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Im Nachbarschaftshaus Scholle 34 in der Geschwister-Scholl-Straße tut sich was.

© S. Gabsch

Nachbarschaftshaus Scholle 34: Erst Plan, dann Schubkarre

Potsdamer Schüler beteiligen sich am Umbau der alten Gaststätte Charlottenhof zum Nachbarschaftshaus Scholle 34. Und sobald es wärmer wird, gibt es Gartenarbeit für alle.

Potsdam - Am Anfang steht eine Belehrung. Rein und raus geht nur durch diese eine Tür, sagt Steven O’Fearna mit ernstem Blick, alle anderen Wege würden durch gesperrtes Gebiet führen. Der größte Teil der Scholle 34, dem künftigen Nachbarschaftshaus in Potsdam-West, ist so kaputt, dass er aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden dürfen. Das Verbot gilt auch für die etwa 30 Schüler der Montessori-Schule, die hier wie jeden Mittwoch im Rahmen des Unterrichts Wirtschaft/Arbeit/Technik und einer Projektgruppe arbeiten. Am Mittwoch ist es bitterkalt und in der Ruine gibt es natürlich keine Heizung, aber sie sind trotzdem gekommen. Gegen den Frost hilft Bewegung und Steven O’Fearna vom Stadtteilnetzwerk und verantwortlich für die Koordination der Bauarbeiten steht mit dem Klemmbrett im Raum und verteilt Arbeit.

Die allermeisten arbeiten hier ehrenamtlich und unentgeltlich

Davon gibt es genug, es braucht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie das Nachbarschaftshaus in der Geschwister-Scholl-Straße einmal aussehen soll. Aber: Der Weg ist das Ziel. Seit etwa zwei Jahren arbeiten Nachbarn und Macher aus Potsdam-West daran, aus der Ruine ein Haus für diverse Nutzungen zu machen. Die allermeisten ehrenamtlich und unentgeltlich. Die Leute kommen, sagt Stadtteilnetzwerkgeschäftsführerin Annette Paul, etwa 150 Bürger, Nachbarn, Familien, Studenten, Künstler, engagieren sich regelmäßig. Im vergangenen Sommer wurde vor allem entrümpelt, tonnenweise Schutt aus dem Haus geholt und abgefahren, 40 Container. In den bereits nutzbaren Räumen wurden ein Büro und ein Lagerraum für Veranstaltungstechnik eingerichtet. Draußen wurden Gärten und eine Boulebahn angelegt. Im Sommer gab es dort Open-Air-Tanzveranstaltungen, Kino und im Dezember einmal sogar Theater als Teil des lebendigen Adventskalenders. Das Haus soll Zentrum der Arbeit des Stadtteilnetzwerks werden, das bisher seinen Sitz im Künstler- und Atelierhaus Scholle 51 hat. Als es dort eng wurde, hatte man die Idee entwickelt, die ehemalige Gaststätte auf dem Gelände der Schlösserstiftung zu übernehmen und herzurichten.

Das Anliegen kam gut an, der Verein wird mithilfe von Fördermitteln sanieren. Man habe sich für diverse Fördertöpfe von Bund und Land beworben, sagte Annette Paul. Im Sommer soll der Pachtvertrag mit der Stiftung unterschrieben werden. Die Stadt unterstützte die Konzeptentwicklungsphase mit 100 000 Euro aus ihrem Haushalt. Das statische Gutachten, das gerade angefertigt wird, wolle die Stadt allerdings nicht bezahlen, sagt die Geschäftsführerin.

Nach jahrelangem Leerstand ist alles verrottet

1971 war das moderne Gebäude am Schloss Charlottenhof als Gaststätte eröffnet worden, später befand sich darin eine Disco und zuletzt ein italienisches Restaurant. Nach jahrelangem Leerstand ist alles verrottet, Fenster und Türen kaputt, die Decken kommen runter, die Böden bröseln vor sich hin. Wer sich hineintraut, ist überrascht, wie groß und weitläufig alles ist. Nach außen hin soll die 70er-Jahre-Architektur erhalten werden, sagt O’Fearna. „Innen soll natürlich alles modern werden, energetisch auf neuestem Stand.“ Der Saal wird Veranstaltungssaal bleiben, mit breiter Fensterfront zur Straße hin. In einem zweiten Saal soll es Gastronomie geben, dazu kommen Werkstatträume, Kursräume, Büros. Für Angebote wie Tanz und Yoga, Theater, Sprachkurse, Werken, Lesungen und vieles mehr.

Auf dem überraschend großen Außengelände, dem Lottenhof, wird, sobald es etwas wärmer wird, wieder gegärtnert. Dicht am Zaun zum Park Sanssouci stehen, noch im Winterschlaf, die Bienen der Imker-AG der Kollwitzschule. „Kooperationen mit den Schulen der Nachbarschaft sind uns wichtig“, sagt Paul.

Besser als Schule

Die 15- und 16-Jährigen der Montessori-Schule werden am Mittwoch in Gruppen eingeteilt. Die meisten Mädchen finden sich zur Finanzgruppe zusammen und gehen auf Außendienst: Klinkenputzen bei Gewerbetreibenden, Händlern und Cafés in der Nachbarschaft und fragen, ob sie das Projekt unterstützen würden. Ein kleines Grüppchen soll Grundrisse zeichnen, Böden, Fenster und Türen vermessen. Die Jungs werden eingeteilt zur Recherche. „Überlegt euch mal, wie man einen Schutthaufen vermisst, wie man ihn abtransportiert, welche Firma das macht. Ihr habt doch Internet“, sagt O’Fearna. „Heute noch keine Schubkarre, erst brauchen wir einen Plan.“ Und in der Bauhütte, einem kleinen Haus hinterm Haus, in der es Arbeitstische und Werkzeuge gibt, werden Paletten auseinander genommen. Das ist schon in Ordnung, sagen die Jungs, auch wenn es kalt ist. Besser als Schule sowieso.

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„Im Vergleich zu früher ist schon viel passiert“, sagt Gartenverantwortliche Ulrike Harder. Es gibt eine Komposttoilette und wenn das Umweltministerium den Brunnenbau fördert, gibt es bald auch eigenes Wasser. Bei der Stadtteilkonferenz am 25. Februar in der Da-Vinci-Schule werden die nächsten konkreten Pläne und Termine gemacht. Dazu gestaltet die Schüler-Projektgruppe einen neuen Flyer und erforscht die Geschichte des Ortes. „Wir suchen vor allem Zeitzeugen, die hier zu DDR-Zeiten gearbeitet haben“, sagt Lehrerin Dorothee Berres.

Neben der Gartenarbeit soll in diesem Frühling auch der Zaun an der Straßenfront bei einer geselligen Aktion überarbeitet werden. 120 Meter massiver Metallzaun aus DDR-Zeit brauchen neue Farbe – viel Arbeit. „Wir versuchen das mal mit dem Tom-Sawyer-Trick“, sagt O’Fearna: „Zaun streichen gegen Spende.“

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