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Mit dem Programm werden Klima-Effekte dargestellt. 

© Sciara

Neue App aus Potsdam: Simulierte Zeitreisen in die Klima-Zukunft

Das Unternehmen Sciara entwickelt eine App mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Mit ihr sollen wissenschaftliche Erkenntnisse mit menschlichem Verhalten zusammengeführt werden. 

Potsdam - Wie viel Kohlendioxid spare ich ein, wenn ich mich vegan ernähre? Was passiert, wenn ich mit dem Recyceln aufhöre? Und wie stark steigt der Meeresspiegel, wenn ich soviel Auto fahre, wie bisher? Diese und andere Fragen soll künftig die App des Potsdamer Non-Profit-Unternehmens Sciara beantworten: Basierend auf wissenschaftlichen Modellen sollen Nutzer der App sehen, welche Auswirkungen ihr Verhalten auf das Klima bis 2100 haben wird. Seit sieben Monaten arbeitet das neunköpfige Team an der App, in Kürze soll eine erste Minimal-Version fertig sein, mit der man kleine Szenarien durchspielen kann. Dafür will Sciara bis zum siebten Februar auf der Crowdfunding-Plattform Startnext mindestens 60.000 Euro einwerben.

Die Idee dafür stammt vom Babelsberger IT-Berater Daniel Tamberg: „Ich hatte schon immer großes Interesse an Klimaschutz und an Computersimulationen“, sagt der 51-jährige Sciara-Geschäftsführer, der unter anderem schon an der Software-Architektur für das „Bundesportal“ mitgearbeitet hat, das den digitalen Austausch zwischen Bürgern und Bundesbehörden erleichtern soll.

Wissenschaft und menschliches Verhalten

Doch Klimawandel-Simulationen haben ein Problem: Sie können menschliches Verhalten schwer abbilden. Deshalb sollen bei der Sciara-App wissenschaftliche Modelle und echtes menschliches Verhalten zusammengebracht werden: Auch wenn es wie ein Spiel aussieht, können die Nutzer ihr reales Verhalten in die App übersetzen, mehr oder weniger Geld für Klimaschutz ausgeben, oder so weiter machen, wie bisher. Gibt man zum Beispiel ein, dass man statt jährlich 30.000 Kilometer künftig 50.000 Kilometer mit dem Auto fahren will, kann man sehen, was passiert, wenn alle anderen genauso handeln würden: Bis 2100 würde der Meeresspiegel weltweit um knapp zwei Meter steigen und die Temperatur um durchschnittlich 5,4 Grad steigen. Aber Tamberg betont: „Wir wollen die Nutzer nicht erziehen, wir wollen, dass sie sich realistisch verhalten.“

Beim Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) rannte er mit seiner App offene Türen ein: „Es gab dort zwei Wissenschaftler, die sich genau mit dieser Idee beschäftigten“, sagt Tamberg, der das PIK als Berater für Sciara gewinnen konnte. „Wir brauchen Hilfe, um integrierte sozial-ökologische Modelle zu bauen, mit denen die Lösungswege für Politik und Technologie gefunden werden können“, sagt PIK-Direktor Johan Rockström. „Das Sciara-Projekt ist in diesem Sinne einzigartig: Es holt Bürger an Bord für eine Modellierung des Übergangs zu einer sicheren und gerechten Zukunft der Menschheit.“

Ein idealistisches Unterfangen

Zusammen mit dem Unternehmer und Berater Sebastian Kutscha gründete Tamberg daraufhin Sciara, das für „Society-Climate Interaction Analysis using Real human Agents and Artificial Intelligence“ steht (Analyse von Gesellschaft-Klima-Wechselwirkungen unter Beteiligung realer Menschen und Nutzung künstlicher Intelligenz). Kutscha nutzte seine Kontakte in die IT-Branche, um Software-Entwickler zu finden, die sich an Sciara beteiligen wollten. Und er wurde fündig: Derzeit wird das Projekt von sechs mittelständischen IT-Unternehmen unterstützt, die Mitarbeiter unentgeltlich für Sciara „ausgeliehen“ haben. Es handelt sich um ein idealistisches Unterfangen: Die Satzung von Sciara verbietet die Ausschüttung von Gewinnen an Teilhaber. Überschüsse sollen für die Weiterentwicklung der App oder Umweltzwecke verwendet werden.

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Noch steht Sciara am Anfang, das optische Erscheinungsbild solle noch verbessert und detaillierter gestaltet werden, sagt Tamberg. Wenn es erste Erfahrungen von Nutzern gibt und die Szenarien komplexer werden, soll die App auch Politikern Hinweise zu Konsequenzen von Klimapolitik geben. „Wenn wir es schaffen, 450.000 Euro zu sammeln, könnten wir bis zur Bundestagswahl im September volle Einsatzbereitschaft erreichen und der neuen Regierung helfen, nachhaltigere Klima-Entscheidungen zu treffen“, sagt Tamberg. 

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