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Neue Forschungen zur Villa Gutkind vorgestellt: Das Haus, das es vielleicht nie gab

Nauener Vorstadt - Ist sie nur ein Phantom? Man weiß es nicht.

Nauener Vorstadt - Ist sie nur ein Phantom? Man weiß es nicht. Ein Rätsel bleibt sie allemal. Wo die historische Villa Gutkind in der Potsdamer Bertinistraße einmal stand, das lässt sich bislang nicht klären. Neuere Forschungen des Potsdamer Architekturprofessors Jan Fiebelkorn-Drasen legen sogar den Schluss nahe: Es hat die Villa nie gegeben.

Im Rahmen der vom Fontane-Archiv veranstalteten Vortragsreihe „Was bleibt...? Spuren der Geschichte am Potsdamer Pfingstberg“ stellte Fiebelkorn-Drasen am vergangenen Donnerstagabend in der Villa Quandt die Ergebnisse seiner Forschungen vor. Bisherigen Annahmen zufolge müsste es die Villa vor rund 100 Jahren in der Bertinistraße gegeben haben. Denn, so die Überlieferung, auf eben jenem Anwesen des Fabrikanten Hermann Gutkind soll sein Sohn, der jüdische Philosoph Erich Gutkind, eine Gruppe von Intellektuellen eingeladen haben, um hier den Forte-Kreis zu gründen. Vom 9. bis zum 12. Juni 1914 fand dieses Treffen statt. Wie die Soziologin Christine Holste im Anschluss an die Ausführungen von Fiebelkorn-Drasen in ihrem Vortrag berichtete, gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Kreises unter anderem der Religionsphilosoph Martin Buber, der niederländische Sozialreformer und Psychotherapeut Frederik van Eeden, sowie der Anarchist Gustav Landauer und freilich Erich Gutkind selbst.

Bei seiner Spurensuche nach dem historischen Ort, an dem der Forte-Kreis gegründet worden sein soll, hat Fiebelkorn-Drasen 100 Jahre alte Adressbücher gesichtet. Doch den Namen Gutkind habe er darin nicht finden können. Auch die Acta specialia – eine Sammlung historischer Bauakten der Potsdamer Stadtverwaltung – half nicht weiter. In einem Katasterplan von der Gegend um die Bertinistraße fand sich ebenfalls kein Hinweis auf das angebliche Anwesen der Familie Gutkind. Auf dieser Karte sind sogar die Namen der früheren Grundstückseigentümer oder Nutzer an der Bertinistraße eingetragen, darunter Otto von Mendelssohn-Bartholdy, einem Bankier und Unternehmer, dessen Villa noch heute existiert.

Möglicherweise hat sich der Forte-Kreis 1914 auf dem Grundstück in der Bertinistraße 12 gegründet. Fiebelkorn-Drasen hält das für denkbar. „Kann sein – wissen wir nicht“, so sein knappes Fazit zu diesen Überlegungen. Die Hausnummer 12 wurde schon früher bisweilen als mögliche Adresse genannt. Immerhin: Für die fragliche Zeit vor 100 Jahren ist auf dem von Fiebelkorn-Drasen recherchierten Katasterplan ein politischer Redakteur und Schriftsteller namens Müller für das Grundstück Bertinistraße 12 eingetragen. Denkbar wäre, dass Gutkind Kontakte zu ihm pflegte und man sich auf dessen Anwesen traf. Sollte hier also der Treffpunkt der Gruppe von Intellektuellen um Erich Gutkind gewesen sein, dann könnte man dieses Haus wohl kaum als Villa Gutkind bezeichnen. Fiebelkorn-Drasen legte sich denn auch am Donnerstagabend fest: „Eine Villa Gutkind hat es nicht gegeben.“

Der Forte-Kreis – wo auch immer er sich genau gründete – war ein Bund von Intellektuellen, die sich gegen die im Jahre 1914 allgemein in Deutschland herrschende Kriegsbegeisterung stellten. Der Gedankenaustausch innerhalb der Gruppe war jedoch wesentlich raumgreifender angelegt. Der Kreis wurde durch eine Vielzahl philosophischer Strömungen beeinflusst. Eine große Rolle spielte der christliche Anarchismus und Pazifismus der Tolstojaner. Der Name des Forte-Kreises geht zurück auf den vom Schriftsteller Theodor Däubler für zukünftige Zusammenkünfte des Kreises vorgeschlagenen italienischen Ort Forte dei Marmi. Zugleich enthält der Name wohl auch eine Anspielung auf die vom britischen Kunsthistoriker John Ruskin herausgegebene Zeitschrift „Fors Clavigera“.

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