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Reges Kommen und Gehen herrschte in vielen Wahllokalen.

© Andreas Klaer

Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Blick in die Wahllokale: So haben die Kandidaten gewählt

Das große Interesse an der Oberbürgermeisterwahl hatte sich abgezeichnet. Tatsächlich gaben mehr als die Hälfte der 141 000 Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Eine Reportage vom Wahlsonntag in Potsdam.

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Der erste Wähler kam eine Minute vor Acht. So erzählt es ein Wahlhelfer in Potsdam-West. Danach dann trafen die Wähler in Schüben ein, „manchmal 20 auf einmal“, sagt er. Ein stetes Kommen und Gehen an den Urnen – so erleben viele der 850 Wahlhelfer in den 131 Wahllokalen den Tag der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag, zumindest vor dem Regen am Nachmittag.

Bis 14 Uhr hatten 25 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben, mehr als vor acht Jahren. Insgesamt wurden es 53 Prozent Wahlbeteiligung, sieben Prozent mehr als bei der letzten OB-Wahl. Am Humboldt-Gymnasium in der Teltower Vorstadt bildeten sich vormittags sogar zeitweise Schlangen.

Es sei ihr nicht leicht gefallen, sich zu entscheiden, sagt eine Frau

Dass die Wahl von Jann Jakobs’ (SPD) Nachfolger nach 16 Jahren an der Spitze des Rathauses die Potsdamer interessiert, hatte sich schon an den zahlreichen gut besuchten Talkrunden gezeigt (PNN berichteten). Sie habe sehr viel vom Wahlkampf mitbekommen, erzählt etwa eine Frau, als sie mit Mann und Kindern vom Wählen aus der Voltaire-Schule kommt. „Mehr als sonst.“ Eine Veranstaltung mit allen Kandidaten am Nauener Tor habe sie verfolgt, Flyer gelesen und mit Freunden diskutiert. Es sei ihr nicht leicht gefallen, sich zu entscheiden.

So ging es auch einer Wählerin aus der Brandenburger Vorstadt mit ihrer fünfjährigen Tochter. In ihrer Familie sei am Vorabend noch heftig diskutiert worden, ob man strategisch wählen sollte – um die AfD zu schwächen.

"Wir haben Angst", sagt eine Potsdamerin, die den AfD-Kandidaten gewählt hat

In der Tat gibt es einige Viertel, in denen viele Wähler ohne Umschweife erklären, für die AfD gestimmt zu haben. So etwa eine Familie in Potsdam-West. Sie waren wählen, bevor beide zur Arbeit müssen – Gebäudereinigung. Sie hätten schlechte Erfahrungen mit Ausländern in ihrem Haus gemacht, „die“ seien laut und pöbelten rum. „Wir haben Angst“, sagt die Frau. „Und wir müssen unsere Frauen schützen“, fügt der Mann hinzu.

Stimmabgabe. Trotz regnerischen Wetters ging mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl.
Stimmabgabe. Trotz regnerischen Wetters ging mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zur Wahl.

© Manfred Thomas

In Waldstadt II berichtet ein Ehepaar, es sympathisiere mit der AfD. Die Frau betont: „Ich fühle mich hier nicht mehr sicher.“ Früher seien sie abends noch zu Fuß auf die Straße oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt gefahren. „Heute geht das nur noch mit dem Auto.“

Die parteilose Linke-Kandidatin Martina Trauth bei der Stimmabgabe. 
Die parteilose Linke-Kandidatin Martina Trauth bei der Stimmabgabe. 

© Manfred Thomas

Angelika und Peter Eckert haben auch in der Waldstadt II gewählt – und für Mike Schubert gestimmt. „Wir haben selber mitbekommen, dass sich die Stimmung bei vielen Nachbarn in Richtung AfD gedreht hat“, sagt sie. „Das hat uns erschreckt.“ Darum wollten beide ein Zeichen setzen.

In Sacrow gibt es nur 115 Wahlberechtigte - die Politik ist weit weg

In Sacrow dagegen scheint der Potsdamer Politikbetrieb weit entfernt. In der nördlichen Enklave und Potsdams kleinstem Wahlkreis gibt es nur 115 Wahlberechtigte. „Es ist schön hier. Die Potsdamer Politik ist weit weg – und das soll sie auch bleiben“, sagt einer von ihnen. Außer ein paar Plakaten habe man hier wenig vom Wahlkampf mitbekommen, findet Günther Krause, der seit 20 Jahren in Sacrow lebt und im Schloss an der Kasse sitzt. Bei der letzten Wahl haben hier trotzdem 98 Prozent der Berechtigten gewählt.

Mike Schubert, SPD-Kandidat, bei der Abgabe seiner Stimme zur Oberbürgermeisterwahl 2018.
Mike Schubert, SPD-Kandidat, bei der Abgabe seiner Stimme zur Oberbürgermeisterwahl 2018.

© Andreas Klaer

Kurzzeitig für Ärger sorgt am Vormittag bei einigen Wählern das Drachenfest im Volkspark: Um zum Wahllokal zu gelangen, müssen sie zur Da-Vinci-Gesamtschule auf die andere Seite des Parks. Allerdings können sie diesen nicht mehr durchqueren – außer sie zahlen den Festeintritt. Nach Beschwerden reagiert der Veranstalter des Fests, wer seine Wahlberechtigung zeigt, darf kostenlos durch.

Bei der Stimmabgabe geben sich die Kandidaten entspannt

Nicht alle wollten zum Wählen an die Urne: Mehr als 21 000 Potsdamer hatten Briefwahlunterlagen bestellt oder im Briefwahlbüro gewählt. Unter ihnen auch Lutz Boede, Kandidat der Wählergruppe die Andere: Als einziger der sechs Kandidaten hat er per Briefwahl abgestimmt.

Als erste Kandidatin wählte gestern Martina Trauth (parteilos), die für die Linke antrat, in Potsdam-West. Geschlafen habe sie gut, sagt Trauth. „Ich habe den ganzen Wahlkampf über außergewöhnlich gut geschlafen. Wahrscheinlich weil ich immer müde war.“

CDU-Kandidat Götz Friederich gibt seine Stimme in Babelsberg ab.
CDU-Kandidat Götz Friederich gibt seine Stimme in Babelsberg ab.

© Sebastian Gabsch

Aufgeregt sei sie nicht, sagt die grüne Kandidatin Janny Armbruster, als sie in der Zeppelin-Grundschule am späten Vormittag ihre Stimme abgibt. Passend zum Tag im grünen Kleid. „Ich bin zufrieden damit, wie der Wahlkampf gelaufen ist. Wir konnten mit viel Öffentlichkeit über grüne Themen sprechen“, sagt sie.

Grüne in Grün: Kandidatin Janny Armbruster gibt ihre Stimme ab. 
Grüne in Grün: Kandidatin Janny Armbruster gibt ihre Stimme ab. 

© Sebastian Gabsch

Auch der CDU-Kandidat Götz Friederich fühlt sich nicht besonders aufgeregt, als er in Babelsberg wählt. Mit Schal um den Hals, denn er sei ein wenig angeschlagen, der Wahlkampf war anstrengend. Aber: „Es war ein guter Wahlkampf. Wir haben viel Unterstützung bekommen und alles gegeben“, so Friederich.

Dennis Hohloch, Kandidat der AfD, wählt nachmittags in der Waldstadt. Er fühle sich gut, sagt er. Seine Wahlparty allerdings habe er kurzfristig an einen geheimen Ort verlegen müssen. Nachdem die Adresse des Steakhouses in Babelsberg, wo diese stattfinden sollte, veröffentlich wurde, habe sich die Antifa angekündigt.

Seine Stimme für seinen Nachfolger. Noch-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bei der Wahl. 
Seine Stimme für seinen Nachfolger. Noch-Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) bei der Wahl. 

© Manfred Thomas

Als letzter der Kandidaten gibt Mike Schubert am Nachmittag seine Stimme in Golm ab. Der SPD-Mann gibt sich gelassen – morgens habe er mit seinen Kindern beim Herbstlauf in Golm teilgenommen, nun gehe es noch zu einem Handballspiel. „Wir werden sehen“, bleibt er noch vage.

Für Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) geht seine zweite Amtszeit dem Ende zu. Ein wenig komisch sei es schon, sagt er, seinen eigenen Nachfolger mitzuwählen. „Aber ich habe es ja selbst so gewollt.“

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