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Pilzberater Wolfgang Bivour: Mit Stiel und Hut

Ob Kahler Krempling oder Waldchampignon – Wolfgang Bivour kennt sich aus in der Pilzwelt. Jetzt hat er sein Wissen in einem Kinderbuch verarbeitet.

Potsdam - „Vielleicht wird es in den nächsten Tagen kühler und feuchter.“ Wolfgang Bivour sagt dies ganz ohne Bedauern. Im Gegenteil: Der Pilzexperte freut sich auf richtig schönes Schmuddelwetter. Denn dann schießen sie aus dem Boden, strecken ihre braunen, beigen oder leuchtend roten Kappen aus der Erde. Pilze lieben es feucht und eher kühl als zu warm.

An diesem sonnigen Septembernachmittag ist es trocken und warm – kein Pilzwetter. „Im Moment ist nicht viel los“, sagt Wolfgang Bivour. Trotzdem wird er gleich nach den ersten drei Schritten in den Wald fündig. Kein Wunder. Schließlich sind Pilze seine Leidenschaft. „Ein Rotfußröhrling“, erkennt er auf Anhieb. Auch der weniger geübte Sammler weiß, dass dieser Pilz mit der braunen Kappe und dem gelblichen Schwammgewebe essbar ist. Schon schwieriger wird es beim nächsten Pilz, der gleich daneben steht: Unter dem hellgrauen Hut reihen sich weiße Lamellen dicht aneinander. Ein Giftpilz? Bivour winkt ab. Er riecht vorsichtig – „Der Geruch ist oft ein wichtiges Bestimmungsmerkmal“ – und kostet etwas vom Fleisch. „Das ist nur erlaubt, wenn man sich sicher ist, dass es ein Täubling ist!“ Das Urteil des Experten: „Ein Camembert-Täubling.“ Wegen seiner Schärfe ist er ungenießbar, aber ungefährlich.

Seit Kindheitstagen ist Wolfgang Bivour Pilzsammler. In der Jugend wurde aus der Sammelfreude rasch eine Passion. Seit 1976 ist Bivour Pilzberater. Von den mehreren Tausend in Deutschland heimischen Pilzarten kennt er viele, aber längst nicht alle. „Keiner kennt sie alle“, sagt er lachend. Rund 250 Arten eignen sich als Speisepilz, erklärt der Experte. Giftig sind weitaus weniger. Die meisten sind weder schmackhaft noch gefährlich.

Der farbenfrohe Speitäubling, der runde Kartoffelbovist, der schöne Samtfußkrempling oder der seltene Kornblumenröhrling – es scheint, als gäben sich die Pilze ein Stelldichein im Wildpark, um sich in ihrer gesamten Form- und Farbenvielfalt zu präsentieren. Beim Eselsohr ist der Name Programm: Die hellbraunen Fruchtkörper sehen so gar nicht wie ein typischer Pilz aus. Und auch Bivours Lieblingspilz – der Flockenstielige Hexenröhrling – lässt sich blicken. Seine Kappe ist unauffällig braun. Doch darunter verbirgt sich das leuchtend rote Schwammgewebe. Bivour nimmt sein Taschenmesser und schneidet Stiel und Kappe an. Die Schnittstellen verfärben sich dunkelblau. Irgendwie sieht es giftig aus. Aber Bivour weiß es besser: „Der Hexenröhrling hat schön schmackhaftes, festes Fleisch.“

Aus seinem Pilzrevier in Satzkorn, wo der 67-Jährige lebt, hat er weitere Exemplare mitgebracht. Am Morgen – seiner Lieblingszeit für Pilztouren – war er hier bereits unterwegs. Nach anderthalb Stunden war der Korb schon gut gefüllt. Er deutet auf einen jungen, grünlichen Pilz, der noch halb in einer weißen Hülle steckt. So unschuldig, wie er aussieht, ist er nicht: Der Grüne Knollenblätterpilz ist der giftigste Pilz, der in Deutschland wächst.

Die Expertise, die sich Wolfgang Bivour im Lauf von Jahrzehnten erworben hat – autodidaktisch und mithilfe anderer Pilzkenner – gibt er gern weiter. Als Pilzberater steht er mit einer Pilzsammlung regelmäßig auf dem Wochenmarkt am Bassinplatz. Bis zu 50 Arten liegen dann vor ihm ausgebreitet und mit Schildern versehen auf dem Tisch. „Wenn richtig Saison ist, passt gar nicht alles rauf“, sagt er. Ab und an erreichen ihn Anrufe aus den Krankenhäusern der Umgebung – dann soll er anhand von Beschreibungen oder Fotos Pilze identifizieren und den Ärzten oder beunruhigten Eltern weiterhelfen. Manchmal muss er auch selbst ins Krankenhaus fahren, um die Ursachen einer Vergiftung zu ermitteln. Hin und wieder führt Bivour auch eine Schulklasse durch die Wälder, um den Schülern die Pilzwelt zu zeigen und auch für die Ökologie der Wälder zu sensibilisieren.

Vor Kurzem nun hat Bivour ein Kinderbuch für die jüngsten unter den Pilzliebhabern geschrieben. „Krux und Krax im Butterpilz“ heißt das Buch, das für Kinder ab zwei Jahren geeignet ist. Die Leser begleiten zwei Mistkäfer bei ihrer Suche nach einem leckeren Pilzfrühstück durch den heimischen Wald. Vor dem Fliegenpilz und dem Grünen Knollenblätterpilz nehmen sich Krux und Krax natürlich in Acht, finden unter dem großen Dach eines Riesenschirmpilzes Unterschlupf vor einem Regenschauer, ärgern sich über die Maden im Steinpilzbauch und essen sich schließlich an einem leckeren Butterpilz satt. Neben den wichtigsten Pilzarten vermittelt das Buch auch Wissen über das Ökosystem Wald.

„Das Buch liegt eigentlich schon seit 18 Jahren in der Schublade“, gesteht Wolfgang Bivour. Auch die Illustrationen zum Buch, die sein Sohn Denis Bivour gemalt hat, sind schon lange fertig. Nun ist es endlich an der Ladentheke erhältlich.

Auf dem Rückweg aus dem Wald pflückt Bivour noch den ein oder anderen Pilz vom Wegesrand. „Hier wächst oft mehr als mitten im Wald, denn an den Wegen kommt der Regen besser auf die Erde“, erklärt er. Einige Pilze wird er als Anschauungsexemplare für die Schulklasse aufheben, die anderen isst er gemeinsam mit seiner Frau. Die Zubereitung übernimmt er selbst: „Wer sammelt, muss auch kochen.“

Ab der kommenden Woche beantworten Wolfgang Bivour und drei weitere ehrenamtliche Pilzberater dienstags, donnerstags und samstags von 9 bis 12 Uhr auf dem Wochenmarkt am Bassinplatz alle Fragen rund um das Thema Pilze. Am 23. September findet keine Pilzberatung statt.

Wolfang Bivour:Krux und Krax im Butterpilz. Erschienen im Paramon-Verlag. Preis: 12,80 Euro.

Heike Kampe

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