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Landeshauptstadt: Nur den Turm als Original

Landeskonservator Drachenberg plädiert für moderne Architektur am Kirchenschiff der Garnisonkirche

Innenstadt - Im Streit um den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonkirche hat Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg eine vermittelnde Idee ins Spiel gebracht. Auf einem Gesprächsabend in der evangelischen Kirche von Wilhelmshorst am Mittwochabend sagte Drachenberg, er könne sich vorstellen, dass nur der Turm der ehemaligen Militärkirche, nicht jedoch das Kirchenschiff, äußerlich originalgetreu wiederaufgebaut werde. Diesen Vorschlag unterbreite er jedoch ausdrücklich nicht in seiner Funktion als Landeskonservator, sondern als Mitglied der evangelischen Kirche, sagte Drachenberg. Anstelle des ursprünglichen Kirchenschiffs könnte dem Vorschlag zufolge ein Neubau in moderner Formensprache entstehen.

Alternativ zu dem von ihm vorgeschlagenen zeitgenössischen Bau, so Drachenberg, sei es auch denkbar, dass der Platz, auf dem einst das Kirchenschiff stand, für eine Bebauung in späteren Zeiten freigehalten werde. Als Landeskonservator verwundere es ihn, dass in der Öffentlichkeit keine Vorschläge für eine zeitgenössische Interpretation des einstigen Gotteshauses diskutiert werden. Brüche in der Geschichte sollten auch im Stadtbild sichtbar sein, sagte der Kunsthistoriker.

Zu der Veranstaltung in Wilhelmshorst hatte die frühere Garnisonkirchenpfarrerin und jetzige Pastorin der Wilhelmshorster Kirchengemeinde, Juliane Rumpel, eingeladen. Etwas mehr als 20 Menschen waren dieser Einladung gefolgt. Drachenberg, der zugleich Vorsitzender des Gemeindekirchenrates in Langerwisch ist, erklärte, dass er in seiner Funktion als Denkmalpfleger sogar den äußerlich originalgetreuen Aufbau des Turms als problematisch erachte. Zugleich unterstütze er jedoch die inhaltlichen Ideen, die von kirchlicher Seite mit dem Bauprojekt verbunden werden. Versöhnungsarbeit an diesem Ort sei schließlich zu begrüßen. Drachenberg kritisierte zugleich die Schärfe, mit der zurzeit die Debatte über den Wiederaufbau geführt werde. Er sprach gar von einer radikalisierten Diskussion, ohne allerdings konkrete Schuldzuweisungen vorzunehmen. Die Diskussionsfähigkeit müsse wiederhergestellt werden, damit sachlich über das Projekt gestritten werden könne.

Eine Bürgerinitiative, die für ein Potsdam ohne Garnisonkirche wirbt, hat eigenen Angaben zufolge in einem Bürgerbegehren mittlerweile knapp 14 000 Unterschriften gesammelt. Sie will erreichen, dass die Stadt Potsdam auf die Auflösung der zum Wiederaufbau des Gotteshauses gegründeten Stiftung hinwirkt (PNN berichteten). Zu dieser Forderung steht, wenn das Begehren erfolgreich ist, vermutlich ein Bürgerentscheid an.

Drachenberg formulierte seine Bedenken am Mittwoch mit einer gewissen Zurückhaltung und einer dennoch deutlichen Tendenz: „Die Frage ist, ob wir wirklich ein neues Kirchengebäude in Potsdam brauchen“, erklärte der Landeskonservator. Dies münde letztlich in der Frage, „ob eine teure Kopie nötig“ sei, „um über Versöhnung nachzudenken“. Selbst Pfarrerin Rumpel, immerhin ab 2011 knapp drei Jahre lang Pfarrerin am Ort der einstigen Garnisonkirche, äußerte in dem Gesprächsabend ähnliche Bedenken wie Drachenberg: „Ich bin nicht endgültig davon überzeugt, dass es die Rekonstruktion dieser Kirche sein muss“, sagte die Theologin. Sie plädierte jedoch dafür, der evangelischen Kirche die Deutungshoheit über diesen Ort zu lassen, der das geistliche Leben in Potsdam und weit darüber hinaus für mehrere Jahrhunderte geprägt hat. Rumpel erinnerte daran, dass in der Garnisonkirche am Reformationstag des Jahres 1817 reformierte und lutherische Christen im Rahmen der Preußischen Union das erste gemeinsame Abendmahl feierten. „Bis heute existiert der Kelch, der damals zum Abendmahl gereicht wurde“, sagte Rumpel.

Auch Drachenberg hob den Wert der ehemaligen Garnisonkirche hervor: „Ein unersetzlicher Verlust für die Potsdamer Baugeschichte“ sei das Verschwinden des Gotteshauses gewesen – wobei er ausdrücklich auf die Bedeutung des Wortes „unersetzlich“ hinwies. Aus Sicht der Denkmalpflege könne eine Kopie niemals das Original ersetzen. In seinem Berufsstand gelte vielmehr der Spruch: „Weg ist weg.“ Ein Denkmal müsse Geschichten erzählen können. Etwa Geschichten von den handwerklichen Fähigkeiten der Erbauer oder den Gebrauchsspuren der Nutzer. Ein rekonstruiertes Gebäude könne von solchen Geschichten aus vergangenen Zeiten nicht berichten. Die evangelische Kirche müsse zudem erklären können, warum andere Gotteshäuser in ländlichen Gebieten Brandenburgs verfallen, während in Potsdam Geld für die Rekonstruktion einer verlorenen Kirche gesammelt werde. „In anderen Ecken herrscht eher die blanke Not“, sagte der Landeskonservator.

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