

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