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Nachruf auf Friedrich Mielke: Ein Mann, der Bahnbrechendes geleistet hat

Mit Friedrich Mielke ist einer der bedeutendsten Denkmalpfleger in der Geschichte Potsdams gestorben. Eine Würdigung.

Ein großer Mann ist gestorben, einer der wichtigsten Denkmalpfleger in Potsdam. Er war mitunter mürrisch und auch nicht immer leicht zu verstehen und beharrte auch immer auf seinem Standpunkt. Das darf aber auch so ein Mann! Ein Denkmalpfleger, der ohne ideologische Verbiegungen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war, seine Aufgabe erkannte und sich ihr trotz widriger Umstände stellte und ein großes praktisches und wissenschaftliches Werk hinterlässt, ist in diesem Fach sehr selten.

Die Denkmalpflege, die heute ideologisch teilweise unerträglich verseucht ist und vor allem in ihren Spitzen in höheren Verwaltungen und in der akademischen Ausbildung kaum mehr aus der praktischen Denkmalpflege kommt, mochte Mielke nicht sonderlich. So wurde ihm zum Beispiel 2014 die Ehrung durch das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz mit der höchsten Auszeichnung, dem Schinkelring, versagt. Seine Bekenntnisse zu Wiederaufbauten und seine Treppenforschung und anderes mehr waren nicht wohl gelitten bei den Granden der theoretischen Denkmalpflege. Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und die Landeshauptstadt Potsdam hatten die Nominierung vorangebracht.

Barocke Bausubstanz dokumentiert

Von 1952 bis 1958 hat er in dieser Stadt vieles geleistet, was als bahnbrechend bewertet werden muss. Zum einen hat er in der kurzen Zeit, natürlich unter entsprechender Beobachtung, die historischen barocken Bausubstanzen dokumentiert in Form von Zeichnungen und Bauaufnahmen, bei denen ihm viele Potsdamer begeistert halfen. Er fotografierte Unmengen an Baulichem. Vieles, wohl das meiste davon, befindet sich in den Sammlungen der Stadt. Im Potsdam Museum liegen wohl an die 4000 Fotografien und in der Unteren Denkmalschutzbehörde mehr als 1000 Zeichnungen aus dieser Zeit, inzwischen alle sorgfältig restauriert. Auf der Grundlage dieser Materialien konnte 1972 das weithin berühmte und einzige Buch dieser Art hier, „Das Bürgerhaus in Potsdam“, in zwei Bänden erscheinen.

Dieses Grundlagenwerk bildet bis heute die wichtigste Erkenntnisquelle der Denkmalpfleger in Potsdam. Aber er hat ja nicht nur geschrieben. Seine bedeutendste Pioniertat ist die Mitgestaltung und Restaurierung der Wilhelm-Staab- Straße! Nach dem Krieg hatte man durchaus ein anderes Verständnis vom Wiederaufbau von Potsdam, als das, was dann leider nach 1958 über die Stadt hereinbrach. Er schrieb 1956: „Die Wiederherstellung der Wilhelm-Staab-Straße in Potsdam war also von vornherein ein Wagnis … Sie entstand im 18. Jahrhundert und wird ein zweites Mal nach furchtbaren Zerstörungen in unseren Tagen gebaut. Über zwei Jahrhunderte spannt sich der Bogen guter baukünstlerischer Tradition. Wir haben den Versuch unternommen, die uns überkommenen architektonischen Werte in die Neuplanung unserer Gegenwart miteinzubeziehen, wir sind von seinem Gelingen überzeugt und hoffen, daß er recht viele Nachahmer findet.“

Kein Fassadismus

Man müsste diese seine Tätigkeit noch einmal näher beleuchten, denn er schuf zusammen mit vielen anderen ein interessantes Modell: Die historischen Fassaden wurden weitgehend rekonstruiert und dahinter neuer, zeitgerechter Wohnraum geschaffen. Das wurde und wird von den tugendhaften Bescheidwissern gern als Fassadismus diskreditiert. Es werden dabei aber gleich mehrere Dinge übersehen. Wenn damals dieses Verfahren nicht entwickelt worden wäre, würde heute dieses wichtigste und fast vollständig geschlossene Zeugnis friderizianischer Stadtraumbildung nicht mehr existieren, ebenso wenig wie die Zeile in der Spornstraße und andere mehr. Die noch weitgehend vorhandene Charlottenstraße weist zu zahlreiche Überformungen auf, als dass es möglich wäre, einen vergleichbaren Eindruck zu vermitteln. Und man sollte ebenfalls nicht übersehen, dass Potsdam im 18. Jahrhundert nur aus Fassaden errichtet wurde, hinter denen etwas völlig anderes steckte, als man von vorne hätte vermuten dürfen. Die Typenhäuser Friedrich Wilhelms I. sind Fachwerkhäuser mit überwiegend vorgeblendeten Steinfassaden. Wer aber hat Potsdam je als Fachwerkstadt wahrgenommen? Sein Sohn, der Große Friedrich, machte es ihm nach und bildete die Fassaden nur prächtiger aus.

Na und überhaupt das Holländische Viertel, Friedrich Mielke hat sich auch damit viel beschäftigt und ein kaum bekanntes Buch darüber geschrieben. Das Viertel, das mit der holländischen Architektur auch nur bedingt etwas zu tun hat, ist auch aus vielen Ruinen wieder entstanden, ganz in seinem Sinne. Wer hätte darauf ernsthaft verzichten wollen?

Egal wie, für Potsdam kann man sein Wirken nicht hoch genug einschätzen. Er hatte auch zuletzt seinen Frieden mit dem Parlamentsschloss gemacht, obwohl er das anfangs heftig ablehnte. Große Männer machen auch Fehler oder man mag ihren Ansichten nicht immer folgen. Aber das unterscheidet sie von denen, an denen man kaum etwas zu kritisieren hat, denn sie haben ja auch nichts Vergleichbares aufzuweisen. Friedrich Mielke hat in uns, die wir alle um die Wiederherstellung dieser Stadt gerungen haben und noch ringen, die Denkmalpflege tief in unsere Herzen versenkt und das vermögen eben nur die Großen. Danke!

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Friedrich Mielke wurde am 20. September 1921 in Neuneck im Schwarzwald geboren und begann 1949 seine Arbeit in der Denkmalpflege zunächst in Schwerin und anschließend in Potsdam. Promoviert hatte er 1957 an der TU Dresden, habilitiert 1959 an der Technischen Hochschule Berlin, an der er bis 1980 auch als Professor im Fachgebiet Denkmalpflege lehrte. Mielke gilt als Begründer der Erforschung historischer Treppen, die sogenannte Scalalogie, und gründete 1980 die private Arbeitsstelle für Treppenforschung im oberbayrischen Konstein. Am 2. Oktober 1991 hatten die Stadtverordneten auf Antrag der Fraktion Neues Forum/Argus beschlossen, Friedrich Mielke auf Lebenszeit zum Ehrenbürger der Stadt Potsdam zu ernennen, die höchste Auszeichnung der Landeshauptstadt. Am Sonntag starb Mielke im Alter von 97 Jahren. Die Beisetzung soll in Potsdam stattfinden.

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Andreas Kalesse, 66, wurde in Berlin geboren. Der gelernte Landschaftsgärtner studierte Landespflege und Landschaftsentwicklung. Von 1991 bis 2018 war er Stadtkonservator von Potsdam. 

Andreas Kalesse

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