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PNN-Late Night Talk- im Hotel Mercure in der 17 Etage OB-Kandidat Dennis Hohloch (L.).

© Manfred Thomas

Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Was täten Sie, wenn Sie Potsdam regieren würden?

Die Potsdamer Neuesten Nachrichten luden zum "Late Night Talk" zur Oberbürgermeisterwahl in die 17. Etage des Hotel Mercure. Bei dem ungewöhnlichen Format zeigte sich: Die Potsdamer haben großen Redebedarf.

Die Kandidaten sind müde. Es ist ein straffes Programm, das sie derzeit absolvieren. Eben noch waren sie alle auf einer Veranstaltung auf dem Bassinplatz, jetzt treffen sie sich wieder in der 17. Etage des Mercure.

„Wir haben schon überlegt, einen Kleinbus zu mieten“, witzelt Götz Friederich von der CDU. „Oder ob wir anschließend mal zusammen essen gehen“, sagt Grünen-Kandidatin Janny Armbruster. Obwohl sie als Konkurrenten in dieses Rennen um das Amt des Oberbürgermeisters gegangen sind, sei in den vergangenen Wochen doch ein konstruktives Miteinander entstanden. Manche der etwa 50 Gäste des von den PNN veranstalteten „Late Night Talks“ am Freitagabend ab 21 Uhr nehmen diese sachliche Kollegialität durchaus wahr.

Viele sind noch unentschieden, wen sie wählen werden

Doch bei aller Freundschaft: Es gibt Unterschiede in Wahlprogramm und Politikstil und viele wissen noch nicht, wen sie wählen werden. Unternehmerin Sabine Thorwirth, 61 Jahre alt, sagt: „Ich kenne Mike Schubert in Turnhose, vom Lauffest.“ Das reicht natürlich nicht für eine Entscheidung. „Ich möchte ihn fragen, ob er noch andere Schwerpunkte als die Kitaplanung setzt.“ 

Studentin Julia Henning, 25 Jahre alt, hat bereits eine Tendenz, möchte die Kandidaten aber persönlich kennenlernen. Jürgen Kohl, 71 Jahre, Soziologe aus Heidelberg, wohnt seit vier Jahren in Potsdam. „Ein OB muss vor allem die Verwaltung im Griff haben“, sagt er zu seinen Prüfkriterien.

Dann wird die erste Runde eingeläutet: Es gibt sechs Tische, dort sitzen 48 Potsdamerinnen und Potsdamer, jeweils ein Journalist aus der PNN-Redaktion – und für jeweils eine Viertelstunde einer der Kandidaten, dann folgt der nächste, so lange, bis jeder Kandidat an jedem Tisch Platz genommen hat. Die Teilnehmer haben sich über ein Onlineportal der PNN angemeldet – weil es eine große Zahl von Interessenten gab, wurden die Plätze ausgelost.

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Am reinen Männertisch 4 nimmt Götz Friederich (CDU) Platz. Joshua Jahn, 29 und in der Erwachsenenbildung tätig, will wissen, wie es mit dem Sportplatz am Neuen Palais weitergeht. Der soll 2022 geschlossen werden, als Alternative hat man seinem Rugby-Klub einen Platz in Neu Fahrland in Aussicht gestellt. „Da kommt man mit Öffis kaum hin. Es wäre das Ende für uns“, sagt Jahn. Friederich, der Sport als Schwerpunkt im Programm hat, erklärt, dass die Stadt weitsichtiger planen muss. Er versteht den Frust. „Es darf nicht sein, dass man der Stadt jahrelang mit einem Anliegen hinterherrennen muss.“

Sabine Thorwirth.
Sabine Thorwirth.

© Manfred Thomas

An Tisch 5 sitzen Wolfgang und Charlotte Cölln, Vater und 16-jährige Tochter. AfD-Kandidat Dennis Hohloch wird nach seiner Motivation gefragt. OB sei schließlich kein Top-Job, sagt Charlotte. Hohloch sagt, er will mitgestalten und könne auch mit wenig Schlaf auskommen. Dann geht es um Verkehrsplanung. Mehr Tiefgaragen müssen her, sagt Hohloch. Charlotte fragt: „Sie sind also eher pro Auto?“ Nein, es gehe ihm darum, den Individualverkehr gleichrangig zum öffentlichen Nahverkehr zu behandeln, sagt der Kandidat. Charlotte ist nicht zufrieden. „Ich werde auch jetzt nicht AfD wählen.“

Julia Hennig. 
Julia Hennig. 

© Manfred Thomas

Auch am nächsten Tisch geht es um Verkehr. Lutz Boede, Kandidat von Die Andere, ist ein schneller, versierter Redner. Bei den Parkgebühren könnte er sich eine Steigerung vorstellen und das Holländische Viertel ginge autofrei. In Melbourne ist der ÖPNV für alle kostenlos, sagt eine Frau. Man wünscht sich zumindest eine dichtere Taktung. Boede vertröstet. „Mehr Bahnen gibt es leider nicht von heute auf morgen.“

An Tisch 6 beginnt die Runde mit SPD-Kandidat Mike Schubert. „Ich dachte, ich komme in eine ur-sozialdemokratische Stadt“, sagt Hans Helmich, der noch nicht lange in Potsdam wohnt. „Stattdessen finde ich hohe Mieten, keine städtischen Kitas und in der Innenstadt nur Gymnasien, die sich als Eliteschulen verstehen, wo normale Kinder keinen Platz kriegen. Wie konnte das so entgleisen?“ Da muss Schubert ausholen, erklärt den Geburtenrückgang der 90er-Jahre, der zur Schließung vieler Kitas führte. Heute sind städtische Flächen rar. „Wir müssen etwas Wachstumstempo rausnehmen“, sagt der Kandidat und Sozialbeigeordnete. Und: „Ich will ehrlich reden: Wir haben noch viele Aufgaben.“

Martina Trauth, parteilose Kandidatin der Linken, wird zum Verhältnis zwischen Schlösserstiftung und Stadt gefragt. Was sei wichtiger, Wohnungsbau oder Sichtachsen? „Ich möchte den Weltkulturerbestatus nicht aufs Spiel setzen“, sagt Trauth. „Ich glaube, die Stadt lässt sich von der Stiftung erpressen“, sagt ein Mann. Von einer Linken-Politikerin erwarte er ein anderes Bekenntnis. Trauth sagt, ein besserer Mix muss her. Genossenschaftliches Wohnen und Bauen als gemeinnützige Projekte.

Auch die Grüne Janny Armbruster wird zum Thema Wohnen, insbesondere für Studenten, befragt. Das Studentenwerk sollte eigenständig bauen dürfen, sagt Armbruster. Innerstädtisch muss mehr verdichtet werden. Reihengaragen sind nicht mehr zeitgemäß. Und: „Warum überbauen wir nicht Aldi und Lidl?“ Die Zuhörer nicken. Um das Müllproblem zu diskutieren – „die Entleerung der Glascontainer ist eine Katastrophe“, sagt eine Frau – ist keine Zeit mehr, die Glocke läutet.

An manchen Tischen wird dennoch weiterdiskutiert, der Redebedarf ist groß. Sabine Thorwirth weiß immer noch nicht, wen sie wählen soll. „So viele neue Eindrücke!“ Joshua Jahn sagt, er ist sogar unentschiedener als vorher. „Weil alle so positiv auftraten. Sympathischer als ich dachte.“

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