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FDP-Chef Christian Lindner an der Uni Potsdam.

© René Garzke

Ortstermin: FDP-Chef Christian Lindner an der Uni Potsdam: Bärte, Bier und Breitband

René Garzke lauscht einem Vortrag des FDP-Chefs Christian Lindner an der Universität Potsdam.

Es hatte anfangs etwas von politischem Kabarett. Weil die Wahlen zum Uni-Parlament schon vorbei sind, müssten die Jusos ja nicht mehr den Hörsaal stürmen, sagt FDP-Chef Christian Lindner am Donnerstag zu Beginn seines Vortrages an der Universität Potsdam. In den hinteren Reihen machen sich dennoch einige Vertreter der SPD-Jugend bemerkbar. „Ach, da sind sie ja – hallo Freunde! Ich hätt’s an den Bärten erkennen müssen“, scherzt Lindner.

Dabei hatte er selbst einmal überlegt, in die SPD einzutreten, sagt Lindner. „Dort waren aber schon meine Lehrer“, begründet er seine Entscheidung gegen die Sozialdemokraten. Auch die CDU habe er sich angesehen. „Aber die Junge Union hat sich nur getroffen, um Bier zu trinken.“ Für Politik habe sich da keiner interessiert. „Da ich schon Freunde außerhalb der Politik hatte, musste ich nicht in die Junge Union.“ Austeilen in alle Richtungen – den 300 Zuhörern im Publikum gefällt’s.

Das eigentliche Thema: Digitalisierung und Bildung

Sprechen wollte Lindner an der Universität eigentlich aber nicht über Bier und Bärte, sondern über Digitalisierung und Bildung – Breitbandausbau, lästige Bürokratie und Start-ups. Eng verbunden ist damit für ihn die Bevölkerungsentwicklung. Deutschland sei auf Zuwanderung angewiesen, stellt der FDP-Chef klar. „Anders wird es nicht gehen.“ Deutschland fehle es aber nach wie vor an einem modernen Einwanderungsgesetz, sagt der 38-Jährige. „Weil manche glauben, wir könnten unseren Fachkräftebedarf decken mit mehr Kindern aus deutschen Familien“, schiebt er hinterher. Bei einer Koalitionsrunde im Jahr 2011 – „da haben wir noch regiert, das war vor Ihrer Zeit“, sagt Lindner selbstironisch zu den Studenten im Publikum – habe das etwa Horst Seehofer gefordert. Wie ein Hochschuldozent bezieht der FDP-Chef die Zuhörer ein: „Haben Sie ’ne Ahnung, wie viele Kinder eine deutsche Frau im gebärfähigen Alter bekommen müsste, damit wir den gegenwärtigen Stand unserer Bevölkerung halten? Das Publikum rät: zwei, 3,8. Lindner löst auf: im Durchschnitt sieben! „Sieben Kinder, das schafft Ursula von der Leyen“, sagt er.

Die Spitzen sind wohldosiert. Ernst wird Lindner nicht nur, wenn er Forderungen aus dem Parteiprogramm vorträgt, sondern auch wenn es um seine eigene Biografie geht. Mit Start-ups hat er nämlich selbst Erfahrungen gesammelt. Die aber haben nur bedingt Vorbildcharakter. Ein Internetunternehmen, das er mit Anfang 20 gegründet hatte, ging wenig später pleite. Das holt ihn immer wieder ein. Für Lindner ist das „eine Charakterschwäche unserer Gesellschaft“. Der Erfolgreiche könne sich nur auf eins verlassen: Neid. Und der Gescheiterte kann sich Spott und Häme sicher sein – und irgendjemandem, der noch nachtritt. Lindner ist überzeugt: Das ist die größte Hürde für eine erfolgreiche Gründerkultur in Deutschland.

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