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Personalie im Pfingstberg-Zaunstreit: Im Abseits

Christoph Hörstel verlässt die Bürgerinitiative "Offener Pfingstberg": Wegen seiner Rolle in der Kleinstpartei "Deutsche Mitte" gab es Zweifel an seiner Motivation für den Zaunstreit

Nauener Vorstadt - Im Zaunstreit am Pfingstberg gehörte Christoph Hörstel zu den Wortführern. Noch am Mittwoch trat er im Hauptausschuss der Stadtverordneten für die neue Bürgerinitiative „Offener Pfingstberg“ auf. „Der Zaun muss verschwinden“, rief er dort. Nicht einmal 24 Stunden später teilte Hörstel mit, er werde die Initiative verlassen.

Offenbar war Hörstel zu sehr unter Druck geraten. Mit scharfen Angriffen hatte er sich in dem seit gut zwei Wochen schwelenden Konflikt um die Einfriedung des Parks an der Villa Schlieffen zu Wort gemeldet. Hörstel protestierte auch auf der Internetseite der von ihm gegründeten Kleinstpartei „Deutsche Mitte“ gegen die Einzäunung und den Mann, der aus seiner Sicht dafür verantwortlich ist: „Döpfner einbremsen!“

Springer-Vorstand Mathias Döpfner saniert Park und Villa mit privaten Mitteln. In der Villa Schlieffen will er ein öffentliches Kunstmuseum einrichten, die Villa Henckel, zu welcher der Park gehört, hat er privat erworben. Döpfner hat mit der Schlösserstiftung, der das Schlieffen-Areal gehört, einen Vertrag über einen sogenannten Nießbrauch abgeschlossen. Dieser sah zunächst vor, dass Döpfner den Park am Wochenende privat nutzen darf; nach Protesten ist dies vom Tisch (PNN berichteten) – für die Bürgerinitiative „Offener Pfingstberg“ ein Erfolg. Doch auf ihre Arbeit war ein Schatten gefallen. Denn Hörstels politische Aktivitäten hatten den Verdacht befördert, es könnte ihm weniger um den Zaun als um die Person Döpfner gehen.

Hörstel nennt sich selbst Publizist und „Regierungs- und Unternehmensberater“, in den Medien wird er auch als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Er gilt zudem als scharfer Israel-Kritiker. So postuliert seine Partei „Deutsche Mitte“: „Eine deutsche Staatsräson für die Sicherheit Israels kann und wird es nicht geben.“ Hörstel, 1956 in Bremen geboren und seit einigen Jahren Potsdamer, war bis 1999 mehr als zehn Jahre Auslandskorrespondent bei der ARD. Er berichtete unter anderem aus Afghanistan, Pakistan, Irak und Syrien. Zu seinem Ausscheiden sagt er in einem im Internet veröffentlichten Interview: „Ich verließ die ARD, weil ich die Lügerei nicht mehr mitorganisieren wollte.“ Nach seinem Abgang gründete Hörstel unter anderem eine Beraterfirma, die Partei „Neue Mitte“ und im August 2013 dann die „Deutsche Mitte“. Bei der Bundestagswahl blieb er chancenlos; als Einzelbewerber erhielt er im Potsdamer Wahlkreis 0,4 Prozent der Stimmen. Im sozialen Netzwerk Facebook hat er allerdings mehr als 37 000 Unterstützer.

Umstritten ist ein Auftritt Hörstels beim sogenannten Al-Kuds-Tag am 25. Juli dieses Jahres in Berlin. Dort protestierten rund 1200 Menschen gegen Israels Vorgehen im Gaza-Streifen, am Rande wurden antisemitische Parolen gerufen. Als einer der Hauptredner sagte Hörstel über Israel: „Dieser Staat ist ein Un-Staat. Das ist das Problem. Und wenn ein Staat ein Problem ist in einem Konflikt, kann er nicht Teil der Lösung sein. Dann muss eine Lösung gefunden werden ohne diesen Staat.“ In einer aktuellen Stellungnahme verweist Hörstel dazu auf den Fortgang seiner Rede. Er habe auch gesagt, dass es im Nahost-Konflikt eine Lösung mit allen Juden geben müsse: „Wir haben nichts gegen Juden.“ Hörstel hat sich jedoch auch mehrfach für ultraorthodoxe jüdische Gruppierungen eingesetzt, die den Staat Israel in heutiger Form ablehnen.

Mit der mindestens Israel-kritischen Position liegt Hörstel im deutlichen Widerspruch zu Döpfners Springer-Konzern. Zu den fünf Unternehmensgrundsätzen des Verlags gehören „die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes“ sowie die „Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika“. Hörstels „Deutsche Mitte“ dagegen wirbt für den Austritt Deutschlands aus der Nato, er spricht in Bezug auf die USA von einem „Washington-gesteuerten globalen Terrormanagement-System“ und behauptet, dass die CIA angeblich in die Anschläge vom 11. September 2001 verwickelt war. Dass seine politische Haltung etwas mit seinem Engagement gegen den Döpfner-Zaun zu tun habe, bestreitet Hörstel. „Ich bin ein Zaun-Gegener und ein politischer Mensch – ich hoffe doch sehr, dass darf ich sein“, schrieb er am Mittwoch in einer Mitteilung.

Am Donnerstag dann die Wende: Die Politik der „Deutschen Mitte“ und die Anliegen der Bürgerinitiative „müssten klar und kraftvoll unabhängig voneinander stehen können“, teilte Hörstel mit. Daher werde er die Bürgerinitiative „Offener Pfingstberg“ verlassen. Seine Frau Dominika Hörstel bleibe gleichwohl die Sprecherin. Sie sei nicht Mitglied seiner Partei, betonte Hörstel.

Die Initiative teilte dazu mit: „Wir wollen keine weiteren Diskussionen über andere Ziele führen.“ Ihres hat sie offenbar klar im Blick. Im Bezug auf die neue Regelung für die Zugänglichkeit des Parks hieß es: „Wir haben erfreuliche Töne gehört – und gleichzeitig noch mehr ungeklärte Fragen als zuvor.“ Am heutigen Freitag will man ab 16.30 Uhr erneut protestieren, für die sofortige Zaunöffnung. Und wohl ohne Christoph Hörstel. Henri Kramer

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