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Pflegepatienten brauchen viel Zuwendung und müssen außerdem angekleidet oder gewaschen werden.

© Oliver Berg/dpa

Pflege in der Corona-Krise: Ohne Berührungen geht es nicht

Erhöhte Hygienemaßnahmen, mehr Gesprächsbedarf: Wie ambulante Pflegedienste in Potsdam unter Krisenbedingungen arbeiten.

Potsdam - Waschen, Ankleiden, Mahlzeiten einnehmen: Ohne Nähe und körperliche Berührungen geht es in der Pflege nicht. In Heimen und bei der Betreuung zu Hause gilt deshalb aktuell erhöhte Aufmerksamkeit, damit niemand – Klienten oder Pflegemitarbeiter – an dem neuen Virus erkrankt oder es weitergibt. Auch für Daniela Kühn-Konradi, Inhaberin der Senioren- und Familienpflege Daniela Kühn, wäre das eine mittlere Katastrophe: „So einen Fall will ich mir gar nicht ausmalen“, sagt sie.

Mit elf Mitarbeitern kümmert sie sich um 80 bis 100 Menschen, die noch zu Hause wohnen. Der älteste von ihnen wird dieses Jahr 101 Jahre alt: er gehört zur Hochrisikogruppe. Die ohnehin strengen Hygieneregeln wurden jetzt nochmals verschärft. Die Mitarbeiter tragen Handschuhe und Mundschutz, vor und nach dem Betreten der Wohnung werden Hände desinfiziert. Die Autos und Büros werden ebenfalls mit Desinfektionsmitteln gereinigt, bei Dienstbesprechungen hält man Abstand. Noch sind Masken und Reinigungsmittel vorhanden, aber manches sei momentan doch nicht so lieferbar wie früher, da müsse man gut planen.

Aus dem Ausflug wird Gymnastik am Fenster

Die Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus hat vor allem die direkte Arbeit mit den Klienten verändert. „Mit einigen Menschen gehen wir normalerweise auch spazieren“, so Kühn-Konradi. „Darauf verzichten wir jetzt. Oft rufen die Klienten von sich aus an und sagen, dass sie lieber zu Hause bleiben wollen.“ Also wird aus dem Spaziergang ein Ausflug auf den Balkon oder Gymnastik am Fenster. Schwieriger sei das mit dem Einkaufen. Mit manchen Klienten gehen sie einmal wöchentlich in den Supermarkt. Wenn es dann keine Milch oder eben Toilettenpapier gibt, müssen sie das später besorgen und verteilen – alles zusätzliche aber notwendige Aufgaben, die nicht im Pflegeplan stehen.

Auch der Gesprächsbedarf sei derzeit größer. „Die Menschen sind verunsichert, haben Angst und manche sorgen sich auch, dass vielleicht der Pflegedienst das Virus mitbringen könnte“, sagt sie. Besucher und Kontaktpersonen müssen sich in Adresslisten eintragen, damit sie im Fall einer Infektion benachrichtigt werden können. Und wer aufgrund der angeratenen Kontaktsperre weniger oder gar keinen Besuch bekommt, ist noch mehr allein als sonst. „Dann sitzt man womöglich den ganzen Tag vor dem Fernseher und hört nichts anderes als Corona.“ Menschen beruhigen, das ist jetzt etwas, das sie oft tun müssen.

Eigentlich ist mehr Zuwendung gefragt

Dabei ist jeder Fall anders: Wer plötzlich weniger Besuch von Kindern und Enkeln bekommt, braucht mehr Zuwendung. In anderen Fällen springen Angehörige ein, sagen, wir übernehmen das Abendbrot, um den Pflegedienst zu entlasten. Noch sei alles zu stemmen, so die Chefin. „Wenn es so bleibt, halten wir noch eine Weile durch.“

Auch bei der Ernst von Bergmann Care gGmbH der Hoffbauerstiftung klappt noch alles, aber man hat bereits einen Notfallplan erstellt. Der Notfall wäre, wenn Mitarbeiter aufgrund eines Infektionsverdachts ausfallen. 120 Pflegerinnen und Pfleger kümmern sich um 150 Bewohner in stationärer oder halb stationärer Betreuung sowie 80 in der ambulanten Pflege. Sollte es einen Krankheitsfall bei einem ambulanten Klienten geben, würde er weiter, allerdings in kompletter Schutzkleidung betreut werden, sofern er nicht sowieso ins Krankenhaus käme. Tritt so ein Fall im Heim auf, müsste man Quarantäneregeln einhalten. Was genau dann zu tun ist und wer sich wo in Quarantäne begibt, sei allerdings noch unklar. „Das wird in Ländern und Landkreisen unterschiedlich gehandhabt“, so Geschäftsführer René Schulz. Auf Nachfrage bei den Behörden heiße es bisher, er solle ich im Akutfall telefonisch melden, dann würde man entscheiden, wie es weitergeht. „Da gibt es offenbar noch keine Regelung, aber ich möchte schon gerne wissen, was in so einem Fall zu tun ist und ob unser Notfallplan funktionieren würde“, sagt Schulz.

Schutzkleidung ist besonders wichtig

Wichtig sei, dass genügend Desinfektionsmittel und Handschuhe vorrätig sind, nicht ganz einfach derzeit. Mundschutz werde nur getragen, wenn es dafür eine Indikation gibt. „Wir wollen sorgsam mit Material umgehen.“ Es finden außerdem verstärkt Hygieneschulungen statt. Die Klienten, die noch mobil sind, werden angehalten, so wenig wie möglich rauszugehen. Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich. Manche der Menschen empfinden die Situation als gar nicht so schlimm, andere machen sich natürlich Sorgen. Auch die allgemeine Gesundheit kann leiden, Depressionen nehmen zu, die Beweglichkeit und körperliche Fitness nehmen ab, wenn man nur noch im Zimmer oder in der Wohnung sitzt, und das womöglich alleine. „Aber wir dürfen nur machen, was der Gesetzgeber erlaubt“, sagt René Schulz.

Höchste Sensibilität und Gründlichkeit in Sachen Hygiene und Schutzmaßnahmen herrschen auch beim Johanniter-Pflegedienst. Dennoch machen sich die Kunden Sorgen wegen der Lage. „Es gibt viel Gesprächsbedarf, viele rufen uns an und wollen ihre Fragen und Sorgen loswerden“, sagt Ralf Boost vom Vorstadt des Regionalverbands Potsdam-Mittelmark-Fläming. Zudem gibt es vermehrt Anfragen nach hauswirtschaftlichen Diensten, zum Beispiel Einkäufe erledigen, was sonst Angehörige tun oder die Kunden selber, die nun nicht raus gehen wollen.

Personelle Engpässe gebe es noch keine. Weil die Tagespflege vorübergehend geschlossen werden musste, können Ausfälle von Kollegen, die krank sind oder aufgrund eines Kontakts zu Hause bleiben müssen, bisher gut abgefangen werden. Sollte es tatsächlich zu einer echten Notsituation kommen, werde man Dienstpläne anpassen. Dann können sich für den einzelnen zwar Betreuungszeiten ändern. „Aber die Grundversorgung ist nicht gefährdet.“

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