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Neue Führung der Stadtwerke bestätigt: Dienstwagen noch inklusive

Die Führungskrise bei den Stadtwerken ist vorerst beendet. Allerdings kommen neue Details über die Aufhebungsvereinbarung mit dem ehemaligen Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme ans Licht: Sein Rücktritt hat kaum finanzielle Folgen für ihn - und er darf den Dienstwagen, einen Audi A6, noch weiter nutzen.

Potsdam - Weicher Abgang für den nach Vorwürfen der Vetternwirtschaft zurückgetretenen Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme: Neben vollen Bezügen bis Ende März 2017 darf der 64-Jährige bis dahin noch seinen Dienstwagen, einen Audi A6, nutzen und erhält noch zumindest für dieses Jahr Bonuszahlungen. Das sieht nach PNN-Informationen die Aufhebungsvereinbarung vor, die der Aufsichtsrat der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) am Montagvormittag abgesegnete – auf Kosten der Stadtwerke (SWP). Denn laut dem nicht-öffentlichen Beteiligungsbericht verdiente Böhme für seine Tätigkeiten an den Spitzen von SWP und EWP Ende 2013 bereits ein Grundgehalt von 204 000 Euro plus bis maximal 50 000 Euro Bonus.

Oberbürgermeister Jakobs hält sich bedeckt

Unter anderem sei die Entscheidung getroffen worden, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden, hieß es übereinstimmend aus dem Kontrollgremium. In Verhandlungen mit Böhme sei nicht mehr drin gewesen, soll Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) den Aufsichtsräten gesagt haben. Bei einer offiziellen Pressekonferenz zur Zukunft der in eine schwere Führungskrise geratenen Stadtwerke hielt sich Jakobs am Montagnachmittag über Details des Böhme-Abgangs bedeckter. Dazu werde er nichts sagen, so Jakobs zu Fragen nach Einzelheiten wie der weiteren Dienstwagen-Nutzung für Böhme.

Böhme war unter anderem wegen begonnener Ermittlungen des Finanzamts unter Druck geraten und Mitte Juni zurückgetreten. Unter anderem ging es um einen Werkvertrag der EWP mit einer Bauschlosserfirma, deren Inhaber Böhmes mittlerweile in den Ruhestand gewechselter Schwager ist. Dessen Firma soll bis Mitte 2015 jeweils 5000 Euro pro Monat erhalten haben, die EWP war offenbar der einzige Kunde der Firma mit Sitz auf einem Stadtwerke-Areal. Daher besteht auch der Verdacht, die von Böhme geführte EWP hätte sich auf diese Weise Steuern und Sozialabgaben gespart. Ebenso soll ein mit Böhme befreundeter Ingenieur einen Werkvertrag über 5000 Euro monatlich erhalten haben. Für Irritationen hatte auch gesorgt, dass drei Kinder und ein Neffe von Böhme im Konzern arbeiten – obwohl es dazu laut Stadtwerken keine Beanstandungen gegeben habe.

Keine Interessenskonflikte zwischen Pro Potsdam und Stadtwerke

Die Nachfolger von Böhme sind derweil in den Aufsichtsräten bestätigt worden. Die vorläufige Leitung von SWP und EWP sollen die Chefs der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, Horst Müller-Zinsius und Jörn-Michael Westphal, übernehmen – mit jeweils rund 75 bis 50 Prozent ihrer Arbeitskraft. Für die Aufklärung der Unregelmäßigkeiten schickt das Rathaus zudem den Rechnungsprüfungschef Christian Erdmann an die Spitze von SWP und EWP. Er soll auch darauf achten, dass keine Interessenkonflikte zwischen der Pro Potsdam und den Stadtwerken entstehen. Jakobs deutete an, die neuen Geschäftsführer hätten sich nicht um die Aufgabe gerissen: „Sie wollten das nur machen, wenn es unbedingt erforderlich ist.“ Maximal ein Jahr soll die neue Führung arbeiten, dann soll per Ausschreibung eine neue Stadtwerke-Spitze gefunden sein.

Schon im Mai waren der zweite EWP- und frühere Step-Chef Holger Neumann sowie der Step-Technik-Geschäftsführer Enrico Munder bei vollen Bezügen freigestellt worden. Zu den Gesamtkosten für die Stadtwerke durch die suspendierten Manager, die mutmaßlichen Verfehlungen und ihre Interimsnachfolger sagte Jakobs nur, diese seien „nicht absehbar“.

Gegen Munder, Neumann und frühere Step-Chefs bestehen Vorwürfe, der ehemaligen Prokuristin V. über Jahre hinweg mutmaßlich überzogene Gehaltssteigerungen genehmigt zu haben, vorbei an Kontrollgremien. Ebenso hatten Wirtschaftsprüfer Unregelmäßigkeiten bei Vergaben festgestellt, speziell bei der Step. Zuletzt war bekannt geworden, dass die Prokuristin die Planung ihres Eigenheims ausgerechnet jener Firma überlassen hatte, der sie bei der Step Aufträge verschaffte. Inzwischen prüfen die Staatsanwaltschaften Potsdam und Neuruppin die Aufnahme von Ermittlungen.

Stadtwerke benötigten strukturelle Veränderungen und "Kultur der Offenheit"

Vor allem von einem Neuanfang war bei der Vorstellung der Übergangsführung die Rede. Einerseits müssten die Stadtwerke in der Krise stabilisiert werden, um die kommunale Daseinsvorsorge nicht zu gefährden, sagte Jakobs. Zugleich benötige das Unternehmen strukturelle Änderungen und eine „Kultur der Offenheit“, auch Dinge anzusprechen. Mit der Führung der Pro Potsdam, die Jakobs als beispielhaft in Sachen Transparenz und Regeltreue bezeichnete, sei eine gute Lösung gefunden worden. Die Potsdamer Sozialbeigeordnete und EWP- sowie Step-Aufsichtsratschefin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) sagte, gegenüber den Kunden der Stadtwerke müsse deutlich gemacht werden, dass sie weiter Vertrauen in das Unternehmen haben könnten.

Jakobs sagte, dass er den EWP-Aufsichtsrat vorerst wieder übernehmen wolle, wenn Müller-Preinesberger im August in den Ruhestand geht. Im Zuge der ersten Stadtwerke-Affäre vor fünf Jahren hatte Jakobs dieses Amt abgegeben. Dass nach dem damaligen Abgang von Stadtwerke-Boss Peter Paffhausen wegen Geheimgeschäften nun neue Unregelmäßigkeiten möglich waren, begründete Jakobs so: Die Bemühungen zur Umsetzung neuer Regeln seien nicht tiefgreifend genug gewesen. Müller-Preinesberger sagte, immerhin seien die nun untersuchten Sachverhalte bekannt geworden.

In Stadtwerke-Belegschaft seien Angst, Enttäuschung und Zweifel zu spüren

Unklar ist noch das Schicksal des freigestellten EWP-Chefs Neumann – ein juristischer Zwischenbericht hatte dessen Kündigung nahegelegt. Jakobs sagte, die Entscheidung darüber werde wohl Mitte Juli nach Vorliegen des Abschlussberichts getroffen. Das betreffe auch alle weiteren Personalien – und ob noch weitere Vorwürfe bekannt werden.

Die Krise hat auch die Belegschaft erfasst: So hat der Konzernbetriebsrat zuletzt in einem Schreiben die spärliche Informationspolitik der früheren Führung beklagt, in der Belegschaft seien „Angst, Enttäuschung und Zweifel“ zu spüren. Müller-Zinsius jedenfalls sagte, er werde nun eine Bestandsaufnahme des Unternehmens durchführen, auch die Mitarbeiter einbeziehen: „Es besteht jetzt die Chance für alle, im zweiten Anlauf alles gutzumachen.“

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