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Neuer Club im Bahnhof Pirschheide: Den Bahnhof rocken

Die Betreiber des neuen Clubs im ehemaligen Bahnhof Pirschheide gewähren einen Blick hinter die Kulissen. Die alte Bahnhofshalle ist kaum wiederzuerkennen.

Potsdam - Wer an der Tramhaltestelle Bahnhof Pirschheide aussteigt, verspürt meist wenig Lust auf einen längeren Aufenthalt: ein leerer Parkplatz, das ehemalige Bahnhofsgebäude, etwas abseits eine Baracke mit einer Erotik-Videothek. Doch die triste Umgebung birgt eine Perle. Wer durch die unscheinbaren Stahltüren der alten Bahnhofshalle tritt, steht plötzlich vor einer nagelneuen Konzertbühne mit blinkendem LED-Bildschirm, die alten Bahnhofsleuchter und Scheinwerfer an der hohen Decke tauchen die weiß gedeckten Tische in sanftes rotes und blaues Licht.

Club soll "Pirschheide" heißen

In dem Bahnhofsgebäude entsteht seit Monaten eine neue Event-Location, die den schlichten Namen „Pirschheide“ tragen wird. „Machen wir erst mal einen kleinen Rundgang“, sagt Ronald Engelhardt mit sichtlicher Vorfreude. Der Unternehmer aus Werder hatte das Gebäude 2014 zusammen mit seiner Frau Shima gekauft. Künftig sollen hier vor allem Firmenevents, Kabarett- und Comedy- Shows, Lesungen sowie Konzerte stattfinden, die Eröffnung ist für das erste oder zweite Quartal 2017 geplant. Wie viel sie in das „Pirschheide“ investieren, wollen die Engelhardts nicht sagen.

Größte Neuerung ist die stählerne Empore im hinteren Bereich der Halle, von der aus man wie von einem Balkon den ganzen Raum überblicken kann. „Das war baulich das Aufwendigste, vor allem wegen der Statik“, sagt Dirk Zaremba, technischer Leiter des Clubs „Pirschheide“. Der Aufwand hat sich gelohnt, die Empore verleiht dem Raum eine ganz neue Atmosphäre. Spektakulär ist auch die Bar, hinter der sich eine drei Meter hohe, blau beleuchtete Spiegelwand erhebt, vor der bereits die Spirituosen in den Regalen stehen, die nur über eine verschiebbare Leiter zu erreichen sind.

"Wir haben fast ein halbes Jahr nur zum Lüften und Trocken gebraucht"

„Wir dürfen tagsüber wirklich nicht die Tür offen stehen lassen, wenn wir hier arbeiten“, sagt Zaremba. „Immer wieder kommen Leute rein, die neugierig sind, wie es hier aussieht.“ Verständlich, denn die alte Bahnhofshalle, die seit 2005 zusehends verfiel, ist kaum wiederzuerkennen: Das Gebäude war eine Ruine, sämtliche Fenster zerschlagen, die Wände beschmiert, überall Abfall. Als 2015 die Baumaßnahmen losgingen, musste das verwahrloste Gebäude erst einmal gegen Luft und Nässe von außen abgedichtet werden, erinnert sich Zaremba: „Wir haben fast ein halbes Jahr nur zum Lüften und Trocken gebraucht.“

Noch immer sind in dem denkmalgeschützten Bau viele Merkmale der alten Bahnhofshalle erkennbar, etwa ein altes Schalterfenster oder die originalen, braunen Kacheln an den Wänden. „Wir wollten möglichst viel vom alten Charakter des Bahnhofs erhalten“, sagt Zaremba. Allerdings sind Kacheln nicht die besten Voraussetzungen für eine gute Akustik: „Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, einen guten Sound im Raum zu bekommen“, sagt Zaremba. Ein Problem war zum Beispiel, dass sich im hinteren Bereich der Empore der Bass von der Bühne stark gesammelt hat, was durch den Einbau von „Bass-Fallen“ – große, stoffumwickelte Säulen – gelöst wurde.

Die ersten Veranstaltungen hat das „Pirschheide“ bereits hinter sich: Im Juli vergangenen Jahres fand hier das viertägige Kunstfestival „Localize“ statt, am 17. Dezember kamen rund 500 Besucher zum Konzert der Rockbands Blacksmith und Starfucker. Es gab viel positives Feedback und nicht wenige waren aus Neugier auf das neue Aussehen des Bahnhofs gekommen: „Viele haben uns gesagt: ‚Da stand das, hier stand dies, hier hab ich schon ganze Nächte verbracht’“, sagt Zaremba. Nicht wenige Potsdamer hatten in der DDR von dort ihren Wehrdienst angetreten oder kamen dort von der NVA wieder nach Hause: „Eine Frau hat mir erzählt, dass sie hier immer auf ihren Mann gewartet hat“, so Zaremba.

Wo früher der Übergang zu den Gleisen war, geht es heute zum Backstage-Bereich

Man sieht den neuen Räumlichkeiten die Ambitionen an, die in dem Projekt stecken: Hocker und Stehtische sind aus stählernen Traversen gebaut, wie man sie von Konzert-Bühnen kennt, Rock-Atmosphäre verbreiten die Wände, die mit den typischen, metallbeschlagenen Kisten verkleidet sind, in denen normalerweise Instrumente und Verstärker transportiert werden. Immer wieder fallen liebevolle Details auf, der von einer silbernen Handgranate gekrönte Mikro-Ständer oder eine Bahnhofsuhr, deren Zeiger rückwärts laufen. Kurios sind die sanitären Anlagen: Die Pissoirs im Herren-WC haben die Form eines geöffneten Frauenmunds mit rotgeschminkten Lippen, die Waschbecken bestehen aus ausgehöhlten Feldsteinen. Direkt hinter der Bühne geht es zum Backstage-Bereich, inklusive Dusche und Küche. „Hier war früher der Übergang zu den Gleisen“, sagt Zaremba.

Aber hat eine Location wie diese überhaupt eine Chance angesichts des großen kulturellen Angebots in Potsdam? Man sehe sich nicht in Konkurrenz zu ähnlichen Veranstaltungsorten wie dem Waschhaus oder dem Lindenpark, da man eher auf ein älteres Publikum ab 30 Jahren aufwärts setze, so Ronald Engelhardt: „Da sehen wir eine Lücke – denn diese Generation weiß oft nicht, wo sie abends in Potsdam hingehen soll.“ Dass das „Pirschheide“ recht weit vom Schuss liegt, ist den Engelhardts bewusst, habe aber auch Vorteile, etwa in Sachen Lärmschutz. Der Fokus wird vor allem auf Firmenevents liegen, unter anderem für die Gäste der zwei nahe gelegenen Hotels. „Mit beiden haben wir schon erste, positive Gespräche geführt“, sagt Ronald Engelhardt. Eines ist ihm ganz wichtig: „Das hier wird keine Disco!“ Daran ändert auch die große Discokugel nichts, die über der Bühne hängt – die Engelhardts haben sie aus dem Fundus der RTL-Show „Let’s Dance“ erworben. Shima Engelhardt wird die Leiterin des „Pirschheide“ sein. Auch wenn sie Erfahrungen als Veranstaltungsmanagerin hat, geben sie und ihr Mann zu, dass ein so großes Projekt wie das „Pirschheide“ für sie alle etwas Neues sei: „Das ist ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt Shima Engelhardt. „Aber wir hoffen, dass wir diese Ecke neu beleben können“, so ihr Mann.

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