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Landeshauptstadt: „Noch zu oft dem Zufall überlassen“

Reiner Nagel, Vorstandschef der Baukulturstiftung, empfiehlt der Stadt eine systematisierte Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten

Am Montag fand der zweite Werkstatttermin zur Zukunft des Lustgartens statt, am vergangenen Donnerstag diskutierten Bürger beim Stadtforum über die Garnisonkirche. Trotzdem hat Potsdam in Sachen Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten Nachholbedarf, meint Reiner Nagel, Vorstandschef der in Potsdam ansässigen Bundesstiftung Baukultur. „Bürgerbeteiligung ist noch zu oft dem Zufall überlassen und auf zu viele Schultern verlagert“, sagte Nagel den PNN am Rande des zweitägigen Konvents der Baukultur, der am Montag zu Ende gegangen ist. Die Einbeziehung möglichst aller Betroffenen in die Diskussion um Bauprojekte müsse von Stadtseite kontinuierlicher geplant werden: „Die Stadt könnte ein systematisches Beteiligungstool, ein Portfolio von Bürgerbeteiligungswerkstätten entwickeln“, erklärte Nagel. Er hatte bereits beim Stadtforum zur Garnisonkirche Versäumnisse der Projektplaner bei der Bürgerbeteiligung beklagt (PNN berichteten).

Echte Beteiligung müsse „ergebnisorientiert und mit offenem Visier“ stattfinden, sagte Nagel am Montag: „Es muss eine Entscheidungsmöglichkeit geben.“ Sei das nicht der Fall, könne das zu Frust führen: „Alle sind sauer, weil sich nichts ändert.“ Ein Beispiel dafür ist die Situation beim Projekt Garnisonkirche: „Da wird über den Wiederaufbau strittig diskutiert zu einem Zeitpunkt, an dem die Baugenehmigung schon erteilt ist, also nicht zur Entscheidung steht.“

Bürgerbeteiligungsverfahren müssten frühzeitig beginnen, „viel früher als das Bebauungsplanverfahren, weil es sonst bei Beteiligten schon die Haltung gibt, dass alles fertig ist“, rät der Architekturexperte. Er spricht von der sogenannten „Phase Null“ eines Bauvorhabens, die gestärkt werden müsse: Dabei müsse es für die Planer darum gehen, vorab das gesamte Projektumfeld zu beleuchten, „Zustimmung, Kritik oder Ablehnung in der Bevölkerung wahrzunehmen und sich zu fragen: Wie bringen wir die an einen Tisch, um konsensual oder mit dem geringsten Konfliktpotenzial zu bauen?“

Dass ein strukturierter Beteiligungsprozess wichtig für mehr Baukultur ist, betont die Bundesstiftung, die ihren Sitz in der Schiffbauergasse hat, auch in ihrem auf dem Konvent vorgelegten ersten Baukulturbericht. Auch wenn der Zeitaufwand durch solche Beteiligungsverfahren zunächst wachse, „minimiert die anfängliche Sorgfalt spätere Restriktionen, Mehrkosten und Konflikte und führt schließlich zu Zeitersparnis“, heißt es in der 130-seitigen Publikation.

Entscheidend bei Beteiligungsverfahren sei eine Begleitung durch die öffentliche Hand, andernfalls wachse die Gefahr, „dass durchsetzungsstarke gesellschaftliche Gruppen spezielle Interessen forcieren und ein tatsächlicher gesellschaftlicher Aushandlungsprozess nicht stattfinden kann“. Wichtig sei es, auch solche Gruppen zur Mitsprache zu motivieren, die sich selbst nicht in der Verantwortung oder in der Lage dazu sehen. Bei Beteiligungsverfahren gehe es nicht um die „unreflektierte Umsetzung von Wünschen“, betont die Baukulturstiftung, sondern darum, mögliche Konflikte zwischen Planungsverantwortlichen und Bewohnern aus dem Weg zu räumen.

Die Bundesstiftung Baukultur hat fünf feste Mitarbeiter und bis zu fünf weitere Projektmitarbeiter. Ziel ist die Förderung von Baukultur und des öffentlichen Austausches darüber. Jana Haase

Am Montag eröffnete die Baukulturstiftung in der Schiffbauergasse 3 die Fotoausstellung „Räume + Menschen“. Sie ist bis 17. Dezember jeweils montags bis donnerstags 10 bis 16 Uhr zu sehen. Reiner Nagel diskutiert am Samstag, 22. November, ab 14 Uhr beim „1. Potsdamer Baukultursalon“ in der Waschhaus-Arena unter anderem mit der Künstlerin Mary Bauermeister und Klaus Töpfer, dem Chef des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS über Kunst am Bau.

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