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Teuer. Die Tarif-Rückkehr im Klinikum kostet 42 Millionen Euro extra.

© Ottmar Winter

Nach Tarifrückkehr: Scharfer Sparkurs an Potsdams Klinikum droht

Im Bergmann-Konzern erwägt man wegen der Tarif-Mehrkosten den Verkauf von Immobilien. Auch Beteiligungen könnten abgestoßen werden.

Potsdam - Weil die geplanten Rettungsmaßnahmen der Stadt für das finanziell in Schieflage geratene Klinikum „Ernst von Bergmann“ bisher nicht ausreichend sind, wird in dem kommunalen Unternehmen nun auch darüber nachgedacht, einige Betriebsteile abzustoßen. Das hat die Geschäftsführung des Klinikums auf PNN-Anfrage bestätigt.

Hintergrund ist der so genannte Betrauungsakt, mit dem Stadtspitze und Stadtpolitik Finanzhilfen in Millionenhöhe aus der Stadtkasse an das Klinikum rechtlich einwandfrei abwickeln wollen. Allerdings sieht der geplante Betrauungsakt vor, dass die Stadt sich zwischen 2020 und 2023 nur zu 53 Prozent an den rund 42 Millionen Euro Extrakosten für die Rückkehr des Klinikkonzerns zum Tarifsystem des öffentlichen Dienstes beteiligt. 

Die restlichen 47 Prozent soll das Klinikum selbst tragen. Dies würde das Haus verpflichten, „Konsolidierungsmaßnahmen, Restrukturierungen oder auch das Abstoßen einiger Betriebsfelder in Betracht zu ziehen“, teilte eine Sprecherin des Klinikums am Dienstag mit.

Thema im Hauptausschuss

Am Mittwoch (26.5.) will die Stadtpolitik über den Betrauungsakt debattieren, den die Gesundheitsbeigeordnete und Klinikum-Aufsichtsratschefin Brigitte Meier (SPD) vergangene Woche vorgestellt hatte. Dass das Klinikum bis 2023 knapp die Hälfte der Mehrkosten übernehmen soll – also knapp 20 Millionen Euro – hatte für Überraschung gesorgt. 

Denn die rot-grün-rote Rathauskooperation hatte sich ursprünglich dazu verpflichtet, die Tarif-Mehrkosten derart auszugleichen, dass Klinikum durch die von den Stadtverordneten beschlossene Tarifrückkehr nicht in wirtschaftliche Schieflage gerät und sich nach dem schweren Corona-Ausbruch mit zahlreichen Toten 2020 wie ebenfalls von den Stadtverordneten beschlossen neu aufstellen kann.

Wie sieht der Sparkurs aus?

Wie nun der nötige Sparkurs im Klinikum aussehen könnte, dazu machte die Hausleitung auf PNN-Anfrage noch keine genauen Angaben. Man müsse erst den konkreten Beschluss abwarten. Allerdings hatte das Unternehmen in der Vergangenheit bereits diverse Maßnahmen genannt, die realisiert werden sollen – unter anderem umfangreiche Brandschutzsanierungen oder die Aufstockung von Bettenhäusern für mehr Privatpatienten und damit auch mehr Einnahmen.

Ob das Klinikum darauf nun komplett verzichtet oder solche Maßnahmen zeitlich deutlich streckt, ließen die Bergmann-Chefs auf Anfrage unbeantwortet. „Unser Fokus liegt immer klar auf dem Erhalt von medizinischen und pflegerischen Leistungsbereichen und den damit verbundenen Qualitäts- und Sicherheitsaspekten. Alle weiteren Bereiche werden wir unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten neu bewerten müssen“, teilte der Sprecher der Geschäftsführung Hans-Ulrich Schmidt den PNN mit.

Wird die Villa Bergmann verkauft?

Um Geld einzunehmen, könnte das Klinikum auch Immobilien verkaufen – besonders naheliegend erscheint dafür die am Tiefen See gelegene Villa Bergmann, die als mondänes Tagungs- und Schulungszentrum dient. Der Verkauf von „Tafelsilber“ sei jedoch „immer nur eine kurzfristige, weil einmalige Hilfe“, erklärte Ko-Klinikumchef Tim Steckel.

Ferner könnte das Klinikum auch einige seiner Beteiligungen veräußern – so war das Bergmann unter Ex-Chef Steffen Grebner expandiert, hatte sich zum Beispiel in kleineren Krankenhäusern in Forst (Lausitz) und Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark) eingekauft, auch zur Sicherung solcher Strukturen, wie es hieß. Ob diese Beteiligungen nun abgestoßen werden könnten, ließ der Gesundheitskonzern offen. Geschäftsführer Steckel teilte aber mit, sollte der Betrauungsakt wie geplant kommen, würde das Bergmann „damit jetzt schon einen substantiellen Beitrag zur Finanzierung leisten, der das Eigenkapital des Klinikums in den nächsten Jahren sukzessive deutlich reduziert“.

Die Geschäftsführung stehe gleichwohl hinter der Bezahlung nach TVöD im Gesundheitswesen, gerade im Pflegebereich. Doch die Krankenhausfinanzierung reiche dafür nicht aus. Das Bergmann-Klinikum sei bislang ein wirtschaftlich gesundes Krankenhaus gewesen, das Gewinne in Infrastruktur und Technik habe stecken können, so die Sprecherin – wobei es auch hier wie berichtet erhebliche Defizite mangels ausreichender Förderung durch Land und Bund gegeben hatte. 

Um nun den TVöD zu finanzieren, seien Konzepte nötig, „die einen dauerhaften wirtschaftlichen Effekt bringen, da die zukünftigen Lasten aus dem TVöD ebenso auf Dauer angelegt sind“, so Geschäftsführer Steckel. Der Betrauungsakt stelle kein Dauerkonzept dar und werde nur einher gehen können „mit unmittelbar liquiditätssichernden Maßnahmen durch die Landeshauptstadt, um die Zahlungsfähigkeit des Klinikums zu sichern“. Details dazu wurden nicht genannt.

Hoffen auf die Bundespolitik

In dem Betrauungsakt ist auch geregelt, dass es nächstes Jahr einen Kassensturz am Klinikum geben soll. Die Hoffnung dabei richtet sich auch auf eine Neuaufstellung der Krankenhausfinanzierung des Bundes nach der Bundestagswahl im Herbst. Das jetzige Fallpauschalen-System finanziere die Daseinsvorsorge kommunaler Krankenhäuser nicht ausreichend, so die Stadtspitze. Dieser Forderung nach einer auskömmlichen Finanzierung durch den Bund schließe man sich an, so Klinikumchef Schmidt.

Eine brisante Personalie

Neben den finanziellen gibt es derzeit auch personelle Unwägbarkeiten – sie betreffen Ko-Chef Steckel. Vor gut sechs Monaten war bekannt geworden, dass er als Beschuldigter in einem mutmaßlich millionenschweren Abrechnungsbetrug mit teuren Medikamenten geführt wird. Steckel bestreitet eine Verwicklung – gleichwohl war sein Geschäftsführervertrag auf eigenen Wunsch zunächst nur auf ein halbes Jahr befristet worden. 

Das Problem nun: Neuere Ermittlungsergebnisse sind seither öffentlich nicht bekannt geworden, allerdings muss eine Entscheidung her, wie es mit Steckel weitergehen könnte, denn die Befristung läuft Ende Mai aus. Dazu will der Hauptausschuss nach PNN-Informationen heute auch beraten, allerdings im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung.

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