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Ines R. wurde im Dezember verurteilt.

© AFP

Update

Neunter Prozesstag im Fall Oberlin: Gutachterin: Angeklagte wollte Bewohnerin vergiften

Ines R. soll Ende April vier schwerstbehinderte Menschen getötet haben. Schon zuvor hegte die Angeklagte laut der Gerichtspsychiaterin Gewaltfantasien gegenüber anderen Menschen. 

Potsdam - Die 52-jährige ehemalige Pflegekraft, die derzeit im Prozess um die Tötung von vier Bewohnern von vier Bewohnern eines Potsdamer Behinderten-Wohnheims vor Gericht steht, soll laut einer Gutachterin schon zuvor eine Bewohnerin habe töten wollen. Die Angeklagte habe mitgeteilt, dass sie eine Woche vor der Tat im April eine Bewohnerin mit Medikamenten habe vergiften wollen, wie Gerichtspsychiaterin Cornelia Mikolaiczyk am Donnerstag im Prozess vor dem Landgericht Potsdam sagte. 

Die Angeklagte habe schon mehrfach Gewaltfantasien gegenüber anderen Menschen gehabt; so habe sie bereits 2012 während eines Klinikaufenthalts angegeben, sie habe davon geträumt, Bewohner der Einrichtung umzubringen. Davon sollen sie Medikamente abgehalten haben.

Zudem berichtete die Gutachterin von erschreckenden Details aus der Unterbringung der Angeklagten in der psychiatrischen Klinik berichtet. Nach der Festnahme wurde die 52-Jährige dort untergebracht. So habe sich die Angeklagte zwischen zwei Verhandlungstagen dort selbst verletzt. 

Gutachterin empfiehlt Unterbringung in Maßregelvollzug

Außerdem habe sie „gedankliche Gewaltimpulse“ gegenüber dem Pflegepersonal in der Klinik gehabt, sagte Mikolaiczyk. Zwei Mal soll sie einen Oberarzt in der Klinik angegriffen haben. Die 52-Jährige steht unter hohem Medikamenteneinfluss.

Die Gutachterin diagnostizierte bei der Angeklagten Ines R. eine schwere emotionale Persönlichkeitsstörung aus dem Borderline-Bereich, begleitet von Medikamentenmissbrauch. Sie empfahl eine Unterbringung der Angeklagten im Maßregelvollzug. Die Angeklagte befinde sich in einer anhaltenden schweren Krise, in der ohne intensive Behandlung weitere Gewalt gegen sich selbst und andere zu erwarten sei.

Angeklagte gab an, Stimmen zu hören

Die ehemalige Pflegekraft Ines R., die viele Jahre in der diakonischen Einrichtung Oberlinhaus in Babelsberg arbeitete, ist wegen Mordes und versuchten Mordes angeklagt. Sie soll im April im Thusnelda-von-Saldern-Haus vier wehrlose Bewohner im Alter zwischen 31 und 56 Jahren mit einem Messer auf ihren Zimmern getötet haben. Eine 43 Jahre alte Bewohnerin überlebte nach einer Notoperation. Nach den Angaben eines Pathologen waren drei der Todesopfer vollständig und eines halbseitig gelähmt.

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Laut dem Gutachten hatte die Expertin festgestellt, dass die Angeklagte die Tat im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Die Schuldfähigkeit ist für das Urteil von Bedeutung. Die Gutachterin berichtete im Prozess am Donnerstag von einer zweiten Persönlichkeit innerhalb der Angeklagten, die angab, Stimmen zu hören und ein „unsicheres Selbstbild“ habe. 

Die Angeklagte soll ihr gegenüber in einem Gespräch in der Klinik gesagt haben: „So einen kranken Kopf könnte man doch nur auf den Müll schmeißen“, so die Gutachterin. Die angeklagte Deutsche sei stark selbstmordgefährdet. 

Lange Geschichte von Gewaltfantasien

Die Angeklagte blicke auf eine lange Geschichte von Gewaltfantasien zurück, die sich unter anderem gegen ihren behinderten Sohn, ihre Mutter und auch gegen Bewohnerinnen und Bewohner der Behinderteneinrichtung gerichtet hätten, in der sie gearbeitet hat. Sie habe langjährig und auch am Tattag hoch dosiert starke Medikamente genommen. Die 52-Jährige hat sich im Prozess bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Die Angeklagte habe trotz langjähriger Therapie keine Stabilität erreicht, sagte Mikolaiczyk. Das Tatgeschehen stehe in „eindeutigem Kausalzusammenhang“ mit ihrer Persönlichkeitsstörung. Neben der von ihr selbst benannten Arbeitsbelastung hätten „innere Faktoren“ eine Rolle gespielt. Ihre jahrzehntelangen Tötungsfantasien seien Ausdruck davon, ihre eigenen Aggressionen nicht angemessen steuern zu können. 

Noch zwei Verhandlungstage sind vorgesehen 

Im Verlauf des Prozesses berichtete die Angeklagte Ines R. unter anderem über ihre psychischen Beeinträchtigungen und über Personalmangel in der diakonischen Einrichtung. Kollegen machten unterschiedliche Angaben über die seelische Verfassung der Angeklagten. Die Pflegekraft galt im Oberlinhaus als warmherzige und den behinderten Bewohnerinnen und Bewohnern zugewandte Mitarbeiterin. 

[Lesen Sie auch: Der Mordprozess Oberlinhaus: Die Abgründe der Angeklagten Ines R. – eine Rekonstruktion (T+)]

Das Sozialunternehmen hat vor wenigen Wochen den 150. Gründungstag seines Trägervereins begangen.

Das Oberlinhaus hatte der Frau nach der Gewalttat, die deutschlandweit für Entsetzen sorgte, gekündigt. Der Strafprozess hat am 26. Oktober begonnen. Vorgesehen sind zwei weitere Verhandlungstage am Freitag und am kommenden Mittwoch. (dpa/epd)

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Anna Kristina Bückmann, Yvonne Jennerjahn

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