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Nikolaikirchenpfarrerin Susanne Weichenhan prägte für 16 Jahre die Nikolaikirchgemeinde in Potsdam. 

© Andreas Klaer

Pfarrerin Weichenhan: Abschied unter der großen Kuppel

Nach 16 Jahren verlässt Pfarrerin Susanne Weichenhan die Potsdamer Nikolaikirchengemeinde. Heute um 14 Uhr wird sie im Gottesdienst verabschiedet. 

Potsdam - Chagalls Fenster sind schon weg. An der Wand im Büro der Potsdamer Nikolaikirchenpfarrerin Susanne Weichenhan hatten bislang Bilder jener Scheiben gehangen. Die weltbekannten Fenster aus dem Fraumünster in Zürich waren über Jahre hinweg gewissermaßen künstlerische Begleiter Weichenhans in ihrem Arbeitszimmer unter der Kuppel von St. Nikolai in Potsdam.

Die Pfarrerin zeigt auf leere Bilderrahmen in einer Ecke ihres Amtszimmers. Sie sind die Vorboten eines Umzugs, der hier noch im Dezember ansteht. Susanne Weichenhan, 16 Jahre lang Pfarrerin der evangelischen Nikolaigemeinde, verlässt zum Jahresende Potsdam und zieht nach Bad Belzig. Bereits heute, am Sonntag um 14 Uhr findet ihr Abschiedsgottesdienst in der Nikolaikirche statt. Dann wird Weichenhan in ihrer Potsdamer Amtszeit ein letztes Mal von der Kanzel des großen Gotteshauses am Alten Markt predigen.

Noch zwei Jahre bis zum Ruhestand

Mehr als anderthalb Dekaden hat die Pfarrerin die Geschicke der Gemeinde maßgeblich geprägt. „Ich kann sagen, dass ich ganz tief dankbar bin für diese 16 Jahre hier.“ Nun also der Abschied. In den noch knapp zwei Jahren bis zu ihrem Ruhestand wird Weichenhan im Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg Vakanzvertretungen übernehmen. In Gemeinden, in denen Pfarrstellen gerade unbesetzt sind, soll sie vorübergehend die pfarramtlichen Dienste leisten – zunächst in Treuenbrietzen und auf einem Dorf bei Brandenburg an der Havel.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit an St. Nikolai in Potsdam sei die Seelsorge gewesen, sagt Weichenhan. In ihrem Amtszimmer in der Nikolaikirche hängt ein Bild von Rembrandts „Die Heimkehr des verlorenen Sohnes“. Die Pfarrerin sagt: „Ein ganz wunderbares Bild, das Menschen schon viel Trost gegeben hat.“ Es sind diese Menschen, die sich in seelischen Nöten an Weichenhan gewendet hatten und ihre seelsorgerliche Hilfe in Anspruch nahmen. Menschen, die hier im Dienstzimmer auf dem dunklen Sofa saßen und an der gegenüberliegenden Wand das Bild des verlorenen Sohnes sahen. Und Trost fanden. Das Rembrandt-Bild wird übrigens nicht mit umziehen. Es sei schon bei ihrem Amtsantritt im Jahre 2004 hier vorhanden gewesen und bleibe nun zurück, sagt Weichenhan.

Eigentlich erlernte sie den Forstberuf

Zum Pfarrberuf hatte die in Treuenbrietzen geborene und in Niemegk aufgewachsene Weichenhan erst etwas später in ihrem Leben gefunden. Denn: „Ich wollte von der dritten Klasse an Försterin werden.“ Und das wurde sie auch, studierte von 1974 bis 1978 an der Technischen Universität Dresden Forstwirtschaft. Dann kam sie als junge Frau nach Potsdam und arbeitete bis 1981 beim VEB Forstprojektierung in der Pappelallee. Anschließend ging Weichenhan noch einmal an ihre sächsische Ausbildungsstätte zurück, wollte dort promovieren. Doch dann brach sie das Vorhaben ab und begann 1982 am Theologischen Seminar in Leipzig ein Theologiestudium, das sie am Sprachenkonvikt in Berlin fortsetzte. Der Grund für ihren Wechsel im Beruf sei „ein innerer“ gewesen, wie Weichenhan sagt. Die Suche nach Gott habe sie zu diesem Entschluss geführt.

Ihre erste Pfarrstelle trat sie als Mittdreißigerin im brandenburgischen Mittenwalde an, später ging die Geistliche für ein Jahr ins russische Wolgograd, dem einstigen Stalingrad, und betreute dort eine Gemeinde mit deutschen Wurzeln. Sie habe die russische Sprache schon immer gemocht, sagt die alleinstehende Pfarrerin. In Wolgograd verständigte sie sich mit den Menschen auf Russisch und Deutsch.

Vor ihr lag die gewaltige Aufgabe der Sanierung der Nikolaikirche

Um die Jahrtausendwende arbeitete Weichenhan mehrere Jahre in Berlin im Konsistorium, einer kirchlichen Verwaltungsbehörde. 2004 kam sie schließlich nach Potsdam, also in jene Stadt, in der sie mehr als 20 Jahre zuvor schon einmal gearbeitet hatte – als Diplomingenieurin.

In ihrer neuen Pfarrstelle an St. Nikolai sei die Personalsituation anfangs prekär gewesen, erinnert sich Weichenhan. Bald habe es außer ihr und einer Katechetin, die aber nur einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Nikolaigemeinde zuständig war, keinen weiteren hauptamtlichen Mitarbeiter gegeben. Andere bezahlte Arbeit habe man über diverse rechtliche Konstruktionen außerhalb des kirchlichen Stellenplans organisieren müssen.

Inzwischen ist die Personalsituation besser geworden, so gibt es zum Beispiel mit Matthias Mieke einen zweiten Pfarrer. In die Amtszeit von Weichenhan fällt auch der wesentliche Teil der Sanierung des Gotteshauses am Alten Markt – eine gewaltige Aufgabe. „Wir haben acht Millionen Euro verbaut.“ Die beiden heutigen Orgeln konnten in Weichenhans Amtszeit ebenfalls in den Dienst gestellt werden. Ein schwerer Vertrauensbruch erschütterte indes die Gemeinde, als vor einigen Jahren herauskam, dass ein Mitglied des Gemeindekirchenrats in beträchtlicher Höhe Eintrittsgelder für die Turmbesteigung aus einem Kassenautomaten in der Kirche geklaut hatte. „Sehr, sehr schwer“ sei das für sie gewesen, sagt Weichenhan.

Nur Andeutungen zu ihrem Weggang

Doch es bleiben freilich auch gute Erinnerungen, etwa an die zahlreichen festlichen Gottesdienste und die schon häufig durchgeführte Aktion „Gedeckter Tisch“ für sozial weniger gut gestellte Menschen. „Eine ganz wunderbare Tradition“, sagt Weichenhan über diese Veranstaltung. Zu den Gründen über ihren Weggang aus der Gemeinde, wenige Jahre vor Erreichen des Ruhestandsalters, macht Weichenhan indes nur Andeutungen, spricht vom notwendigen Generationswechsel. „Ich gehe ohne Bitterkeit, aber nicht ohne Schmerz“, sagt Weichenhan. Im jüngsten Gemeindebrief schreiben zwei Vertreter des Gemeindekirchenrats in einem an Weichenhan gerichteten Text, in dem sie ihr für ihr Wirken zunächst umfänglich danken, sie habe viele anstehende Aufgaben im Konsens mit den Beteiligten zu lösen versucht. Und weiter: „Dabei fiel es in letzter Zeit so manches Mal schwer, uns eine gemeinsame Meinung zu einem bestimmten Thema zu erarbeiten.“ Mag sein, dass hierin ein Grund für den Weggang der Pfarrerin liegt. Weichenhan hinterlässt jedenfalls viele gute Spuren ihres Wirkens in Potsdam – weithin sichtbar auf dem Alten Markt zum Beispiel das Tympanonrelief an der Nikolaikirche, das in ihrer Amtszeit wiedererstanden ist und zu dem die Pfarrerin sogar ein Buch herausgegeben hat.

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