zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Nicht nur Autos teilen

Bis zu 40 Carsharing-Fahrzeuge gibt es in Potsdam – auch nichtkommerzielle Anbieter mischen mit

Es war im Winter 2012, als Joos van den Dool durch die verschneiten Straßen in Potsdam-West spazierte und dabei eine Beobachtung machte: „Mir fiel auf, wie lange der Schnee schon auf vielen Autos lag“, sagt der 37-jährige Stadtplaner und Moderator. „Manche davon wurden wochenlang nicht bewegt.“ Eine einfache Idee kam ihm in den Sinn: Warum nicht die bereits vorhandenen Autos öfter nutzen und somit zusätzlichen Verkehr und Parkraummangel vermeiden?

Gesagt, getan: Im April 2013 gründete van den Dool das nachbarschaftliche Carsharing-Netzwerk „Stadtteilauto“, das 2014 mit dem Klimapreis der Stadt Potsdam ausgezeichnet wurde. Neun Autos und drei Lastenräder stehen bislang zum gemeinschaftlichen Gebrauch zur Verfügung, 140 Personen – die meisten davon aus Potsdam-West – nutzen das Angebot.

Die Grundidee von Carsharing ist simpel: Wozu einen eigenen Wagen kaufen, wenn man sich doch ein Auto mit vielen anderen teilen kann, indem man es nur dann benutzt, wenn man es braucht? Die Macher von „Stadtteilauto“ sind nicht die Einzigen, die auf diese Idee gekommen sind: Insgesamt sechs Carsharing-Anbieter gibt es in Potsdam. Zwei davon – „Greenwheels“ und „Flinkster“, das Carsharing-Angebot der Deutschen Bahn – sind professionelle gewerbliche Anbieter, während auf den Plattformen „Autonetzer“, „Tamyca“ und „Nachbarschaftsauto“ Potsdamer ihre Privatwagen zur Verfügung stellen.

Die Fahrzeuge von „Flinkster“ – Ford Fiesta und Citroen DS3 – und „Greenwheels“ – hauptsächlich Volkswagen – befinden sich bis auf eines am Hauptbahnhof und müssen am Ende der Tour wieder zur Ausgangsstation zurückgefahren werden. Öffnen kann man die Fahrzeuge nach der Online-Buchung per Kundenkarte. Anders funktionieren die privaten Anbieter: Deren Autos sind in der Stadt verteilt, Schlüsselübergabe und Nutzungsdauer müssen mit den jeweiligen Besitzern vorher vereinbart werden. Die Preise lassen sich nur schwer vergleichen: „Greenwheels“ etwa nimmt je nach Fahrzeugtyp 1.99 Euro oder 3.99 pro Stunde, bei „Autonetzer“ kosten 24 Stunden Nutzung zwischen 15 und 45 Euro.

Bei „Stadtteilauto“ wird pro Kilometer abgerechnet, einer kostet zwischen 25 und 30 Cent. Das Besondere dabei: Die jährlichen Fixkosten werden auf die gefahrenen Kilometer im Jahr umgelegt. Das heißt, je öfter das Auto gefahren wird, desto stärker verringert sich der Preis beim Ausleihen. „Das Netzwerk ist nichtkommerziell und soll keine Gewinne machen“, sagt van den Dool. Das Hauptziel sei es, durch das lokale Carsharing nachbarschaftliche Gemeinschaft und Solidarität zu stärken: „Wir teilen nicht nur Autos, wir teilen Werte.“

Ähnlich sieht das Ingo Baumstark, der seinen Skoda Roomster über „Stadtteilauto“ bereitstellt: „Als ich früher in einer WG gelebt habe, haben wir uns alle ein Auto geteilt“, sagt der 41-jährige Potsdamer. „Das Nachbarschaftsleben hier im Kiez hat mich motiviert, bei Stadtteilauto mitzumachen.“ Ein Großteil der Netzwerk-Teilnehmer kennt sich persönlich, aber natürlich wird auch zwischen den Nachbarn vor jeder Auto-Leihe ein Vertrag abgeschlossen.

In der „Flotte“ von „Stadtteilauto“ befinden sich unterschiedlichste Gefährte: Vom VW Golf Baujahr 1996 über einen Mercedes Sprinter bis zum Elektro-Lastenrad. Baumstarks Skoda wurde schon bis zu vier Tage lang von jemand anderem gefahren. „Zum Beispiel für Familienausflüge, als Einkaufsauto oder für Umzüge“, zählt er auf. Das führe zur Reduzierung des Verkehrs: „Zwei Nachbarn von mir mussten ihren alten Wagen zum TÜV bringen und wussten, dass da Kosten auf sie zukommen würden“, erzählt Baumstark. „Aber als sie von Stadtteilauto erfuhren, haben sie den Wagen einfach abgemeldet.“ Van den Dool hatte ein ähnliches Erlebnis: „Ein Nutzer hat zu mir gesagt: Wenn es dieses Netzwerk hier gibt, dann kaufe ich gar mir kein Auto.“

Auch die Stadtverwaltung hat das Thema Carsharing aufgrund des wachsenden Verkehrs längst entdeckt und plant dieses Jahr eine Mobilitätsagentur zu gründen, unter anderem, um Bürger zum Thema Carsharing zu beraten. Doch laut van den Dool habe es vonseiten der Stadt noch keine Kontaktaufnahme gegeben: „Wir würden aber gerne mit der Stadt und kommunalen Unternehmen zusammenarbeiten.“ Eine Kooperation gibt es bereits mit dem Stadteilnetzwerk Potsdam-West.

Zusammen kommen alle Potsdamer Anbieter auf etwa 30 bis 40 Autos – ein Schätzwert, da die privaten Autoteiler mitunter auf mehreren Carsharing-Plattformen mit demselben Auto vertreten sind. Das ist relativ wenig, wenn man bedenkt, dass in der Carsharing-Hauptstadt Berlin über 2000 Fahrzeuge von rund einem Dutzend nicht-privater Anbieter zur Verfügung stehen. „Mit Carsharing Geld zu verdienen ist schwierig, das lohnt sich erst ab einer großen Masse“, sagt van den Dool. Laut einer Bahn-Sprecherin seien die beiden „Flinkster“-Autos in Potsdam zu 50 Prozent ausgelastet. Die „Greenwheels“- Autos würden „fast täglich“ genutzt, so ein Unternehmenssprecher.

Und wie steht es um durchaus mögliche schlechte Erfahrungen mit Auto-Ausleihern? Zumindest „Stadtteilauto“-Gründer van den Dool kann keine negativen Erlebnisse berichten – im Gegenteil: „Unser Auto kam auch schon mal gewaschen und geputzt wieder zurück.“

Zur Startseite