zum Hauptinhalt
Oberbürgermeisterwahl, Potsdam, OB-Wahl Potsdam

© Manfred Thomas

Oberbürgermeisterwahl: Ein Tag mit CDU-Kandidat Götz Friederich

Wer sind die Frauen und Männer, die Potsdam regieren wollen – und was treibt sie an? Wo sind ihre Stärken und Schwächen? Wie leben sie? Die PNN haben alle sechs Oberbürgermeister-Kandidaten einen Tag begleitet. Heute: Götz Friederich (CDU).

Von Valerie Barsig

Er ist der Fruchteis-Typ. Nicht der Bodenständige, der Schokoladen- oder Vanilleeis bestellt. Sondern der, der mit Pfirsicheis oder einer Kugel Zitrone gedanklich in die Ferne schweift, zum Beispiel nach Italien. Rom, das sei – nach Potsdam – seine Lieblingsstadt, erzählt Götz Friederich, während er drei Kugeln Eis in beachtlicher Geschwindigkeit in sich hineinlöffelt. Dabei ist er im hohen Norden aufgewachsen, 1996 hat es den CDU-Oberbürgermeisterkandidaten von Hamburg nach Potsdam geführt. Die Stadt habe ihn direkt gepackt, sagt er und erinnert sich an diesen grauen Novembertag Anfang der 1990er Jahre. Der Nieselregen tröpfelte auf die Autoscheibe und der gelbe Schleier des Schwefels der Kohleöfen wurde von den Scheibenwischern beiseite gewischt. „Die Stadt war wie Dornröschen“, sagt Friederich. Eine verborgene, verblasste Schönheit sei es gewesen, die da vor ihm lag. Diese besondere Aura habe ihn sofort in den Bann gezogen.

An diesem heißen Sommertag, an dem er sich begleiten lässt, erzählt er die Geschichte wie ein Märchen. 

Aufgeregt sei er im Vorhinein des Termins an diesem Tag gewesen, die Kandidatur, die Presse – er komme ja ursprünglich nicht aus der Politik. Das betont er, während er in seinem Garten in Babelsberg steht und auf die Alte Neuendorfer Kirche zeigt, die man in der Ferne sehen kann. Dabei ist Friederich, der schon seit Jugendjahren seinen zweiten Vornamen Thorsten mit „Th.“ abkürzt – „ich fand das damals irgendwie schick“– seit Jahren politisch aktiv: Als CDU-Mitglied, als Stadtverordneter und als Vorsitzender des Wirtschaftsrats. Seit Mai arbeitet er täglich mit seinem zehnköpfigen Team bis zu fünf Stunden für den Wahlkampf. Schlaf bekomme er derzeit wenig. Trotzdem: Der Wahlkampf mache Spaß. Sogar großen.

Eine politische Krise hat er bereits überstanden

Friederich ist kampferprobt. Eine politische Krise hat er bereits hinter sich: 2008 fiel er den Lagerkämpfen der Potsdamer CDU zum Opfer, landete auf dem letzten Listenplatz zur Kommunalwahl. Hinfallen und wieder aufstehen – das könne er, sagt Friederichs guter Freund, Wolfgang Wien, Chef des Stabes der deutschen militärischen Vertretung beim NATO-Militärausschuss und der EU in Brüssel.

Hat ihn das Jahr 2008 also abgehärtet, falls es doch nicht klappt mit dem Amt? „Ich werde OB“, stellt Friederich klar. Aber ernsthaft: Er arbeite in der tollsten Kanzlei, die er sich vorstellen könne, und sei mit sich im Reinen. Sein Engagement in der Stadt werde weitergehen – so oder so. Mit Leidenschaft und Herz sei Friederich bei der Sache, sagt auch Wien. Gesunder Ehrgeiz sei vorhanden. Hauptberuflich arbeitet Friederich als Anwalt – die Sozietät Kraft & Friederich ist in einer Villa in der Jägervorstadt untergebracht.

Mit dem Auto geht es an diesem Morgen gen Golm zum ersten Termin – eine Start-up-Beratung im Gründerzentrum Go:In, die Friederichs Kanzlei regelmäßig veranstaltet. Solche Termine nimmt er gern wahr, erzählt er, während er höflich die Autotür öffnet. Friederich ist ein Kümmerer. Höflichkeit ist ihm wichtig. Er ist aber auch ein Beobachter: Während in Golm drei Start-up-Teams ihre Ideen zum Besten geben, hört er nicht nur auf jedes Detail, er analysiert auch, wer vor ihm steht. Er achtet auf die Bewegungen, die Kleidung, den Ausdruck. Während er zu den Teilnehmern spricht, ist er in seinem Element: „Markt! Fokus! Absatz!“ Das Sakko wandert auf den Stuhl, Friederich gestikuliert, aber nicht wild, sondern klar und geübt. Er gibt Tipps, ist direkt. Potsdam, so sagt er zwischendurch, das sei ein Inkubator. „Solche jungen Gründer zu beraten, macht mir Spaß.“ Das sei seine Motivation, auch für das Amt, für das er nun kandidiert. 

Mehr Gewerbeflächen in Potsdam, Wirtschaftsförderung, das hat er sich auf die Fahnen geschrieben. Ebenso einen Masterplan für die Stadt, ein besseres Verkehrskonzept, mehr private Bildungsträger, Sport- und Kulturförderung, eine bessere Vernetzung mit den Umlandgemeinden, mehr sozialen Wohnraum durch die Pro Potsdam.

Die jungen Gründer sagen in einer Pause, Friederich wäre schon ein Typ für das Oberbürgermeisteramt. Sie alle arbeiten und wohnen nicht in Potsdam, wussten bisher nicht, dass der Mann, der ihnen eben noch Tipps zur Firmengründung gab, politisch aktiv ist. „Aber er wirkt eben auch wie ein Anwalt“, sagt einer. Nicht dynamisch, eher ein wenig trocken. Wenn er aber die Gründerszene in Potsdam voranbringen wolle, schiebt er hinterher, „dann ist das wichtig und ein gutes Portfolio“.

Vor der Kandidatur gab es Bedenkzeit

Friederich indes bekommt von diesem Gespräch nichts mit: Er ist aus dem Raum gesprintet, weil er Golm-Managerin Agnes von Matuschka draußen erspäht hat. Er ist ein Netzwerker, nutzt den Moment. Im Auto, bevor es zum nächsten Termin geht – Mittagessen und ein Vortrag beim Rotary Club im Mercure –, berichtet er von seiner Entscheidung zur Kandidatur. CDU-Kreischef Steeven Bretz habe ihn zuerst gefragt. Er habe sich Bedenkzeit erbeten, mit seiner Frau, seinen beiden Söhnen und Freunden gesprochen. Er hat abgewägt. Bretz hält Friederichs Bewerbung um das Amt für erfolgversprechend, Friederich selbst sagte noch im Januar, man werde es als CDU-Kandidat in Potsdam nicht einfach haben. Und Potsdams CDU-Fraktionsvorsitzender Matthias Finken gibt zu: „Er könnte hier und da etwas mehr aus sich herausgehen und sein wahres Temperament zeigen.“ Finken findet aber auch, mit Friederich habe man einen sehr überlegt handelnden Kandidaten aufgestellt, der sich überzeugt für seine Stadt einsetze. Friederich denke anders, weil er aus der Wirtschaft komme, sagt Klaus Rietz (CDU/ANW), der stellvertretende Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung. Das tue Potsdam gut. „Friederich ist geradeheraus und ehrlich.“ Er sei jemand, der zu dem stehe, was er sagt.

„Nach einem langen Spaziergang mit meiner Frau durch die Sächsische Schweiz habe ich mich für die Kandidatur entschieden“, erzählt Friederich. Ilona, mit der er bereits seit 30 Jahren verheiratet ist, habe gesagt: „Du bist, wie Du bist.“ Damit sei die Sache beschlossen gewesen. Dass die Entscheidung die richtige gewesen sei, zeigten die 97 Prozent Zustimmung für ihn als Kandidaten in der internen Abstimmung, nachdem sich die Partei über Jahre zerfleischt habe, sagt er. Die große Zustimmung, die er erhielt, betont er immer wieder. In Potsdam, so Friederich, herrsche jetzt Wechselstimmung, davon ist er überzeugt.

Mit Vespa und Ahoi-Brause

Dass er manchmal unnahbar wirkt, weist er von sich. Er berichtet von seinem Engagement als Lektor der Evangelischen Kirchengemeinde Babelsberg, der Vorstandstätigkeit bei der Potsdamer Sport-Union 04, seiner Hilfe bei der Rettung des SV Babelsberg 03 im Jahr 2011, von seinen Skat- und Doppelkopf-Herrenrunden. Man merkt: All das liegt ihm am Herzen. Ebenso wie seine Vespa. Normalerweise rauscht er auf der cremefarbenen Maschine von Termin zu Termin. Gerade habe sie aber sein Sohn geliehen. Immerhin: Eine Ledertasche mit Vespa-Symbol hat Friederich dabei. Ein Feuerzeug und eine kleine Standuhr der Firma gibt es in seinem Büro. Ebenfalls auf seinem Schreibtisch: Ein Glas mit Ahoi-Brause.

Kein Hamburger Pfeffersack

Den Hanseaten hat Friederich nie abgelegt. Er sei dem Brandenburger ohnehin sehr nah, meint er: „Beide machen nicht so viel Gedöns. Sie kommen auf den Punkt.“ Ein bisschen Hamburger Flair findet sich auch bei Friederich zu Hause. In seinem Arbeitszimmer steht der alte verschnörkelte Holzschreibtisch seines Großvaters. Der war Kaufmann, ebenso wie sein Vater. Von einer Speicherstadt-Dynastie könne aber keine Rede sein. Sein Großvater sei kein „Hamburger Pfeffersack“ gewesen. Mit seinen Großeltern fühlt sich Friederich verbunden. Am Geburtstag der Großmutter habe er seine Bewerbung zum Oberbürgermeister eingereicht. An seine Mutter wiederum erinnert ein Foto in seinem Büro. Es ist schlicht gerahmt, ein wenig körnig. Zu sehen sind alte Freimaurersymbole: Der Flammenstern, darin das alles sehende Auge. Und das Kanzeldach in der Kirche in Hollenstedt, Niedersachsen. Dort sei seine Mutter Organistin gewesen, oft habe er dort der Orgel gelauscht und irgendwann das Foto gemacht, erzählt Friederich. Glaube, Philosophie, das Prinzip der Uneigennützigkeit: Das sind Themen, die ihn beschäftigen.

All das will nicht zum Bild des trockenen Anwalts passen, das viele von ihm haben und das er immer wieder mit Freude durchbricht. Friederich ist nahbar, wenn er will. Einer, der sein Gegenüber „sieht“, wie sein Freund Wien sagt. Friederich ist aber auch einer, der genau weiß, wo er sich bewegt. Im Mercure-Hotel an den weißbetuchten Tischen zum Mittagessen des Rotary-Clubs parliert er fröhlich, scherzt mit Wolfhard Kirsch vom Bürgerbündnis, der ihn mit „Hallo Herr Bürgermeister“, begrüßt. „Oberbürgermeister“, gibt Friederich zurück. Nach dem Essen soll er einen – unpolitischen – Vortrag halten. Über sich. 20 Minuten, nicht länger. Lässig lehnt sich Friederich gegen den bereitgestellten Tisch, legt die Armbanduhr bereit. Ein Blatt mit Notizen liegt vor ihm, er braucht es aber nicht. Wirtschaftsförderung, das Tourismuskonzept, die Sanierung der Kirche am Neuendorfer Anger, seine Gänsehaut damals beim ersten Glockenläuten, als das „Wunder von Babelsberg“ übergeben wurde – 15 Rotarier hören ihm zu, hinterher gehen mehrere mit lobenden Worten aus dem Raum.

Anschließend geht es mit dem Auto in die Templiner Vorstadt, zum Trainingsgelände der Potsdamer Sport-Union 04. Dort hat im – wie der stolze Erste Vorsitzende Friederich betont – abbezahlten Vereinsheim gerade ein Italiener aufgemacht. Mit ihm und dessen Frau ist Friederich per Du – auf das frisch gemachte Eis im Becher besteht er. Er sei ein großer Eisesser, sagt Friederich. Stolz schreitet er mit dem Eis in der Hand in den Flur hinter den Gasträumen und öffnet mit seinem Schlüssel die Tür zur Geschäftsstelle des Vereins. Aufgeräumt ist es, an der Pinnwand hängen fein säuberlich mehrere Blätter. Auch eines, auf denen die Aufgabenfelder des Vorstandes stehen – vom Vereinsvorsitzenden bis zum Schatzmeister. 

Visionen für einen Sportverein

Draußen zeigt Friederich das Hockeyspielfeld, den alten Teppich, der eine Generalüberholung braucht, und die am Rand des Feldes deponierten Teile der ehemaligen aufblasbaren Tennishalle von TC Rot Weiß. Sie soll künftig den Hockeyspielern als Wintertrainingsplatz dienen. Ohne städtische Hilfe habe er gemeinsam mit den Vereinsverantwortlichen die Halle organisiert. Dass man mit Engagement und Hartnäckigkeit auch ohne Hilfe von offizieller Seite eine Menge erreichen kann, das ist ihm wichtig zu sagen. Auf einer noch überwucherten Fläche am Rande der Spielfelder könne die Halle ab dem Winter stehen. Derzeit suche man nach Sponsoren, mit deren Hilfe die Fläche planiert werden kann.

Große Entscheidungen am unscheinbaren Tisch

Als es wieder losgeht, zum Auto, zeigt Friederich auf einen hohen Holztisch, der vor dem Restaurant zwischen Bierbänken auf der Terrasse steht. Vermutlich gehörte er einmal zu einer Kneipeneinrichtung. Den Tisch, sagt Friederich, habe es auf dem Gelände schon gegeben, als es den Verein noch nicht mal gab. So ganz weiß niemand, wie er dem Sperrmüll entronnen ist. Aber: „An diesem Tisch werden im Verein die großen Entscheidungen gefällt“, scherzt er. Vielleicht denkt er dabei auch an die Wahl am 23. September, denn dann wird das Vereinsheim zum Wahllokal – und vielleicht steht die Urne dann genau auf jenem alten Tisch.

Das ist der Abschluss unserer Serie. Reihenfolge und Autoren haben wir per Los bestimmt.

Zur Startseite