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Für Toleranz und Gewaltfreiheit. Erst vor drei Wochen hatten rund 3000 Potsdamer einen geplanten Marsch von Neonazis durch die Stadt verhindert. Die Gewerkschaft der Polizei hatte der Politik daraufhin vorgeworfen, geltendes Recht gebeugt zu haben.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Neonazis wollen Flüchtlingsprotestmarsch stören

Polizei erwartet 20 NPD-Sympathisanten. Oberbürgermeister Jakobs (SPD) will „braunen Spuk erneut vertreiben“

Von Peer Straube

Die kurzfristige Ankündigung hat sogar manchen bei der Polizei überrascht. Erst am Dienstag hatte die rechtsextreme NPD auf ihrer Homepage im Internet publik gemacht, dass sie den Protestmarsch von Asylbewerbern, der von Bayern nach Berlin führt, ausgerechnet bei ihrem Zwischenstopp in Potsdam „politisch begleiten“ will. Erst vor drei Wochen waren in Potsdam 3000 Bürger auf der Straße, um einen NPD-Aufmarsch zu vereiteln. 1500 Polizisten waren damals im Einsatz.

Wie viele es diesmal werden, ist unklar. Wegen des Feiertags am Mittwoch werde erst am heutigen Donnerstag über Art und Größe des Polizeieinsatzes entschieden, sagte Polizeihauptkommissar Sven Koppe von der Polizeidirektion West den PNN. Nach PNN-Informationen ist allerdings auch noch nicht entschieden, ob die NPD-Aktion überhaupt genehmigt wird. Die Neonazis wollen durch die Friedrich-Engels-Straße marschieren, vorbei am alternativen Jugendkulturzentrum „Freiland“, in dem die Flüchtlinge, die am heutigen Donnerstag in Potsdam ankommen, untergebracht werden sollen. Laut Koppe ist die NPD- Demo am Freitag von 11 bis 14 Uhr angemeldet, erwartet werden 20 Teilnehmer.

Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) organisierte am Mittwoch bereits den Widerstand: Die Landeshauptstadt werde „versuchen, den braunen Spuk auch dieses Mal wieder aus Potsdam zu vertreiben“, sagte er via Pressemitteilung. Zu einer Gegendemonstration rief Jakobs zwar nicht explizit auf, erklärte jedoch, die Stadt werde am Freitag „an der Seite der Flüchtlinge und ihrer Anliegen stehen“. Der Kreisverband der Bündnisgrünen hat am Mittwoch bereits seine Teilnahme am Protestmarsch der Asylbewerber angekündigt.

Die hauptsächlich iranischen Flüchtlinge wollen mit ihrem rund 500 Kilometer langen Marsch für eine Abschaffung der Residenzpflicht, gegen die zwangsweise Unterbringung in Lagern und die aus ihrer Sicht unzureichenden Sachleistungen demonstrieren. In Potsdam wollen sie das Asylbewerberheim am Schlaatz besuchen. Am Freitag ist dann eine Demonstration geplant, bei der die Flüchtlinge von der Innenstadt zur Glienicker Brücke ziehen wollen. Von dort geht es weiter nach Berlin, wo der Bundesregierung die Forderungen überbracht werden sollen.

Jakobs hatte bereits im Vorfeld Verständnis für das Anliegen der Flüchtlinge geäußert und auf eigene Erfolge verwiesen: So werde an alle Asylbewerber bereits seit neun Jahren Bargeld gezahlt statt Sachleistungen. Neben der Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge versuche die Stadt zudem, Asylbewerber in eigenen Wohnungen unterzubringen. Für maximal 13 besonders schutzbedürftige Frauen und Kleinkinder gibt es außerdem ab heute eine neue Wohnung in der Hegelallee. Jakobs sieht Potsdam in der Vorreiterrolle: „Besonders hinsichtlich der Aufhebung der Residenzpflicht und der Abschaffung des unwürdigen Gutscheinsystems kann Potsdam hoffentlich ein Beispiel für andere Orte und Landesparlamente sein, wo dies leider immer noch als gängige Praxis akzeptiert ist.“

Bei der Demonstration des Bündnisses „Potsdam bekennt Farbe“ am 15. September hatte Jakobs indes Kritik einstecken müssen. Die Gewerkschaft der Polizei hatte unter anderem ihm vorgeworfen, unzulässig Einfluss auf die Polizei ausgeübt zu haben, damit diese das Versammlungsrecht der NPD nicht durchsetzt und Straßenblockaden der Neonazi-Gegner nicht räumt. Rechtliche Vorgaben seien außer Kraft gesetzt worden.

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