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Martina Trauth-Koschnick ist Potsdams Gleichstellungsbeauftragte. Wir haben viel erreicht, aber auch noch viel vor. Chancengleichheit ist zwar gesetzlich verankert, wird aber nicht praktiziert. Die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit ist immer noch nicht erfüllt. Der Frauentag ist insofern ein Kampf- und Feiertag.

© Andreas Klaer

Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Linke entscheidet sich für Martina Trauth als Kandidatin

Potsdams Linke trifft eine deutliche Entscheidung für ihre parteilose Kandidatin, die städtische Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth. Der Vorstoß, stattdessen Lutz Boede von Die Andere zu unterstützen, scheiterte.

Potsdam - Die Potsdamer Linke hat die städtische Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth (parteilos) nun auch offiziell als Oberbürgermeisterkandidatin aufgestellt. Bei einem Parteitag am Samstag erhielt Trauth 111 Ja-Stimmen, aber auch sieben Nein-Voten. Dazu gab es vier Enthaltungen. Trauth ist damit die erste parteilose Kandidatin der Linken seit 1990. Zuvor waren einige Genossen des linken Flügels der Partei mit dem Vorstoß gescheitert, dass die Linke keine eigene Kandidatin aufstellen soll, sondern vielmehr den Bewerber der linksalternativen Wählergruppe Die Andere, Lutz Boede, unterstützen müsse. Doch dies wurde nach teils emotionaler Debatte abgelehnt - von einer deutlichen Mehrheit der anwesenden rund 120 Genossen. 

Der Bundestagsabgeordnete Müller positionierte sich gegen den linken Flügel

Die Nominierung von Boede hatte der Parteilinke Steffen Pfrogner angeschoben, bekannt von der Initiative "Potsdamer Mitte neu denken". Pfrogner begründet seinen Vorstoß, Boede stehe weitgehend in Übereinstimmung mit den grundsätzlichen Zielen der Partei, etwa für einen sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Boede sei "einer von hier, einer aus unserer Mitte". Mit einem gemeinsamen Kandidaten würden unterschiedliche Milieus des linken Spektrums gebündelt.  Boede selbst war nicht zugegen, hatte sich aber grundsätzlich bereit erklärt. Gegen Pfrogners Vorschlag positionierte sich etwa der Linken-Bundestagsabgeordnete Norbert Müller: "Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, auf einen eigenen OB-Kandidaten zu verzichten." Denn seit Jahren sei die Linke in allen Wahlen mindestens die zweitstärkste Kraft in der Stadt gewesen. Langfristig sei es nötig, dass sich in Potsdam eine linke Kraft bilde: "Die Andere hat ihre historische Mission erfüllt", sagte Müller. Für die kommende Wahl gelte es die Grabenkämpfe zu beenden, Trauth sei keine Zählkandidatin: "Wir spielen auf Sieg."

Es gab offene Kritik an Personalpolitik, die "aus Südafrika gesteuert" werde

Linke-Stadtfraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg sagte, es wäre gut, wenn in Potsdam am 23. September 2018 endlich eine Oberbürgermeisterin gewählt würde. Trauth sei für die Linke ein Glücksfall. Die Linke habe bei vergangenen Wahlen mit sehr guten Ergebnissen Maßstäbe gesetzt. Mit den aktuellen Konflikten drohe man dies zu verspielen. Zudem habe Die Andere eine anderen Politikansatz. Diese kleine Oppositionsfraktion könne deutlich stärker zuspitzen, die Linke dagegen sei mehr auf Kompromisssuche angelegt. Und wenn man damit aufhöre, würden die Linke den Status als größte Fraktion verlieren, mahnte Scharfenberg, der nicht noch einmal als OB-Kandidat antreten wollte. Kreischef Stefan Wollenberg sagte, dass gute Ergebnis der Bundestagswahl habe gezeigt, was sich erreichen lassen, "wenn wir an einem Strang ziehen". Wollenberg weiter: "Wir wollen den Chefsessel im Rathaus erobern." Trauth sei dafür geeignet, sie könne neue Wählerschichten für die Linken erschließen. Dagegen kritisierte die langjährige Genossin Maria Strauß aus dem Ortsverband Babelsberg, sie habe kein Verständnis, "dass Personalfindungsprozesse aus Südafrika gesteuert werden" - eine Anspielung auf den früheren Linke-Kreischef Sascha Krämer, der gerade in Südafrika lebt, von dort Trauth mit ausgesucht hatte. "Warum haben wir keinen eigenen Kandidaten aus der Partei?", fragte Strauß, die Referentin im Landesjustizministerium ist.

"Wir brauchen einen Politikwechsel", sagte Trauth

Bemerkenswert: Wenige Minuten später postete Krämer im sozialen Netzwerk "Facebook", beim Parteitag werde über Menschen "gehetzt, die nicht da sind." Wollenberg dagegen forderte ein Signal der Geschlossenheit, gerade mit Blick auf die SPD, bei der drei Bewerber die OB-Kandidatur wollen: "Dort wird jeder Kandidat mit einem Handicap in den Wahlkampf starten."  Trauth sagte bei ihrer Vorstellung, sie stehe bereit als Rathauschefin. Sie sei zwar parteilos, aber nicht unparteiisch. "Ich will mit euch in den Wahlkampf ziehen", sagte die 53-Jährige. Die Stadt Potsdam benötige frische Ideen und deutlich mehr Bürgerbeteiligung. "Wir brauchen einen Politikwechsel." Anliegen von Bürgern müssten - wie es die Linke praktiziere - stärker in den Fokus genommen werden. Potsdam müsse eine Stadt für alle sein, für Einheimische und Zugezogene. Es müsse mehr für bezahlbaren Wohnraum getan werden, Familien müssten einfacher einen Kita- oder Grundschulplatz finden und Senioren sollten mehr Teilhabe- und Pflegemöglichkeiten haben.

Dabei plädierte sie unter anderem dafür, dass Potsdam wieder selbst kommunale Kitas betreibe. "Zudem müsse die Stadt besser mit ihren Hochschulen kooperieren. "Und wir wollen kein neopreußisches Disneyland", griff sie einen Slogan von Linken in Bezug auf die von ihnen viel kritisierte Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte auf. Um ihre Unabhängigkeit zu bewahren, wolle sie vorerst parteilos bleiben. Auch wolle sie sich für die Aufhebung von Ungerechtigkeiten einsetzen - und dagegen, dass Menschen aus ihren angestammten Kiezen vertrieben würden, weil sie sich dort die Mieten nicht mehr leisten könnten. Potsdam dürfe seine kommunalen Grundstücke nicht mehr zum Höchstgebotsverfahren verkaufen: "Boden ist kein Gut wie jedes andere." Dieses Tafelsilber werde mit ihr nicht zur Haushaltssanierung verscherbelt. Sie wolle ihr Wahlprogramm mit der Linken und den Bürgern entwickeln. Zentrale Fragen der Stadtentwicklung wolle sie von Anfang an mit den Potsdamern besprechen und entscheiden. Potsdam solle bis 2026 "Hauptstadt der Kreativwirtschaft" werden, sagte sie. Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz werde sie sich als Oberbürgermeisterin entgegensetzen. "Wir dürfen der SPD nicht einfach die Landeshauptstadt überlassen", sagte sie. Viele Genossen spendeten Beifall.

 Mehr als eine Stunde wurde zur Geschäftsordnung debattiert

Bei der Mitgliederversammlung - traditionell in der Aula des Humboldt-Gymnasiums - war schon der Beginn bemerkenswert. Denn in einer hitzigen und teils verwirrenden Debatte zur Geschäftsordnung ging es mehr als eine Stunde darum, ob der Antrag von Pfrogner geheim abgestimmt werden sollte und wann das überhaupt passieren sollte. Pfrogner drohte zwischendrin mit einer Beanstandung aller Beschlüsse. "Hat die Linke denn nichts von Rechtsstaatlichkeit verstanden?", frage er zur Empörung vieler älterer Genossen wie etwa Stadtfraktionschef Scharfenberg. Eine Mehrheit für Pfrogners geforderte geheime Abstimmung fand sich indes nicht. 

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