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Der Plenarsaal im Brandenburger Landtag.

© Andreas Klaer

Neue Parlamentarier aus Potsdam und Mittelmark: So waren die ersten Monate im Landtag

Fünf der 50 neuen Abgeordneten im Brandenburger Landtag kommen aus Potsdam oder der Mittelmark. Den PNN haben sie verraten, was sie am meisten überrascht hat.

Potsdam - Als der Brandenburger Landtag am 25. September 2019 seine Arbeit aufnahm, waren 50 von 88 Abgeordneten neu im Plenarsaal. Fünf der Jungpolitiker kommen aus Potsdam und der Mittelmark. Wie finden sie sich in der neuen Rolle zurecht? Die PNN haben nachgefragt.

Daniel Keller (SPD)

Daniel Keller, SPD.
Daniel Keller, SPD.

© Varvara Smirnova

Im dem griffigen Slogan „Der von hier“ war Daniel Keller in den Wahlkampf gezogen. Der Sporttrainer und selbständige Unternehmer zeigte sich in der Wahlwerbung unter anderem im blauen Judoanzug. Damals war er Vorsitzender des SV Motor Babelsberg und des brandenburgischen Judo-Bundes. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, legte er diese Ämter nach der Wahl nieder. Inzwischen ist Keller zum Präsidenten des Deutschen Judo-Bundes aufgestiegen.

Die SPD-Fraktion wählte den 33-Jährigen im Januar zum Parlamentarischen Geschäftsführer. Außerdem sitzt der Tausendsassa im Hauptausschuss sowie im Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz. In dieser Rolle komme er viel im Bundesland herum, sagt er. 

Persönlich besonders betroffen gemacht habe ihn der Tod des SPD-Politikers Manfred Stolpe im Dezember, sagt Keller. In der letzten Zeit habe er sehr viele alte Fraktionsprotokolle gelesen. Besonders interessiere ihn der Beginn der 1990er Jahre. Tief beeindruckt sei er von den enormen Schwierigkeiten, denen sich Manfred Stolpe als Ministerpräsident zu stellen hatte. Zum Beispiel die Abwicklung großer DDR-Betriebe und die hohe Arbeitslosigkeit. Vergleiche man das mit der heutigen Situation, dann fiele auf, wie positiv sich das Land seither entwickelt habe, sagt Keller. 

Die Stimmung im Plenarsaal sei mitunter „aufgeheizt”, sagt der Abgeordnete. Das liegt seiner Ansicht nach an der AfD-Fraktion. Da gäbe es „Personen mit einem rechtsradikalen Hintergrund“, sagt er. Einige Redebeiträge der blauen Partei bewegen sich für ihn „an der Grenze des demokratischen Verständnisses“. Da den richtigen Umgang zu finden, sei mitunter „eine Herausforderung”. Zum Beispiel bei den Debatten zum Antrag „Jüdisches Leben in Brandenburg fördern und schützen” habe sich gezeigt, dass manche AfDler „ein anderes Menschenbild” hätten. Außerdem würden die AfD-Politiker „intolerante Vorstellungen von Familie“ vertreten, und gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausgrenzen. Hoffnung würden ihm jedoch die jungen Abgeordneten der etablierten Parteien machen, denn die brächten „viel Leidenschaft“ mit für die Demokratie. 

Marie Schäffer (Bündnis 90/Die Grünen)

Marie Schäffer, Bündnis 90/Die Grünen.
Marie Schäffer, Bündnis 90/Die Grünen.

© Ottmar Winter

Die 29-jährige Informatikerin zog als einzige Kandidatin ihrer Partei mit Direktmandat in den Landtag ein. Seit 2009 ist sie Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und der Grünen Jugend. Seit 2019 sitzt sie auch in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung. Schäffer nahm an Demonstrationen gegen Rechts ebenso teil wie von „Fridays for Future“. Ende November war sie als Parlamentarische Beobachterin bei den Protesten der Anti-Kohlekraft-Kampagne „Ende Gelände“ vor Ort. 

Schäffer begrüßt, dass viele Schülergruppen den Landtag besichtigen und das Gespräch mit Abgeordneten suchen. „Es freut mich, dass das Interesse an der Demokratie so groß ist”, sagt sie. Großen Respekt habe sie für das Team der Landtagsverwaltung, das „den Laden im Hintergrund am Laufen hält”. Zu Beginn habe sie als neue Abgeordnete manchmal übersehen, wichtige Unterlagen einzureichen. Die Mitarbeiter hätten ihr dann unkompliziert geholfen.

Als Schritt in die richtige Richtung sieht Schäffer, dass der Landtag Ende Januar beschlossen hat, die Landesregierung mit der Durchsetzung eines Rauchverbots an Haltestellen von Tram und Bus zu beauftragen. Sie hätte sich aber „ein schnelleres Tempo gewünscht”. Ebenfalls ein Erfolg sei es, dass die Koalition demnächst einen Antrag zu Mieterschutz und Wohnungsmangel einreichen werde. Allerdings sei es nicht immer leicht, sich mit den Koalitionspartnern SPD und CDU abzustimmen.

Zwischen den „demokratischen Fraktionen” im Landtag sei der Umgang größtenteils fair. „Es ist allerdings erschreckend, wie sehr die AfD die Debattenkultur im Plenarsaal bestimmt”, sagt Schäffer. Mit Zwischenrufen und „menschenfeindlichen Andeutungen” würden die AfD-Politiker immer wieder provozieren. Für die anderen Fraktionen bedeute das eine Zwickmühle: Entweder sie ließen die Aussagen unwidersprochen stehen oder sie gingen darauf ein – und liefen so Gefahr „dieser Partei und ihren Themen durch Gegenreden mehr Raum zu geben, als sie verdient”, sagt Schäffer. 

Marlen Block (Die Linke)

Die Rechtsanwältin führt seit 2009 ihre eigene Kanzlei. Was sie überrascht habe an der neuen Tätigkeit im Landtag? „Ich bin Strafverteidigerin, mich überrascht so schnell nichts”, sagt die 1980 geborene Block, die im Vorstand der Brandenburger Strafverteidigervereinigung sitzt. Außerdem ist sie Vize-Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg.

Wichtig sei ihr vor allem, dass Brandenburg mehr für den Schutz von Frauen tue, die aus gewalttätigen Partnerschaften fliehen möchten. Das Land müsste mehr Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen einrichten. Speziell auch in Potsdam-Mittelmark, wo ihr Wahlkreis liegt, fehlten solche Einrichtungen, sagt sie. Dafür möchte sich Block ebenso einsetzen für Tarifverhandlungen bei der Schlösserstiftung. 

Im Plenarsaal fühle sie sich „manchmal wie in der Schule”, sagt sie. Es ginge oft „unangemessen heiter” zu. Das liege zwar auch daran, dass viele Sachfragen in Ausschüssen geklärt würden. Aber auf die Bevölkerung mache ein undiszipliniertes Verhalten im Plenum einen schlechten Eindruck. Insbesondere vergehe ihr persönlich der Spaß, „weil die AfD mit im Raum sitzt”. Die „Zusammenarbeit unter den demokratischen Kräften“ funktioniere gut, sagt Block und meint damit alle Parteien außer der AfD. 

Aber an einigen Stellen habe sie sich auch unerwarteten Problemen gegenübergesehen. Zum Beispiel in der Debatte um den Antrag der Linkspartei, den 8. Mai zum Feiertag zu erklären. Vertreter anderer Parteien hätten von Anfang an nur nach Wegen gesucht, eine Ablehnung zu rechtfertigen. Das sei „politische Unkultur“, so Block. Der 8. Mai ist in Brandenburg zwar offizieller Gedenktag, aber kein Feiertag. Die Linke hatte sich dafür eingesetzt, den „Tag der Befreiung” zum 75. Jahrestag des Kriegsendes einmalig für arbeitsfrei zu erklären, so wie das in diesem Jahr in Berlin gehandhabt wird. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann hatte den Vorschlag der Linken als „politischen Showantrag“ bezeichnet.

Block hat das Gefühl, dass ihre Partei zum Teil in eine Ecke gestellt wird mit den Rechten. In letzter Zeit beobachte sie zum Beispiel häufig, dass zu Anträgen der Linksfraktion nur ein einziger Redner der Koalition Stellung nehme. So ginge man ansonsten nur mit der AfD um. Die anderen Parteien sollten ihrer Ansicht nach enger mit der Linkspartei zusammenarbeiten. „Aber vielleicht ändert sich ja jetzt etwas, nach dem Debakel in Thüringen”, sagt Block. 

Dennis Hohloch (AfD)

Während die anderen Abgeordneten über die Debattenkultur im Plenarsaal klagen, fühlt sich Dennis Hohloch von der AfD wohl. Zum Teil ginge es „lebhaft” zu, sagt der 30-jährige Lehrer für Geografie und Geschichte: „Man kann Scherze mit den anderen Fraktionen machen.” Mitunter käme es aber im Plenarsaal auch zu „verbalen Anfeindungen”. Hohloch meint die anderen Parteien. AfD-Politiker seien von denen bereits als „Faschisten” bezeichnet worden. Wenn solche „Beleidigungen” keine Ordnungsrufe nach sich zögen, sei das „bezeichnend”. Die allgemeine Stimmung richte sich gegen seine Partei. In besonders negativer Erinnerung seien ihm die Wahl des Präsidiums und des Richterwahlausschusses geblieben, sagt er. Dass Mitglieder anderer Parteien „gewählte Abgeordnete” der AfD als „nicht wählbar” bezeichnet hätten, sei ein Zeichen von „purer Ignoranz und Überheblichkeit” und eine „Herabsetzung des Wählerwillens”. Abseits der Debatten und der Kameras würden sich verschiedene Vertreter anderer Parteien mit AfD-Leuten freundlich unterhalten und sogar inhaltlich mit ihnen übereinstimmen, behauptet Hohloch.

Seit Oktober 2019 ist Hohloch Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion. Er sitzt außerdem im Bildungsausschuss. Dort gäbe es kaum ernsthafte Debatten, sagt er. Oftmals habe er den Eindruck, alles Wichtige sei bereits vorab „im Hinterzimmer abgesprochen” worden. Im Januar hatte Hohloch sein Amt als Vorsitzender der Stadtfraktion aufgegeben und die Stadtverordnetenversammlung verlassen. Die AfD wählte ihn zum Kreisvorsitzenden. 
 

Im Wahlkampf war er unter anderem mit Björn Höcke und Hans-Christoph Berndt aufgetreten. Letzter ist Chef der Bürgerinitiative „Zukunft Heimat”, die laut Verfassungsschutz Verbindungen in die rechtsextreme Szene hat. Berndt ist mittlerweile ebenfalls AfD-Landtagsabgeordneter. Sehr präsent zeigt sich Hohloch auf Twitter, an manchen Tagen setzt er mehr als zehn Tweets ab. Inhaltlich reichen sie von gemäßigt-konservativ bis schrill. Im Oktober etwa warf er einem Journalisten vor, einen „Bevölkerungsaustausch” in Ostdeutschland zu wollen. 

Uwe Adler (SPD)

Im Wahlkampf war der 46-jährige Polizist bei fast jedem Dorffest in seinem Wahlkreis zu sehen. Meist trat er mit roten Hosenträgern auf, die zu seinem Markenzeichen wurden. Adler gewann überraschend gegen Saskia Ludwig (CDU), die auch Stimmen an die AfD verloren hatte. In der SPD-Fraktion ist er zum Sprecher für Queerpolitik, sorbisch-wendische Angelegenheiten und Katastrophenschutz gewählt worden. Wichtig ist ihm eine klare Haltung gegen Rechts. Bilder auf Facebook zeigen Adler Ende Januar beim Konzert der antifaschistischen Punkband „Feine Sahne Fischfilet“. Die Band wird von der AfD angefeindet, hat aber auch Lieder gegen Polizisten im Repertoire. Uwe Adler war bis Redaktionsschluss für die PNN nicht zu erreichen.

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