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Unterwegs. Potsdams Trams und Busse sollen auch künftig unter der Regie des kommunalen Verkehrsbetriebs fahren. Der ist zwar defizitär, bietet aber auch sozial gestaffelte Fahrpreise an. In der wachsenden Stadt müssen in den kommenden Jahren mehr Fahrgäste befördert werden.

©  Andreas Klaer

Operation ÖPNV: Potsdam will Nahverkehr vor Privatisierung retten

Die Stadt will den Vertrag mit dem Verkehrsbetrieb verlängern – um eine Privatisierung zu verhindern.

Hinter den Kulissen haben Stadtverwaltung und Kommunalpolitik eine langwierige Operation begonnen, um eine mögliche Privatisierung des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) in Potsdam zu verhindern. Sichtbares Zeichen: Das Rathaus hat gerade im Amtsblatt der Europäischen Union bekannt gegeben, dass sie eine Direktvergabe für den Straßenbahn- und Busverkehr in Potsdam beabsichtigt – und zwar wie schon seit der Wende 1990 an den kommunalen Verkehrsbetrieb (ViP). Die Laufzeit für den ab 2018 geplanten Vertrag beträgt immerhin 15 Jahre.

Hintergrund der Aktion sind nach PNN-Informationen aus dem Rathaus bundesweit in die Schlagzeilen gerückte Beispiele wie der Fall der Stadt Pforzheim (Baden-Württemberg), in der der ÖPNV privatisiert wird – dort soll ab Jahresende eine Tochter der Deutschen Bahn zuständig sein. Das sorgt in der Stadt mit 120 000 Einwohnern für heftige Diskussionen und im defizitären Pforzheimer Verkehrsbetrieb für Existenzangst bei Mitarbeitern, die sogar einen Arbeitskampf begonnen haben. Auch in anderen Kommunen wie Hildesheim (Niedersachsen) gab es in diesem Jahr Schlagzeilen, es drohe die Übernahme des ÖPNV-Angebots durch eine Bahntochter.

Verlierer seien die städtischen Verkehrsunternehmen

So etwas soll in Potsdam nicht passieren können. Von der geplanten Direktvergabe sollen laut der Bekanntmachung im EU-Blatt „sämtliche Verkehrsleistungen auf allen Straßenbahn- und Buslinien erfasst werden“. Potsdam könne solch einen Schritt „zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung“ unternehmen, heißt es in der Ausschreibung – so seien im Übrigen auch schon andere Kommunen wie Hannover oder Frankfurt/Oder verfahren, hieß es von Verantwortlichen für den Potsdamer Nahverkehr. Bereits im Mai hatte ViP-Chef Martin Grießner in einer internen und den PNN vorliegenden E-Mail an die 400 Mitarbeiter des Unternehmens erklärt, für die Zukunftssicherung des Unternehmens sei die begonnene Operation von „überragender Bedeutung“ und zeuge vom Vertrauen des Rathauses in die Leistungsfähigkeit der Stadtwerke-Tochtergesellschaft.

Offiziell sagte ein Stadtsprecher auf PNN-Anfrage, die Stadtverordneten seien Mitte Juli bereits im nicht-öffentlichen Teil des Hauptausschusses über das Thema informiert worden. Die Vergabe selbst müsste das Kommunalparlament noch einmal im kommenden Jahr per Beschluss bestätigen. Anlass für die Aktion seien auch im Jahr 2013 geänderte rechtliche Rahmenbedingungen des Bundes im sogenannten Personenbeförderungsgesetz. Demnach sind private Betreiber ohne Zuschussbedarf beim öffentlichen Nahverkehr bevorzugt zu behandeln – statt gemeinwirtschaftliche Verkehrsunternehmen, die mit sozial ausgewogenen Tarifen werben. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat die Gesetzesänderung bereits heftig kritisiert: Damit würde die Entscheidungsfreiheit von Kommunen beschränkt, Verlierer seien die städtischen Verkehrsunternehmen, reagierten Gewerkschafter etwa auf die besagte Übernahme des Pforzheimer ÖPNV-Netzes durch eine Bahntochter.

Pläne der Stadt

Aufgrund des neuen Gesetzes könnte ein privater Betreiber der Stadt Potsdam noch dazwischen funken – allerdings sind die Hürden dafür hoch. In dem EU-Amtsblatt heißt es, für die Vergabe können innerhalb einer Frist von drei Monaten sogenannte „eigenwirtschaftliche Genehmigungsanträge“ von Privaten gestellt werden, die ohne öffentliche Zuschüsse auskommen wollen. Die Anträge müssen an das brandenburgische Landesamt für Bauen und Verkehr in Hoppegarten gerichtet werden. Allerdings stellt die Stadtverwaltung in der Bekanntmachung auch klar, dass mögliche Privatgesellschaften von außen sich nur für das gesamte Potsdamer ÖPNV-Netz bewerben könnten – und nicht für Teilstrecken. Damit soll eine „Rosinenpickerei“ vermieden werden – also dass sich Privatbetreiber nur für eine profitable der insgesamt 25 Buslinien bewerben, dem ViP aber zum Beispiel weiter den wesentlich kostenträchtigeren Betrieb der sieben Potsdamer Tramlinien überlassen, hieß es von Nahverkehrsverantwortlichen. Vor allem die Wartung der Trams gilt als kostenintensiv.

Im Hintergrund stehen auch Pläne der Stadt, in den kommenden Jahren mehr als 50 Millionen Euro in das Nahverkehrsnetz zu investieren. Unter anderem ist für 7,5 Millionen Euro eine Tramstrecke bis zum Campus Jungfernsee geplant. Außerdem soll die Tramstrecke entlang der Heinrich-Mann-Allee für rund 15 Millionen Euro saniert werden. Allein 22 Millionen sind für die Modernisierung der bestehenden Tramflotte eingeplant.

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