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Abgerissen. Wo einst Häftlinge einsaßen, parken heute Autos. Repro: Andreas Klaer

© Andreas Klaer

NS-Zeit in Potsdam: Geschichte des Potsdamer Polizeigefängnisses erforscht

Die Geschichte des Potsdamer Polizeigefängnisses wurde nun erstmalig erforscht. Viele Juden und Oppositionelle kamen von dort ins Konzentrationslager Sachsenhausen.

Von Birte Förster

Potsdam - Es sind individuelle Schicksale wie das des Oppositionellen Hansjoachim von Rohr, der im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 festgenommen wurde, oder des jüdischen Künstlers Fritz Ascher, der im Zuge der Reichspogromnacht 1938 in Potsdam inhaftiert wurde, die den Blick auf ein vergessenes Kapitel der Potsdamer Geschichte offenlegen: die Zeit des ehemaligen Polizeigefängnisses. Juden und Oppositionelle wurden dort während des Nationalsozialismus inhaftiert, aber auch zu DDR-Zeiten durch die Stasi verhaftete Oppositionelle landeten in dem Gefängnis. Die Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße hat die bislang unbekannte Geschichte des Polizeigefängnisses umfangreich erforscht. Die daraus entstandene Publikation mit dem Titel „Sechs Wochen sind fast wie lebenslänglich“ mit Fotos, Zeitzeugenberichten und historischer Einordnung wurde am Freitag im Brandenburger Innenministerium in Potsdam vorgestellt. Der Katalog ist eine Ergänzung zur Ausstellung, die im vergangenen Jahr in der Gedenkstätte Lindenstraße zu sehen war.

2002 wurde das Polizeigefängnis abgerissen

„Dieser Ort fokussiert die Ambivalenz unserer Geschichte“, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) in seiner Ansprache. Kaum jemand habe etwas über das Polizeigefängnis gewusst, sagte Potsdams Kulturbeigeordnete Noosha Aubel (parteilos). „Auf einmal werden bislang unbedachte Zusammenhänge klar.“ Uta Gerlant, Leiterin der Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße, verwies auf die Tatsache, dass die Vorstellung der Publikation an dem historischen Ort stattfinde. Denn auf dem Gelände des Innenministeriums in der Henning-von-Tresckow-Straße, bis 1945 Priesterstraße und zu DDR-Zeiten in Bauhofstraße umbenannt, befand sich das Polizeigefängnis, das 2002 abgerissen wurde. Heute befindet sich an der Stelle ein Parkplatz.

Bisher habe es noch keine dezidierte Ausstellung oder Publikation über diesen Ort gegeben, betonte Gerlant. Entstanden sei die Idee im Rahmen einer Retrospektive über den jüdischen Künstler Fritz Ascher. Nach seiner Festnahme kam er zunächst in das Polizeigefängnis in der damaligen Priesterstraße. Von dort aus wurde er später in das Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert.

Der Eindruck entstand, dass das Gefängnis undokumentiert verschwunden ist

Zusammen mit Jutta Götzmann, Direktorin des Potsdam Museums, sei sie auf die Idee gekommen, auch die Geschichte des Polizeigefängnisses näher zu beleuchten, erzählte Gerlant. Die Ausarbeitung lief zudem in Kooperation mit dem Museum Charlottenburg-Wilmersdorf. Unter den Nationalsozialisten wurde das 1925 gebaute Gefängnis ab 1934 vergrößert. Laut Kuratorin Astrid Homann verfügte das Gefängnis später über 100 Einzelzellen; sowie Gemeinschaftszellen für 24 Gefangene. Das Gefängnis war aufgrund der steigenden Zahlen der Inhaftierten dauerhaft überfüllt. Es herrschten katastrophale hygienische Zustände, außerdem hungerten die Inhaftierten und erhielten keine angemessene medizinische Versorgung, wie aus der Publikation hervorgeht. Der Ausstellungseröffnung und der Publikation ging eine umfangreiche Recherche voran. Homann forschte in Bundes-, Landes- und Stadtarchiven und startete einen Aufruf, um Zeitzeugen ausfindig zu machen. Eine Zeit lang habe sie den Eindruck gehabt, dass der Ort undokumentiert verschwunden sei, schilderte die Historikerin die schwierige Recherche. Schließlich kamen viele Dokumente und Fotos zusammen. Dennoch: Mit der Publikation sei die Geschichte des Ortes noch nicht vollständig aufgearbeitet, so Projektleiterin Gerlant. „Wir haben die ersten Fakten erhoben, möchten aber, dass der Prozess weitergeht.“

— Stiftung Gedenkstätte Lindenstraße: „Sechs Wochen sind fast wie lebenslänglich“ Das Potsdamer Polizeigefängnis Priesterstraße/Bauhofstraße. 88 Seiten, 8 Euro, erhältlich über die Stiftung

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