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Hier ist Schluss. Viele hatten sich an der Stelle eine Rampe gewünscht, doch das wurde aus ästhetischen Gründen abgelehnt. Kompromiss sollte der Aufzug sein – doch der ist nur für wenige nutzbar.

© Andreas Klaer

Nicht barrierefrei: Das neue Ufer an der Alten Fahrt: Alte Fahrt nur mit Spezialschlüssel zugänglich

Der neue Aufzug zur Uferpromenade an der Alten Fahrt funktioniert nur mit einem Schlüssel, der extra in Darmstadt für 20 Euro bestellt werden muss. Auch ein Hinweisschild gibt es nicht.

Von Katharina Wiechers

Potsdam - Luftballons waren aufgehängt, ein rotes Band wurde feierlich durchschnitten und sozusagen als Eröffnungsakt fuhren Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) und Sanierungsträger-Chef Horst Müller-Zinsius sogar eine Runde mit dem neuen Aufzug. Mit viel Aufhebens wurde der neue Lift zur Havelpromenade an der Alten Fahrt am Montag vergangener Woche der Öffentlichkeit vorgeführt und als gelungene Alternative zur eigentlich geforderten Rampe gefeiert – sogar der Behindertenbeauftragte sprach von einer „guten Lösung“. Doch was bei den Reden und Grußworten nicht erwähnt wurde: Der Aufzug kann gar nicht benutzt werden. Außer man hat einen speziellen Schlüssel – und weiß von dessen Notwendigkeit.

Denn nur, wer einen sogenannten Euro WC-Schlüssel dabei hat, kann den Aufzug auch bedienen. Bestellt werden kann er bei einem Verein im hessischen Darmstadt, der den Universalschlüssel exklusiv für 20 Euro vertreibt. Gedacht ist er eigentlich für öffentliche Behindertentoiletten etwa an Autobahnraststätten. Doch in Potsdam passt er auch für den Aufzug an der Alten Fahrt. Ein Schild oder einen Aufkleber, der darauf hinweist, sucht man vor Ort allerdings vergeblich.

Den Schlüssel in Darmstadt bestellen? Für Müller-Zinsius kein Problem

Auf die Tatsache aufmerksam gemacht hatte der ehemalige Sat.1-Moderator Wolf-Dieter Herrmann, der bereits seit Langem für einen barrierefreien Zugang der neuen Uferpromenade eintritt. Auf seiner Webseite potsdamfernsehen.de veröffentlichte er nun ein Video von der Eröffnungsfeier am 13. Juni, auf dem er Jakobs und Müller-Zinsius zur Rede stellt. Man könne den Schlüssel doch bei dem Verein in Darmstadt bestellen, sagt Müller-Zinsius in dem Film. „Why not?“ Und Jakobs verweist darauf, dass der Schlüssel „internationaler Standard“ sei und dass er diese Lösung für eine „gute Idee“ halte.

Weniger begeistert ist der Potsdamer Beirat für Menschen mit Behinderung. „Viele haben einen solchen Schlüssel gar nicht“, sagt die Vorsitzende Nicole Einbeck den PNN. Hinzu komme, dass nur Menschen mit einem bestimmten Grad an Einschränkungen ihn bestellen können, dazu muss ein entsprechender Behindertenausweis vorgelegt werden. „Und eine Frau, die mit einem Kinderwagen unterwegs ist, bekommt einen solchen Schlüssel sowieso nicht“, so Einbeck. „Mit Barrierefreiheit hat das nichts zu tun.“ Argument der Stadt sei gewesen, mit der Schlüssellösung Vandalismus vorbeugen zu wollen, so Einbeck. Nach dieser Logik müsse man aber alle Aufzüge im öffentlichen Raum absperren, zum Beispiel am Bahnhof.

Auch bei dem italienischen Restaurant, das die Uferpromenade als Außenterrasse nutzt, ist man nicht glücklich über die Lösung. Schließlich könnten viele Gäste deshalb nicht an einem der lauschigen Tische am Ufer sitzen. „Wir haben einen solchen Schlüssel leider auch nicht zum Ausleihen, weil man für die Bestellung ja einen Behindertenausweis braucht“, so einer der Kellner.

Rathaus: Nur berechtigte Personen dürfen Rollstuhlhebebühne nutzen

Der Potsdamer Behindertenbeauftragte, der unter anderem für die „Begutachtung der Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen“ zuständig ist, wusste von dem Schlüssel – schon vor der Eröffnung. Er räumt sogar ein, bei den Feierlichkeiten von einem Rollstuhlfahrer auf das Problem aufmerksam gemacht worden zu sein. Doch aktiv geworden ist er offenbar noch nicht. „Womöglich hat das versicherungstechnische Gründe“, sagte er lediglich. Prinzipiell sei er aber natürlich dafür, dass der Aufzug von allen genutzt werden könne.

Bei der Pressestelle der Stadt verweist man darauf, dass es sich nicht um einen Aufzug, sondern um eine Rollstuhlhebebühne handele. Diese dürften aus rechtlichen und versicherungstechnischen Gründen nur eingewiesene und berechtigte Personen nutzen. Eine öffentliche Zugänglichkeit bestehe nicht.

Das merken auch die zwei Damen, die am Mittwochmittag einen älteren Herren mit dem Rollstuhl begleiten und ratlos vor dem Aufzug stehen. Sie wollen mit ihm an die Uferpromenade, doch bei dem Lift tut sich – natürlich – nichts. Auf den „Euro-Schlüssel“ angesprochen, zucken sie nur mit den Schultern. „So etwas haben wir nicht.“

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Wie können ein Oberbürgermeister und ein Sanierungsträger-Chef, die beide über kurz oder lang möglicherweise auch lieber den Aufzug als die Stufen nutzen wollen oder müssen, diese groteske Lösung hinnehmen – und nicht spätestens bei der Vorführung zur Einweihung auf eine Änderung drängen? Ein Kommentar >>

Hinweis: Von unseren Lesern kam der Hinweis, dass wir doch erwähnen sollten, dass es einen Aufzug am Hotel Mercure, Höhe Restaurant El Puerto gibt, womit man ans Ufer gelangt. Das holen wir hiermit nach.

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