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Personalnot: Am Landgericht in Potsdam drohen einige Verfahren bereits zu verjähren.

© Bernd Settnik/dpa

Personalnot am Gericht: Strafverfahren drohen zu verjähren

Auch acht Jahre nach einer aufsehenerregenden Razzia ist ein Gerichtstermin für den Betrugsfall Educon nicht absehbar. Aus Mangel an Personal muss das Gericht zunächst andere Fälle bearbeiten.

Potsdam - Seit Jahren schon hoffen Hunderte geprellte Schüler und Dozenten des im Soge einer Betrugsaffäre untergegangenen Bildungsdienstleisters Educon auf juristische Genugtuung. Doch obwohl die Vorwürfe gegen die Spitze des damals bundesweit tätigen Ausbildungsunternehmens aus Potsdam nun schon seit acht Jahren ein Fall für die märkische Justiz sind, ist ein Prozess immer noch nicht absehbar. Ein Sprecher des zuständigen Potsdamer Landgerichts erklärte jetzt auf PNN- Anfrage: „Die zuständige Kammer vor Gericht ist derzeit vollständig ausgelastet.“ Neben bereits anberaumten Verfahren gäbe es noch vorrangig zu bearbeitende Haftsachen – also Prozesse, bei denen Angeklagte in Untersuchungshaft sitzen und deswegen zügiger über ihr Vergehen entschieden werden muss.

Rückblick: Ende April 2010 hatte die Potsdamer Staatsanwaltschaft die Schulen von Educon mit Hauptsitz in der Berliner Straße durchsuchen lassen. Aus Sicht der Ermittler hatte es einen Millionenbetrug zu Lasten des Landes Brandenburg gegeben, weil das Unternehmen mittels falscher Angaben Millionenzuschüsse für fiktive Schüler erschlichen habe. Die Folge: das Landesbildungsministerium entzog nach der Razzia drei Berufsfachschulen in Potsdam und Cottbus die Genehmigung, stoppte die Zahlungen von rund 4500 Euro pro Schüler und Jahr – denn von 871 gemeldeten Schülern konnte Educon laut Ministerium damals nur 313 nachweisen. Daraufhin stellte Educon auch bundesweit seine Aktivitäten ein, über Nacht standen hunderte Schüler im gesamten Bundesgebiet vor verschlossenen Türen, überregionale Schlagzeilen waren die Folge.

Einer der Angeklagten ist bereits verstorben

Schon bei der besagten Razzia beschlagnahmten die Ermittler hunderte Schülerakten, die zwei Staatsanwälte über Jahre sichten mussten, um das Verfahren gerichtsfest zu bekommen. 2015 wurde dann Anklage erhoben. Nun liegt das Verfahren seit drei Jahren beim Potsdamer Landgericht. Einer der drei Angeklagten aus der Educon-Spitze ist inzwischen verstorben. So steht nun besonders die frühere Firmeninhaberin Carina H. im Fokus: beschuldigt wird sie des mehrfachen gemeinschaftlichen Betrugs im besonders schweren Fall. Zudem wird ihr und einer weiteren früheren Prokuristin des Unternehmens mehrfacher versuchter Betrug im schweren Fall vorgeworfen. Die Anwälte von H. bestreiten die Vorwürfe – und hatten zuletzt beantragt, das Verfahren auf einen früheren Stand zurückzuschieben. Aber auch das sei noch nicht entschieden, sagte ein Sprecher des Gerichts. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft wiederum sagte, seit der Anklageerhebung sei zumindest noch keine Verjährung eingetreten.

Auch die Landesregierung, speziell das Bildungsministerium, verfolgt das Verfahren aufmerksam. Schließlich versuchte das Land Brandenburg, einen Teil der gezahlten Beträge – es geht um neun Millionen Euro – für die mutmaßlich nicht vorhandenen Schüler wieder einzutreiben. Doch ohne Erfolg. „Es gibt keinen neuen Stand“, sagte ein Ministeriumssprecher jetzt auf PNN-Anfrage.

Die frühere Firmeninhaberin H. hatte 2012 eine Privatinsolvenz in Großbritannien über Schulden von mehr als 30 Millionen Euro abgeschlossen – durchgeführt nach dem einfacheren britischen Insolvenzrecht. Die Ex-Chefin gab dabei auch die Millionenschulden beim Land an. Im Herbst 2012 hatte die damals 50-Jährige erklärt: „Sollte die Forderung gegen mich vollstreckt werden, dann läuft das ins Leere.“ Das ging vielen Betroffenen so: noch Jahre später meldeten sich Schüler und Ex-Dozenten, die von Educon Schulgeld, Zeugnisse, Löhne oder Schadensersatz verlangten, ihre Forderungen aber nicht mehr zustellen oder vollstrecken konnten.

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Hintergrund: Diese fünf Verfahren am Landgericht Potsdam drohen zu verjähren

Am Landgericht Potsdam sind fünf Strafverfahren anhängig, die zum Jahresende verjähren. Diese Aufstellung sendete das Gericht nun auf PNN-Anfrage. Es gehe bei den Anklagen um UntreueComputerbetrugBetrug und Diebstahl sowie das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Ein weiteres Verfahren zum unerlaubten Umgang mit Abfällen – sprich illegale Müllverklappung – werde aktuell bereits verhandelt, so ein Gerichtssprecher. Bei den anderen Fällen könne es gegebenenfalls eine Verjährungsunterbrechung durch Eröffnung des Hauptverfahrens geben. „Diese Entscheidung steht aber noch aus“, so der Sprecher. Bereits im vergangenen Jahr sei bei einem Strafverfahren im August ein Teil der Vorwürfe verjährt gewesen, damals ging es um Betrug. Die Ursache für solche Probleme sei „die personelle und technische Ausstattung des Gerichts“, so der Gerichtssprecher. Zumindest seien seit 2015 keine weiteren Fälle der Verjährung eingetreten, hieß es. 

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