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Mit „Wilhelm“ drauf. Die Tasse ziert das Monogramm des Kaisers.

© Andreas Klaer

Neue Ausstellung: Wilhelm II. im Neuen Palais: Der geschnittene Schneidige

Eine Ausstellung im Neuen Palais widmet sich dem Ende der Kaiserzeit. Ein Exponat trifft die Stimmung im Herbst 1918 besonders.

Von Peer Straube

Potsdam - Es ist nur ein ganz kleiner Kreis beim Abendessen an jenem 29. Oktober 1918: Wilhelm II., seine Frau Auguste Viktoria und Prinz Oskar, der fünftälteste Sohn des Kaiserpaares. Sie sitzen im Speisesaal der Familie im Erdgeschoss des Neuen Palais beisammen. Drei Stunden später wird Wilhelm II. am Kaiserbahnhof seinen Zug besteigen, der ihn ins „Große Hauptquartier der deutschen Obersten Heeresleitung“ ins belgische Spa bringt. Nach Deutschland wird er nie mehr zurückkehren.

100 Jahre später wird dieses Abendessen wieder eine Rolle spielen – bei der Ausstellung „Kaiserdämmerung“, die am 16. Juni im Neuen Palais eröffnet wird. Mit der Schau will sich die Schlösserstiftung nicht nur dem Ende der Monarchie in Deutschland widmen, sondern erstmals auch die Rolle beleuchten, die das Schloss als Wohnsitz des Kaiserpaares in diesen Tagen spielte. Am gestrigen Dienstag gewährte Ausstellungskurator Jörg Kirschstein einen ersten Einblick in die Schau, mit deren Aufbau jetzt begonnen wurde.

Ein originaler Garderobenhaken für die Uniform

Besagtes letztes Abendmahl in Potsdam soll für die Ausstellung nachgestellt werden – ohne die Protagonisten freilich, aber das originale Porzellan, von dem das Herrscherpaar und sein Filius seinerzeit speisten, wird das Publikum zu sehen bekommen. Es ist eine Leihgabe aus Haus Doorn, dem niederländischen Exilsitz Wilhelms II., wohin der zwangsweise abgedankte Monarch den größten Teil seines Besitzes aus dem Neuen Palais bringen ließ. Das Gedeck für die drei umfasse allein rund 50 Teile, sagte Kirschstein. Gefertigt wurden sie selbstredend in der Königlichen Porzellan-Manufaktur, der KPM in Berlin.

Haus Doorn stellt auch noch andere Exponate für die Ausstellung zur Verfügung, darunter der Schreibtisch Seiner Majestät, der erstmals seit 100 Jahren wieder am originalen Platz aufgestellt wird, sowie drei Uniformen. Eine davon, erzählt Kirschstein, werde sogar an dem ihr einst zugedachten Haken aufgehängt – im betreffenden Wandschrank sind die alten Beschriftungen für die Uniformen nämlich noch vorhanden.

15 Stationen in 15 Räumen

Die Ausstellung soll in den normalen Schlossrundgang integriert werden. 15 Stationen in 15 Räumen gibt es, knapp ein Drittel davon werden erstmals überhaupt für die Öffentlichkeit zu sehen sein. Allerdings sind das eher unscheinbare Gemächer, die aber dennoch das Leben im Schloss zur Kaiserzeit anschaulich machen. So verfügte Wilhelm II. etwa nicht nur über ein Schlafgemach nebst Ankleidezimmer und Garderobe – auch der Garderobier hatte eine eigene Kammer, in der er saß und die benötigten Kleidungsstücke auf Verlangen herausgab.

Überhaupt soll, soweit möglich, auch das Leben und das spätere Schicksal der Bediensteten im Schloss veranschaulicht werden. Leider gebe es keine Fotos von Dienern im Schloss, auch von der Küche des Neuen Palais existiere kein Bildmaterial, sagte Kirschstein bedauernd.

Im Toilettenzimmer des Monarchen, dessen Funktion laut Kirschstein in etwa der eines Ruheraums entsprach, erwartet die Besucher ein Exponat, das wie kaum ein anderes die Stimmung im Herbst 1918 widerspiegelt. Es handelt sich um ein 3,40 mal 2,60 Meter großes Gemälde von Wilhelm II. – schneidig in Paradeuniform –, das der Porträtmaler Philip de László 1911 geschaffen hat.

Der Kaiser wurde aufgeschlitzt

Es zeigt den Kaiser an sein Pferd gelehnt, zu seinen Füßen steht ein Hund, im Hintergrund sind die Communs zu sehen. Das eigentlich Bemerkenswerte an dem Bild sind jedoch die vier deutlich sichtbaren Linien, die sich quer über das Gesicht und die Schultern des Porträtierten ziehen. Revolutionäre hätten kurz nach der Abdankung Wilhelms II. ihre Wut an dem Bild ausgelassen und es mit dem Messer aufgeschlitzt, erklärte Kirschstein. Vor einigen Jahren sei das Bild restauriert worden, aber absichtlich so, dass die Linien der Schnitte sichtbar blieben.

Ursprünglich hing das Gemälde im Berliner Schloss, zuletzt lagerte es im Depot der Schlösserstiftung. Dieses Schicksal wird ihm künftig erspart bleiben: Nach der Ausstellung soll es im Schloss Charlottenburg ausgestellt werden, als Bestandteil der Dauerausstellung über die Familie der Hohenzollern.

Berührende Briefe

Zu den berührendsten Stücken der Schau dürften zwei Briefe zählen, die die Kaiserin Auguste Viktoria kurz nach der Abreise ihres Mannes an ihre Schwester Caroline Mathilde schrieb, die im schleswig-holsteinischen Schloss Glücksburg lebte. Den ersten verfasste sie am 10. November 1918, einen Tag nach der Abdankung ihres Gemahls, den zweiten am 22. November, als sie Potsdam gerade ebenfalls den Rücken gekehrt hatte. „Mein geliebtes Neues Palais“ zu verlassen, schreibt sie darin, sei ihr so schwer gefallen, dass sie es mit Worten nicht ausdrücken könne.

Das hinderte sie 1919 nicht daran, das Schloss auszuräumen. Sie habe alle Kunstwerke aufgelistet, die ihr besonders wertvoll waren, erzählte Kirschstein. Die Regierung der Weimarer Republik habe alles ausgehändigt. Man sei da „sehr, sehr großzügig“ gewesen, so Kirschstein. Was alles weggeschafft wurde, ist auf den Transportlisten nachzulesen. Auch sie werden in der Ausstellung gezeigt.

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HINTERGRUND: Erst Friedrich, dann Wilhelm

Nach dem Siebenjährigen Krieg ließ Friedrich II. zwischen 1763 und 1769 das Neue Palais im Park Sanssouci errichten. Sein größter Schlossbau sollte schon durch die schieren Dimensionen erkennen lassen, dass Preußen nun zu einer europäischen Macht aufgestiegenwar. Gedacht war der von Johann Gottfried Büring, Heinrich Ludwig Manger und Carl von Gontard geschaffene Bau als königliches Gästeschloss. Es gilt mit seinen mehr als 200 Zimmern als letzte bedeutende Schlossanlage des preußischen Barock.

Nach dem Tode Friedrichs II. wurde das Neue Palais von den Hohenzollern jahrzehntelang nur noch sporadisch genutzt, ehe es Kronprinz Friedrich Wilhelm, der spätere 99-Tage-Kaiser Friedrich III., zu seinem Sommersitz erkor. Nach der Thronbesteigung seines Sohnes Wilhelm II. im Jahr 1888 diente das Neue Palais 30 Jahre lang als bevorzugter Aufenthalt der kaiserlichen Familie. Zu diesem Zwecke ließ der Kaiser das Schloss modernisieren und mit allerlei Annehmlichkeiten wie Bädern, elektrischem Licht und einer Dampfheizung ausstatten. Seit der Abdankung des Kaisers im Jahr 1918 dient das Neue Palais bis heute als Museumsschloss. Zahlreiche Schäden am Gebäude, deren Ursache teils in der im Rekordtempo durchgeführten Erbauung liegt, machen es zu einem der größten Sanierungsobjekte der Schlösserstiftung. Mit jährlich mehr als 100 000 Besuchern gehört es zu den größten Attraktionen des Potsdamer Welterbes. 

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