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Pläne für Krampnitz: Zweifel an den Krampnitz-Plänen

Verkehr und Infrastruktur: An den erweiterten Plänen für das geplante Vorzeigeviertel gibt es Kritik.

Krampnitz - In der Stadtpolitik wächst die Kritik an den Planungen für das neue Stadtviertel Krampnitz, in dem künftig bis zu 10 000 Potsdamer wohnen sollen. Sowohl die Fraktionen von SPD und CDU/ANW also auch die Linken melden Nachbesserungsbedarf an, gerade bei den Themen Verkehr und Kinderbetreuung. So fordern Sozialdemokraten und Union in einem Antrag für die nächste Stadtverordnetenversammlung am kommenden Mittwoch einen zusammenhängenden Masterplan für die Ortsteile Fahrland, Neu Fahrland und Krampnitz. Deren rasante Entwicklung müsse gemeinsam betrachtet werden – vor allem wegen der Anbindung an die Innenstadt und in punkto Kita- und Schulversorgung. Die PNN geben eine Übersicht zu den Kritikpunkten und wie die Stadt und ein Verkehrsplaner darauf reagieren.

Zu wenig Parkplätze?

Ein halber Parkplatz pro Wohnung: Matthias Finken glaubt nicht, dass das reicht. Der CDU/ANW-Fraktionschef findet, eher müsse man mit einem Auto pro Familie rechnen. Die Entfernung zur Innenstadt sei für Fahrradfahrer enorm, zudem müssten Autos etwa für Fahrten zur Kita, zur Schule und zum Einkauf zur Verfügung stehen, sagte Finken den PNN. Auch die Linke fordert Änderungen beim Verkehrskonzept für das Viertel im Geschossbau-Stil, in dem nach Willen der Stadt möglichst wenig parkende Autos zu sehen sein sollen. Auch sie will, dass die bisher geplante Zahl von einem halben Stellplatz pro Wohnung auf 0,75 bis eins erhöht wird. Das fordert die Linke-Fraktion in einem Antrag für das Stadtparlament.

Die Planer im Rathaus widersprechen. Das 0,5-Parkplatzziel bewege sich innerhalb der Vorgaben der 2012 erlassenen Stellplatzsatzung, die den notwendigen Parkraum für neue Wohnbauten festlegt. Zudem gelte die Maxime des von den Stadtverordneten beschlossenen Verkehrsentwicklungskonzepts. Es besagt, dass wegen der fehlenden Erweiterungsspielräume im Potsdamer Straßennetz das rasante Wachstum der Stadt so bewältigt werden muss, dass eben kein zusätzlicher Individualverkehr entsteht. Das erklärte Stadtsprecherin Christine Homann auf PNN-Anfrage: „Mit anderen Worten: Für jede zusätzliche Autofahrt eines neuen Bürgers muss ein bisher mit dem Auto zurückgelegter Weg künftig auf den öffentlichen Nahverkehr, das Rad oder den Fußweg verlagert werden.“

Das Ziel ist bisher nicht erreicht worden: Lag die Zahl der Autos in der Stadt nach Angaben des Statistikamts Ende 2012 bei mehr als 87 000, sind es Ende 2017 schon mehr als 95 000 gewesen – also 8000 Fahrzeuge mehr. Die Zahl der Neu-Potsdamer stieg in derselben Zeit aber von 159 000 auf mehr als 175 000 – also um 16 000 Menschen. Das bedeutet: Ein neuer Zwei-Personen-Haushalt brachte im Schnitt ein neues Auto mit.

In Krampnitz soll das anders werden. Dort wolle man ein „gut durchmischtes Quartier“, in dem notwendige Wege im nahen Umfeld ohne Auto zurückgelegt werden können – also mit Bus, Tram, Fahrrad oder zu Fuß. „Erfahrungen in Vergleichsgebieten zeigen, dass diejenigen, die ein solches Angebot bevorzugen, auch deutlich weniger Fahrzeuge besitzen“, sagte Homann. In funktionierenden autoarmen Quartieren würden Vorgaben wie das 0,5-Stellplatzziel eher noch unterschritten.

Unterstützung für die Auffassung kommt von Michael Ortgiese, Professor für Verkehrswesen an der Potsdamer Fachhochschule, der auch im Krampnitz- Expertenrat vertreten ist. Er beschreibt das Stellplatzziel zwar als ambitioniert. Allerdings müsse es „mit Blick auf die Gesamtverkehrssituation in Potsdam unbedingt erreicht werden“. Andere nördliche Ortsteile wie Fahrland oder Neu Fahrland hätten noch einen Motorisierungsgrad von einem und mehr Fahrzeugen pro Haushalt, auch Eiche oder Golm kämen noch auf Werte um 0,7. Die Vorgaben von Krampnitz erreicht beispielsweise die Brandenburger Vorstadt mit 0,53 Fahrzeugen pro Familie. Um solche Werte in Krampnitz umzusetzen, müsse man über Maßnahmen wie Carsharingangebote oder E-Bikes für einen vorgesehenen Radschnellweg ins Zentrum reden, die insgesamt einen Wandel im Mobilitätsverhalten bewirken könnten.

Das alles werde bereits diskutiert, fügte Ortgiese hinzu. Schon bei der Vorstellung der erneut erweiterten Planungen für Krampnitz hieß es, ein Viertel mit vielen parkenden Autos solle vermieden werden: Die Autos der neuen Bewohner sollen in mehreren sogenannten Quartiersgaragen unterkommen.

Verkehrschaos im Norden?

Schon heute ist der Knotenpunkt Alleestraße/Pappelallee/Nedlitzer Straße regelmäßig überlastet. Doch konkrete Maßnahmen vor Ort, damit 10 000 zusätzliche Einwohner nicht den Verkehrsinfarkt im Norden bedeuten, plant die Stadt nicht.

Man könne den Knotenpunkt nicht ausbauen, schon wegen der Alexandrowka daneben, machte Stadtsprecherin Homann deutlich. So bleibe als einzige Variante, „mehr Verkehrsbedürfnisse mit anderen Verkehrsmitteln zu bedienen“. Zentraler Baustein soll eine neue Tramtrasse nach Krampnitz werden. Die Sprecherin sagte, die Planungen dafür hätten zwar bereits begonnen, „dennoch sind die Vorläufe und Rechtsverfahren für eine solche Trasse so aufwendig, dass realistisch erst etwa 2022 oder 2023 mit dem Bau begonnen werden kann“. Hinzu kämen etwa zwei Jahre Bauzeit.

Allerdings: Die ersten Anwohner sollen bereits Ende 2021 nach Krampnitz ziehen, wie die Verantwortlichen zuletzt erklärten. Wie viele Anwohner dann Ende 2025 schon dort wohnen könnten, dazu wollte sich das Rathaus auf Anfrage noch nicht festlegen – zu früh sei noch das Planungsstadium. Und die Alternativüberlegung, erst Menschen nach Krampnitz ziehen zu lassen, wenn die Tramtrasse gebaut ist, um ein Verkehrschaos zu vermeiden, will die Stadt nicht gelten lassen. „Die Gegenüberlegung wäre, ob es günstiger für die Verkehrssituation in der Stadt ist, wenn die Zuziehenden dann verteilt an anderen Stellen in der Stadt Verkehr erzeugen oder aus dem Umland einpendeln“, teilte das Rathaus mit. Die Voraussetzungen, möglichst wenig Individualverkehr entstehen zu lassen, seien bei der Neuentwicklung eines Viertels viel besser als in allen anderen Szenarien, hieß es. Zu den Plänen sei man mit dem Landesministerium für Infrastruktur in Abstimmung.

Verkehrsexperte Ortgiese sagte, auch aus dieser Perspektive sei die restriktive Ausweisung von Stellplätzen nachvollziehbar. Genaueres müsse ein weiteres Verkehrsgutachten klären. Spannend sei vor allem, wie die Übergangszeit bis zum Start der Tram bewältigt werde. Hier könnte man innovative Konzepte verwenden, etwa über Elektrobusse nachdenken – was auch zum Image des Viertels passen könnte (siehe Kasten). Insgesamt solle der Verkehrsraum in Krampnitz aus Sicht von Fußgängern gestaltet werden, hatten die städtischen Planer bereits im vergangenen Jahr erklärt.

Wiederholen sich Fehler?

Fehlende Kita- und Schulplätze: Stets haben Verwaltung und Politik betont, dass in Krampnitz die Fehler vermieden werden sollen, die in anderen schnell wachsenden Stadtvierteln in den vergangenen Jahren immer wieder für Ärger bei neuen Anwohnern gesorgt haben. Doch schon jetzt rückt die Stadt von dem Ziel ab, dass sofort nach Einzug von Familien in Krampnitz ab Ende 2021 auch eine neue Grundschule vorhanden sein muss.

„Die Gewährleistung der Kita- und Schulversorgung auch für die ersten Bewohner wird derzeit diskutiert, wobei sicher auch keine extrakleine Schule für nur wenige Schüler sinnvoll ist“, sagte Stadtsprecherin Homann. Auch eine weiterführende Schule werde es sicher dann noch nicht geben, hier sei „ein sinnvoller zeitlicher Abgleich mit weiteren Ergänzungen des Netzes der Schulformen nötig“. Im Hauptausschuss hatte Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) erklärt, für Krampnitz seien zwei Grund- und eine weiterführende Schule nötig. Zu Zeitplänen machte sie aber keine Angaben. Bei der Vorstellung der Krampnitz- Pläne hatte die Stadt auch mit einem „sozialen Band“ geworben, also etwa einem Bürgerhaus und anderen wichtigen Einrichtungen nah beieinander. Doch wann das realisiert wird, könne man auch noch nicht sagen, so Homann. Man wolle Infrastruktur aber bedarfsgerecht bereitstellen.

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HINTERGRUND: Experte: Ein positives Leitbild ist nötig

Neben der Verkehrsplanung benötigt Krampnitz ein positiv besetztes Leitbild. Das fordert der Verkehrsplaner Michael Ortgiese von der FH Potsdam. Das Gebiet müsse als„Innovation-District“ vermarktet werden, sagte er den PNN. Dazu zählt er das Thema Energieversorgung, aber auch die Mobilität. So verwies er auf Beispiele aus den Niederlanden oder Freiburg, wo es neue Technologien möglich machten, dass mehrere Haushalte sich gegebenenfalls ein hochwertiges Fahrzeug teilen. Es müsse gelingen, gerade Bewohner anzuziehen, die sich mit einem grünen Lebensstil identifizieren. In Potsdam müsse ein eigener Ansatz gefunden werden – damit könnte Krampnitz aus Sicht von Ortgiese eine wichtige Rolle für die Einführung neuer Technologien im öffentlichen Nahverkehr spielen. Nötig seien Sharingangebote, E-Bikes und entsprechende Wege. Neben der Diskussion der Anbindung nach Potsdam müsse auch die Verbindung nach Berlin betrachtet werden, sagte der Verkehrsexperte, der auch im KrampnitzExpertenforum tätig ist.

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