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Gelöste Stimmung am Runden Tisch. Oberbürgermeister Jann Jakobs (2. v. r.) und Sanierungsträgerchef Horst Müller-Zinsius (r.) übergaben am Dienstag symbolisch die Schlüssel für die ersten Räume im Rechenzentrum an die Künstler.

© Björn Stelley

Pläne für Rechenzentrum und Garnisonkirche: Jakobs’ Friedensopfer

Der Rathauschef will das Rechenzentrum erhalten, um den Garnisonkirchturm zu retten. Der Plan könnte aufgehen. Eine Analyse.

Von Peer Straube

Potsdam - Mehr Symbolgehalt geht nicht: Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sitzt am Runden Tisch im früheren DDR-Rechenzentrum, umringt von mehreren Dutzend Potsdamer Künstlern. Es ist stürmisch an diesem Dienstagnachmittag, doch die Gesichter der Anwesenden versprühen – dem Anlass entsprechend – unisono Heiterkeit.

Denn Jakobs ist gekommen, um den Künstlern symbolisch den Schlüssel für die ersten Räume in dem Gebäude zu überreichen. Sie wollen darin ein Entwicklungsbüro einrichten. Entwickelt werden sollen dort vor allem Ideen für ein Betreibermodell – denn ab Juli, wenn die letzten Mitarbeiter des Landes ausziehen, können die Künstler das ganze Gebäude nutzen. Als Jakobs davon spricht, langfristige Perspektiven für das Rechenzentrum als Haus der Kunst- und Kulturszene zu entwickeln, gibt es spontanen Applaus.

Versuch, den Streit zu durchbrechen

Es ist ein symbolischer Termin, doch den wahren Symbolgehalt erkennt man nicht auf den ersten Blick. Denn es ist mehr als nur eine ungewöhnliche Geste, es ist der Versuch, in einem festgefahrenen Streit einen Durchbruch zu erreichen – im Streit um den Wiederaufbau der Garnisonkirche, deren knapp 90 Meter hoher Turm einst direkt neben dem heutigen Rechenzentrum stand.

Im Januar hatte Jakobs politische Verbündete ebenso wie Gegner mit der Ankündigung überrascht, das frei werdende DDR-Gebäude zumindest übergangsweise der darbenden Künstlerszene anzubieten. Ein raffinierter Schachzug. Auf dem Papier ist das Rechenzentrum schon vor Jahren zum Tod durch die Abrissbirne verurteilt worden – nicht zuletzt, weil es zum Teil dem Schiff der Garnisonkirche im Weg steht. Inzwischen glauben aber selbst viele Garnisonkirchenbefürworter nicht mehr, dass sie je genug Geld gespendet bekommen, um auch das Schiff aufzubauen.

Für Jakobs ist das eine Chance. Indem er das Kirchenschiff opfert, könnte er den Turm retten, dessen Wiederaufbau nicht nur aus Geldmangel, sondern auch wegen des anhaltenden öffentlichen Gegenwinds am seidenen Faden hängt. Mehr als 14.000 Unterschriften haben die Projektgegner im vergangenen Jahr binnen weniger Monate gesammelt. Zwar haben die Befürworter inzwischen beim Stimmensammeln fast gleichgezogen, sich damit aber wesentlich schwerer getan.

Rechenzentrum-Erhalt als Friedensangebot

Der langfristige Erhalt des Rechenzentrums ist vor allem eins – ein Friedensangebot an die Linke und ihre Klientel. Denn erstens bekäme die unter chronischem Geldmangel leidende alternative Potsdamer Kunst- und Kulturszene ein eigenes Haus zum Schnäppchenpreis, eine Kreativschmiede, die wohl bundesweit ihresgleichen suchte. Zweitens würde an prominenter Stelle in der Innenstadt ein Gebäude aus DDR-Zeiten langfristig erhalten. Drittens würde ein Erhalt des Rechenzentrums als Gegenpart zu einem barocken Garnisonkirchturm einen sichtbaren architektonischen Bruch bedeuten, wie ihn sich Linke an dieser Stelle wünschen. Im Gegenzug müsste die Linke lediglich ihr öffentliches Getrommel gegen den Wiederaufbau des Turms einstellen.

Hinzu kommt: Ein Künstlerhaus im Rechenzentrum würde wahrscheinlich dazu führen, dass sich die Reihen der Hardliner in den Reihen der Garnisonkirchenbefürworter lichten. Es ist zumindest fraglich, ob etwa Burkhart Franck, Oberst a.D. und streitbarer Chef der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau, noch an Bord bliebe, wenn das Kirchenschiff zugunsten eines DDR-Baus aufgegeben würde. Je weniger Ex-Militärs aber im Vorstand der Garnisonkirchenstiftung sitzen, umso leichter ließe es sich auch bei jenen für den Kirchturm werben, die ihn nicht aus reinem Populismus ablehnen. Nicht wenigen, die sich für das einstige Wahrzeichen der Innenstadt durchaus erwärmen können, verursacht die Schar der Falken im Stiftungsvorstand Unbehagen, weil sie befürchten, das Gotteshaus mit seiner braunen Vergangenheit werde künftig weniger als Versöhnungszentrum denn als Militärkirche dienen. Ist die erste Reihe im Stiftungsvorstand solcher Träume aber unverdächtig, öffnen sich womöglich auch viele Spendenportemonnaies, die bislang verschlossen bleiben.

Jakobs’ Plan könnte am Ende durchaus aufgehen – wenn es gelingt, im bevorstehenden Bürgerdialog zur Garnisonkirche das Feld nicht nur jenen zu überlassen, die an Kompromissen jedweder Art eigentlich gar nicht interessiert sind.

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