zum Hauptinhalt

Pläne für bessere Schulsozialarbeit: Mehr Hilfe für Schüler in Potsdam

Nach langem Streit um Schulsozialarbeiter gibt es ein neues Konzept. Demnach soll es einen Schulsozialarbeiter für jede Schule in Potsdam geben. Und das scheint offenbar dringend nötig zu sein.

Potsdam - Wenn der Haussegen schief hängt oder die Eltern einfach zu wenig Zeit haben, leidet oft auch das eigene Kind darunter. Mobbing, Gewalt an Schulen oder einfach nur schlechte Leistungen sind dann die Folge. Da viele Lehrer mit solchen komplexen Situationen überfordert sind, sollen Sozialarbeiter an den Schulen helfen. Ein Gesamtkonzept zur Schulsozialarbeit ist am gestrigen Donnerstag auf einer Fachtagung vorgestellt worden. Es habe mehr als zwei Jahre lang eine intensive Debatte dazu gegeben, sagte die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger (parteilos) bei der Präsentation des Entwurfs. „Wie gesagt, es ist ein Entwurf“, betonte sie.

Der soll nun voraussichtlich im zuständigen Jugendhilfeausschuss weiter beraten werden. Kern der zukünftigen Sozialarbeit für Kinder und Jugendliche ist die Vernetzung der Schulen und freien Träger untereinander. Auch sollen Eltern und Sozialeinrichtungen stärker in die Erziehungsarbeit eingebunden und die Jugendarbeit gestärkt werden.

Pro Schule ein Sozialarbeiter

„Es darf kein Kind zurückbleiben“, betonte Müller-Preinesberger. Sowohl für Schulen als auch für die Sozialarbeit gebe es Grenzen, die nur gemeinsam aufgelöst werden könnten. „Es sind zwei vollkommen unterschiedliche Systeme, die aber zusammenarbeiten müssen“, sagte sie.

Dem Entwurf zufolge sollte es künftig einen Sozialarbeiter pro Schule geben. Derzeit sind die Mitarbeiter auf sogenannte Sozialräume aufgeteilt, die für mehrere Schulen in der Nähe zuständig sind. Es gebe an Schulen immer Fälle, die nicht Thema der Bildung, sondern der Jugendhilfe seien. Dies treffe etwa zu, wenn sich Eltern scheiden ließen oder Kinder dem Unterricht fernblieben. Wenn das Kind auffällig werde, könne der Sozialarbeiter in der Schule das Kind an eine entsprechende Hilfseinrichtung weiterleiten, sagte Müller-Preinesberger.

„Es geht nicht nur darum, einen Sozialarbeiter an einer Schule zu installieren, sondern auch seine Rolle zu definieren“, betonte sie. So hätten bislang auch Schulsozialarbeiter Einzelbetreuung gemacht. Dafür gebe es aber andere Angebote und Einrichtungen. Seine neue Funktion sei vielmehr eine Art Lotse, der im Bedarfsfall die Kinder weitervermittele.

Keine Überschneidungen in der Jugendhilfe

Es habe Signale aus der Lehrerschaft gegeben, dass bestimmte Probleme bei den Kindern nicht von ihnen gelöst werden könnten, sagte die Bildungsbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU). Hier könnten die freien Träger der Sozialarbeit helfen. „Wir haben ein ganz breites System an Sozialberatung in Potsdam.“ Die Angebote müssten aber sinnvoll genutzt werden, um Überschneidungen zu vermeiden. „Ansonsten würden wir Doppelsysteme schaffen“, betonte sie.

Es gebe in Potsdam einen hohen Anteil an Hauptschülern. Ein Drittel der Jugendlichen breche sogar die Ausbildung ab. Hier könne Schule allein nicht helfen. Außerdem habe die Stadt eine „bombastische Aufgabe“ vor sich: Flüchtlinge müssten nicht nur in Wohnungen untergebracht, sondern integriert werden. Magdowski zufolge kommen meist junge Familien mit Kindern, die Ausbildung oder Beruf benötigten. Zudem wachse die Einwohnerzahl Potsdams stetig.

Um an den 42 Schulen einen Sozialarbeiter zu beschäftigen, würden laut Müller-Preinesberger pro Jahr grob geschätzt rund fünf Millionen Euro allein für Potsdam benötigt. Hier sei auch das Land gefordert und müsse sich an den Kosten beteiligen. Bislang waren zehn Sozialarbeiter in Potsdam aktiv, in den kommenden zwei Jahren sollen es 20 werden. Dazu sollen 250 000 Euro zur Verfügung stehen (PNN berichteten).

Gewerkschaft: Schulsozialarbeiter müssen gestärkt werden

Die Bildungsgewerkschaft GEW wollte sich auf PNN-Anfrage noch nicht abschließend zu dem Konzept äußern. „Es ist aber gut, dass jetzt eines erarbeitet wurde“, sagte GEW-Landeschef Günther Fuchs. Er wünsche sich aber, dass grundsätzlich mehr präventiv bei der Schulsozialarbeit gedacht werde. „Prävention ist der zentrale Punkt“, sagte Fuchs. Dies dürfe keine Frage des Geldes sein. „Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, dann öffnen sich plötzlich die Schleusen“, sagte er. Es könne nicht sein, dass nur reagiert werde, wenn etwas passiert sei. Fuchs nannte als schlechtes Beispiel die jahrelange Diskussion um die Rütli-Schule in Berlin.

Auch sei die Erziehung von jungen Menschen anspruchsvoller und vielschichtiger geworden. „Da wären wir gut beraten, wenn wir eine Berufsgruppe wie die Sozialarbeiter stärken“, betonte Fuchs. Falsch seien hier auch die teils unsicheren und prekären Arbeitsverhältnisse mancher Schulsozialarbeiter im Land.

Dabei müsse es nicht immer nur um Scheidungskinder oder Gewalt gehen, warnte Fuchs. „Es gibt auch Eltern die beruflich so eingespannt sind, dass sie gar keine Zeit mehr für ihre Kinder haben“, sagte er. Diese könnten dann ebenfalls von der Schulsozialarbeit profitieren.

Auch der Landeselternrat (LER) empfiehlt einen Sozialarbeiter an jeder Schule. Allerdings gebe es auch Vorbehalte, etwa durch die Träger von Jugendclubs, an denen bislang auch Sozialarbeit angeboten worden sei, sagte LER-Mitglied Wolfgang Seelbach den PNN. Aber man solle doch dort hingehen, wo die Jugendlichen seien, nämlich an die Schulen. Seelbach zufolge spielt Gewalt an Brandenburgs Schulen im Vergleich zu Berlin keine große Rolle. „Aber Mobbing und Internetsucht sind Themen, die uns stark betreffen“, sagte er.

Stefan Engelbrecht

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false