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Eulen für die Arche. Ulrike Trost zeigt Oliver Valdorf, wie sie entstanden.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Nähen beim Mord

Im Babelsberger Nähcafé entstanden Eulenkissen für die Arche. Bald gibt es dort auch Tatort-Abende

Eulen sind in der Kreativwelt gerade ein großes Thema. Vielleicht, weil sie so geheimnisvoll sind. Für Ulrike Trost war es einfach naheliegend, mit ihren Kunden in der „Langen Nacht des Selbermachens“, zu der sie Ende September in ihr Babelsberger Nähcafè „Nähgern“ lud, Kissen in Form dieses nachtaktiven Vogels zu nähen. Entstanden sind in jener Nacht zwölf bunte Eulenkissen, die Ulrike Trost am Mittwoch an Oliver Valdorf übergab, den Leiter des Potsdamer Kinder- und Jugendwerkes Arche e.V.

Valdorf, der nicht nur Sozialarbeiter, sondern auch gelernter Schneider ist, weiß mit den liebevoll gearbeiteten Kissen etwas anzufangen: Im Ruheraum der Arche in der Oskar-Meßter-Straße gibt es eine Sofa-Landschaft, auf der sich die Schüler entspannen können. Dieses Sofa, freut sich der Arche-Chef, scheint wie geschaffen für die zwölf Stoffeulen. Die Arche, die Kindern und Jugendlichen ein kostenloses Mittagessen, aber auch Gemeinschaft und Betreuung anbietet, sei auf Spenden angewiesen – auch auf Sachspenden wie die Eulenkissen. Valdorf kann sich auch vorstellen, dass jeweils der Schüler ein Eulenkissen geschenkt bekommt, der zum „Held des Monats“ gekürt wird. Damit werden Schüler oder Schülerinnen geehrt, die sich besonders couragiert verhalten haben.

Bereits vor drei Jahren hat Ulrike Trost an der Großbeerenstraße 101 einen Stoffladen mit Nähschul-Angebot eröffnet. „Das ist gut gelaufen“, sagt die 45-Jährige: „Und läuft jetzt noch besser“. Der Grund: Im September dieses Jahres übernahm sie auch den Eckladen mit gleicher Adresse und richtete darin ihr Nähcafé ein. Das Geschäftsmodell sieht mehrere Standbeine vor: Geboten werden neben Kaffee ein kleines Mittagsangebot – etwa eine selbst gebackene Quiche –, aber auch beste Stoffe, darunter welche aus garantiert biologischem Anbau, die, wer Lust hat, an Ort und Stelle an einem der zehn Nähmaschinen-Arbeitsplätze verarbeiten kann. Stoffe mitbringen ist erlaubt – „jeder kann kommen und sich für sieben Euro pro Stunde an eine der Nähmaschinen setzen“, so die Ladengründerin, die in ihrem Nähcafé auch als Fachhändlerin für Nähmaschinen fungiert.

Auf die Frage, ob es für sie als Mutter dreier Kinder nicht eine große Belastung bedeute, so einen Laden mit vier festen und fünf freien Angestellten am Laufen zu halten, lacht Ulrike Trost nur und erzählt, dass sie sogar noch an zwei Tagen in der Woche an der Berliner Charité arbeite. Sie sei promovierte Pharmazeutin und durch die wissenschaftliche Arbeit gewohnt, in komplexen Strukturen zu denken. Daher falle ihr das Organisatorische leicht. Ihr Lebensweg habe sie – wie viele neue Babelsberger – aus Westdeutschland zunächst nach Berlin geführt. Von dort ist sie mit ihrem Mann vor sechs Jahren nach Babelsberg gezogen. Ursprünglich habe sie die Apotheke ihres Vaters übernehmen sollen, doch das wollte sie nicht. Dank ihres Charité-Jobs muss Ulrike Trost nicht komplett von den Erträgen des Nähcafés leben. „Es ist nicht mein Lebensstil, auf Teufel komm raus kommerziell zu sein“, sagt sie: „Wir sind authentisch.“ Wir, das sind zum Zeitpunkt der Eulen-Übergabe Kerstin Mari und Siegwina Labuske, die die Idee für die Teilnahme an der „Langen Nacht des Selbermachens“ hatte.

Keinesfalls ist das Nähcafé eine reine Anlaufstelle für Frauen. An angebotenen Nähkursen beteiligen sich der Inhaberin zufolge auch Männer, die mit den Worten „Meine Frau kann das gar nicht“ bekennen, dass sie es sind, die zu Hause Nadel und Faden in der Hand halten. In den Kursen würden dann von den Männern zum Beispiel schwarze Star-Wars-Umhänge genäht, damit sich deren Söhne als Darth Vader verkleiden können.

Zu den nächsten Plänen befragt kündigt Ulrike Trost an, dass im Nähcafé in Kürze auch alkoholische Getränke verkauft werden können. Ihr schweben Tatort-Abende am Sonntag vor, wo bei einem Wein genäht und im ARD–Fernsehen den Mördern beim Morden und den Detektiven beim Mörderfangen zugeschaut werden kann. Nicht nur Morden und Nähen, sondern auch Nähen und Bundesligaschauen scheint keine allzu ferne Vision mehr zu sein: „Das wünscht sich mein Mann“, verrät Ulrike Trost. Guido Berg

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