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Umstrittenes Projekt. Solche Spender-Ziegelsteine sollen im Treppenhaus des Garnisonkirchen-Turms verbaut werden.

© dpa

Landeshauptstadt: Neue Stimmen gegen die Garnisonkirche

Bundesweite Christen-Initiative gegen Potsdamer Wiederaufbauprojekt gestartet. Oberbürgermeister beantragt Stiftungs-Auflösung

Neue prominente Namen gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche: Zu der jetzt gegründeten Initiative „Christen brauchen keine Garnisonkirche“ gehören Persönlichkeiten wie Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), die frühere brandenburgische Ausländerbeauftragte Almuth Berger oder der Pfarrer der Potsdamer Erlöserkirche, Konrad Elmer-Herzig, zugleich Mitbegründer der Ost-SPD während der Wende 1989. Die Namen ihrer Unterstützer teilte die Initiative am Donnerstag mit.

Zugleich veröffentlichten die mehr als 70 Kirchenmitglieder und Pfarrer einen bereits am Dienstag angekündigten Appell gegen den Wiederaufbau der 1968 in der DDR abgerissenen Barockkirche. Man wolle dem Eindruck entgegentreten, alle Christen würden dem Vorhaben einhellig zustimmen, heißt es dort. Weil der Wiederaufbau als Projekt von nationaler Bedeutung gelte, müsse die Frage nach der Signalwirkung gestellt werden.

Die Garnisonkirche habe einst für eine Kirche gestanden, „die sich von Obrigkeit und Militär in Dienst nehmen ließ, Demokratie verachtete und auf politische Weisung Krieg predigte“. Soldaten seien von der Kirche auf Gehorsam bis in den Tod eingestimmt worden. Ebenso wird an den „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 erinnert, „an dem das verheerende Bündnis zwischen konservativem Bürgertum, preußischem Militär und Nazi-Führung mit kirchlichem Zeremoniell besiegelt wurde“. Der Wiederaufbau sei auch eine Stellungnahme zu dieser Geschichte – deshalb lehnten die Unterzeichner das Kirchenprojekt ab.

Zu weiteren Unterstützern des Aufrufs gehören der Theologe Friedrich Schorlemmer, die Beiratsvorsitzende von Transparency International, Barbara Stolterfoth sowie mehrere Politologen. Dazu kommen Reinhard Schult und Hans-Jochen Tschiche, Gründungsmitglieder der DDR-Bürgerbewegung Neues Forum, und Hans-Jürgen Misselwitz, Sekretär der Grundwertekommission der SPD und in den 1990er-Jahren Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam.

In dem Aufruf heißt es weiter, „weil Kriege, Militarisierung der internationalen Beziehungen und Missbrauch von Religion zu kriegerischer Hetze bedrohlich aktuell“ seien, „brauchen wir heute ein anderes Zeichen als eine neue Garnisonkirche“. Am Samstag soll auch eine Internetseite freigeschaltet werden, auf der sich weitere Unterzeichner eintragen können.

Die Garnisonkirchenstiftung reagierte bereits auf die neue Initiative. Die evangelische Kirche bestehe eben „aus Protestanten, manchmal im wahrsten Sinne des Wortes“, sagte Stiftungsvorstand Peter Leinemann. Das mache die Vielfalt und Lebendigkeit der Kirche aus. Dennoch widersprach er den Unterzeichnern: „Eine Verklärung der deutschen Geschichte findet bei uns nicht statt.“ In Bildungsprojekten für Jugendliche werde die Demokratie gestärkt und Friedensverantwortung eingeübt. Dafür solle zunächst der Turm der Kirche wieder aufgebaut werden – wenn möglich im nächsten Jahr.

Die Hälfte der dafür nötigen 40 Millionen Euro sei eingeworben, die Baugenehmigung lieg vor. Zugleich zeige sich an der Auseinandersetzung, dass Gespräche zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts weiterhin nötig seien, so Leinemann.

Die Bürgerinitiative „Potsdam ohne Garnisonkirche“ begrüßte den Appell. Sie hatte im Sommer ein Bürgerbegehren gegen das Projekt mit mehr als 14 000 gültigen Unterschriften erfolgreich beendet. Die Stadtverordneten hatten das Begehren mehrheitlich auch angenommen – allerdings hatten sich große Teile enthalten, um einen Bürgerentscheid zu dem Projekt zu verhindern. Damit aber ist Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) – als erklärter Befürworter des Projekts – nun verpflichtet, das Begehren umzusetzen und dessen Text nach alle rechtlichen Möglichkeiten zur Auflösung der Stiftung Garnisonkirche zu ergreifen.

Im Hauptausschuss am Mittwoch sagte Jakobs nun zu, in einer demnächst stattfindenden Mitgliedersitzung der Stiftung deren Auflösung zu beantragen: „Obwohl das eine absurde Situation ist.“ Der Antrag dürfte ins Leere laufen: Die Stadt hat nur einen Sitz im elfköpfigen Kuratorium; für die Auflösung der kirchlichen Stiftung wäre eine Dreiviertelmehrheit notwendig. Ebenso sagte Jakobs, er wolle in der Stiftung für mehr Bürgerdialog werben.

Der Potsdamer Bürgerinitiative gegen die Kirche reicht das nicht: Ihr Sprecher Simon Wohlfahrt forderte Jakobs im Hauptausschuss auf, bei den Betreibern des Wiederaufbauprojektes aktiv für die Auflösung zu werben und bei öffentlichen Diskussionsveranstaltungen die dafür notwendige Überzeugungsarbeit zu leisten. Jakobs ging darauf nicht weiter ein.

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