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Wählbar. Dennis Hohloch (AfD), Janny Armbruster (Grüne), Mike Schubert (SPD), Martina Trauth (Linke), Lutz Boede (Die Andere) und Götz Friederich (CDU) beim PNN-Wahltalk in dieser Woche. Am Sonntag können 141 000 wahlberechtigte Potsdamer bestimmen, wer für acht Jahre der neue Potsdamer Oberbürgermeister wird.

© S. Gabsch

Oberbürgermeisterwahl: Potsdam vor der Entscheidung

Der kontroverse Potsdamer Oberbürgermeister-Wahlkampf neigt sich dem Ende zu. Eine Analyse.

Potsdam - Nach einem durchaus kontroversen Wahlkampf mit ungewöhnlich vielen öffentlichen Diskussionsforen und einer inhaltlich breiten Debatte entscheiden sich bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag auch mehrere politische Schicksale. Eines scheint klar: So deutlich wie bei der vergangenen Oberbürgermeisterwahl dürfte es wohl nicht ausgehen. Die PNN analysieren die Lage und geben einen Ausblick, was nach dem Sonntag passieren könnte.

Mike Schubert (SPD)

Als Favorit geht der seit zwei Jahren amtierende Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) ins Rennen – nach einem Wahlkampf, bei dem der 45-Jährige seine zahlreichen Arbeitstermine für das Rathaus für sich zu nutzen wusste. Schubert will damit punkten, dass er mehrere Probleme in seiner Zuständigkeit – vom Moscheestandort über das Tierheim bis zur Feuerwehr – befrieden konnte. Auch die zu hoch angesetzten Kita-Gebühren sind gesenkt worden, die Rückzahlung steht aber noch aus. Zudem setzte er das Thema einer behutsameren Stadtentwicklung. Für den früheren Potsdamer SPD-Chef geht es um viel, nachdem er schon zwei Wahlkämpfe nicht für sich entscheiden konnte – so verlor er 2009 bei der Landtagswahl gegen Linke-Zugpferd Hans-Jürgen Scharfenberg deutlich und fünf Jahre später knapper gegen Saskia Ludwig von der CDU. Allerdings sieht eine August-Umfrage der Märkischen Allgemeinen Schubert bei 29 Prozent. Zum Vergleich: Der scheidende Amtsinhaber Jann Jakobs holte vor acht Jahren 41,7 Prozent im ersten Wahlgang. Für die auf Bundes- und auf Landesebene bei Umfragen schwächelnde SPD geht es vor der Landtagswahl im kommenden Jahr auch darum, wenigstens noch in einer der vier kreisfreien Städte das Stadtoberhaupt zu stellen. Insofern scharen sich die Sozialdemokraten sichtbar um Schubert, selbst innerparteiliche Gegner vermieden im Wahlkampf öffentliche Angriffe.

Martina Trauth (parteilos für Die Linke)

Auch für die Linke geht es bei der Wahl um viel, nachdem man in der Vergangenheit stets Platz zwei in Potsdam erreichte. Insofern ist die Nominierung der parteilosen Kandidatin Martina Trauth, die seit acht Jahren als Gleichstellungsbeauftragte in der Stadtverwaltung tätig ist, auch ein Experiment – und die erste echte Bewährungsprobe für den erst seit einem Jahr agierenden Kreisvorstand um die Stadtverordneten Stefan Wollenberg und Kati Biesecke. Laut „MAZ“-Umfrage könnte Trauth mit 24 Prozent hinter Schubert ins Ziel gehen, das wären neun Prozent weniger als Kandidat Scharfenberg vor acht Jahren erreichte – was diesen damals in die Stichwahl trug. Klappt das nicht, wäre das für die in Potsdam oppositionelle Linke auch mit Blick auf die Kommunalwahl im kommenden Jahr ein schlechtes Zeichen. Allerdings wäre so eine Niederlage auch ein stückweit hausgemacht: Manche Parteiobere hielten sich im Wahlkampf auffällig zurück mit Unterstützung für Trauth, die vor allem mit mehr Bürgerbeteiligung und klassischen linken Sozialthemen überzeugen will. Ein Malus: Mehrfach warf die Konkurrenz Trauth schlicht Unkenntnis vor, gerade in den mehr als 30 öffentlichen Debattenrunden im Vorfeld der Wahl. Das waren übrigens so viele wie nie. Zudem mussten die Kandidaten und ihre Teams noch schriftliche Antworten auf Wahlzielfragen von etlichen Vereinen und Initiativen formulieren.

Götz Friederich (CDU)

Für die CDU kann es nur besser werden. Bei der vergangenen OB-Wahl holte deren Kandidatin, die Landtagsabgeordnete und frühere Justizministerin Barbara Richstein aus Falkensee, nur 10,5 Prozent der Stimmen – für die in Potsdam ohnehin nie auf Rosen gebettete Union war das ein Desaster. Mit dem Babelsberger Steueranwalt Götz Friederich, der in vielen Vereinen engagiert und in der Wirtschaft gut vernetzt ist, soll es diesmal mindestens für die Stichwahl reichen – diesem Ziel hat sich der einst als zerstritten geltende Kreisverband erkennbar unterworfen. Die Hauptthemen des 56-Jährigen sind die aus seiner Sicht verfehlte Verkehrs- und Wirtschaftspolitik in Potsdam. Zudem will die CDU auch ein Zeichen für die nächsten Urnengänge aussenden, man hofft auf Stimmen von Neu-Potsdamern. Allerdings hatte die besagte Umfrage nur 18 Prozent für Friederich vorausgesagt – ob es trotz umfangreicher Plakatwerbung für mehr reicht? Manche seiner Attacken im Wahlkampf verpufften auch, weil die CDU zusammen mit der SPD an den Entscheidungen der vergangenen Jahre maßgeblich beteiligt war.

Janny Armbruster (Grüne)

Bei der OB-Wahl 2010 erreichte die damalige Kandidatin und Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem nur 6,4 Prozent – hier könnte die aktuelle Bewerberin Janny Armbruster durchaus Potenzial für mehr Stimmen haben, gerade in Grünen-Hochburgen wie der Brandenburger Vorstadt. Die 55 Jahre alte Uni-Referentin Janny Armbruster, die im Wahlkampf auch auf leise Töne setzte, will die wachsende Stadt nicht nur im Zentrum, sondern auch in den Stadtteilen weiterentwickeln und macht sich für mehr Klimaschutz stark. Dazu gehört für sie der Ausbau der Radwege und des öffentlichen Nahverkehrs, so die Grünen-Fraktionschefin im Potsdamer Stadtparlament. Laut der Umfrage dürfte sie um die acht Prozent erhalten. Allerdings waren im August auch noch rund die Hälfte der Potsdamer unentschlossen.

Lutz Boede (Die Andere)

Auch Lutz Boede von der alternativen Fraktion Die Andere könnte punkten, weil er das bekannteste Gesicht der linksalternativen Wählergemeinschaft ist: Vor acht Jahren holten diese mit dem jungen Einzelhandelskaufmann Benjamin Bauer nur vier Prozent. Der 53 Jahre alte Boede wendet sich – zum Teil mit provozierenden Plakatsprüchen – gegen dem Umbau der Stadtmitte und kämpft für bessere Löhne in den kommunalen Unternehmen wie dem Klinikum. Die Umfrage sieht ihn bei zehn Prozent. Die Grünen und Die Andere eint: Sie setzen bei dieser OB-Wahl schon ihre Themen, auch mit Blick auf die Kommunalwahlen im kommenden Mai – was andere kleinere Parteien wie die Potsdamer FDP nun nicht können.

Dennis Hohloch (AfD)

Die rechtspopulistische AfD gab es vor acht Jahren noch nicht, die Umfrage sieht deren Kandidaten Dennis Hohloch bei zehn Prozent. Für den Lehrer und Chef der bislang kaum nennenswert mit Initiativen in Erscheinung getretenen AfD-Fraktion im Stadtparlament könnte die Wahl ein Testlauf für die 2019 von ihm erwogene Landtagskandidatur sein. Der 29-Jährige, der auch die Jungen Alternative Brandenburg führt, wirbt für eine autofreundliche Stadt und eine weitere Brücke über die Havel. Bei der Bundestagswahl erhielt die AfD vor einem Jahr in Potsdam 12,8 Prozent der Stimmen. Im Wahlkampf hatte die AfD mit Angriffen auf Wahlhelfer zu kämpfen. Zugleich ließ der Kreisverband auf seiner Facebook-Seite jedwede Hetze gegen andere Parteien unkommentiert stehen.

Bei einem Wahltalk von Potsdam TV zeigte SPD-Mann Schubert in dieser Woche Bilder, auf denen Hohloch mit Mitgliedern der rechtsradikalen Identitären Bewegung zu sehen ist. Hohloch sagt, diese seien vergangenes Jahr beim Sommerfest der Jungen Alternative Berlin aufgenommen worden. Ihm sei nicht bekannt gewesen, dass dort auch IB-Mitglieder gewesen seien. Es gebe gültige Abgrenzungsbeschlüsse und keine Zusammenarbeit mit dieser Organisation, so Hohloch. Für Kritik sorgte zuletzt auch, dass Hohloch als Oberbürgermeister nicht an Anti-Rechts-Demonstrationen des parteiübergreifenden Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“ teilnehmen würde. Am Donnerstag verbreitete die AfD-Stadtfraktion schließlich über Twitter eine antisemitische Karikatur der Jüdin Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung, die zuvor der AfD-Hardliner Petr Bystron veröffentlicht hatte. Via Twitter teilte die Fraktion mit, man sehe „hier keine jüdische Mitbürgerin, sondern eine Karikatur von Frau Kahane…“ Später ließ Hohloch das Bild wieder löschen.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Oberbürgermeister wird nur der Kandidat, der mehr als 50 Prozent im ersten Wahlgang erhält. Insofern ist angesichts von sechs Kandidaten eine Stichwahl am 14. Oktober das wahrscheinlichste Szenario: Schubert gegen Trauth oder Friederich. Hier kommt es im Vorfeld auch darauf an, welche der unterlegenen Kandidaten welche der beiden verbliebenen Bewerber noch unterstützen. Dazu gibt es aber noch keine offiziellen Aussagen.

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